Vielen schien es möglich; auf die Religionsgespräche setzten nicht Wenige eine ernstliche Hoffnung.
Der Theorie nach hätte sie der Papst nicht billigen sollen, da sie nicht ohne Einwirkung der weltlichen Gewalt Religionsstreitigkeiten zu entscheiden suchten, über die er selber das oberste Erkenntniß in Anspruch nahm. Auch verwahrte er sich wohl; jedoch ließ er sie vor sich gehen und sendete seine Abgeordneten dazu.
Er ging dabei mit vieler Behutsamkeit zu Werke: er wählte immer gemäßigte Männer: Leute, die später in vie- len Fällen selbst in den Verdacht des Protestantismus ge- rathen sind. Für ihr Leben und politisches Verhalten gab er ihnen überdieß verständige Anweisungen.
Als er z. B. Morone'n, der noch jung war, im Jahre 1536 nach Deutschland schickte, versäumte er nicht, ihm anzuempfehlen, "er solle keine Schulden machen, in den angewiesenen Herbergen bezahlen, sich ohne Luxus, so wie ohne Armseligkeit kleiden: zwar die Kirche besuchen, aber ja ohne den Schein der Heuchelei." Er sollte die römische Reform, von der so viel die Rede gewesen, in seiner Person darstellen: eine durch Heiterkeit gemäßigte Würde empfahl man ihm an 1). Im Jahre 1540 hatte der Bischof von Wien zu einem äußersten Schritte gerathen. Man sollte, meinte derselbe, den Neugläubigen die für ketzerisch erklärten Artikel Luthers und Melanchthons vor- legen, und sie kurzweg fragen, ob sie von denselben abzu- stehen geneigt seyen. Zu einer solchen Maaßregel jedoch
1)Instructio pro causa fidei et concilii data episcopo Mu- tinae. 24 Oct. 1536. Ms.
BuchII.Regeneration des Katholicismus.
Vielen ſchien es moͤglich; auf die Religionsgeſpraͤche ſetzten nicht Wenige eine ernſtliche Hoffnung.
Der Theorie nach haͤtte ſie der Papſt nicht billigen ſollen, da ſie nicht ohne Einwirkung der weltlichen Gewalt Religionsſtreitigkeiten zu entſcheiden ſuchten, uͤber die er ſelber das oberſte Erkenntniß in Anſpruch nahm. Auch verwahrte er ſich wohl; jedoch ließ er ſie vor ſich gehen und ſendete ſeine Abgeordneten dazu.
Er ging dabei mit vieler Behutſamkeit zu Werke: er waͤhlte immer gemaͤßigte Maͤnner: Leute, die ſpaͤter in vie- len Faͤllen ſelbſt in den Verdacht des Proteſtantismus ge- rathen ſind. Fuͤr ihr Leben und politiſches Verhalten gab er ihnen uͤberdieß verſtaͤndige Anweiſungen.
Als er z. B. Morone’n, der noch jung war, im Jahre 1536 nach Deutſchland ſchickte, verſaͤumte er nicht, ihm anzuempfehlen, „er ſolle keine Schulden machen, in den angewieſenen Herbergen bezahlen, ſich ohne Luxus, ſo wie ohne Armſeligkeit kleiden: zwar die Kirche beſuchen, aber ja ohne den Schein der Heuchelei.“ Er ſollte die roͤmiſche Reform, von der ſo viel die Rede geweſen, in ſeiner Perſon darſtellen: eine durch Heiterkeit gemaͤßigte Wuͤrde empfahl man ihm an 1). Im Jahre 1540 hatte der Biſchof von Wien zu einem aͤußerſten Schritte gerathen. Man ſollte, meinte derſelbe, den Neuglaͤubigen die fuͤr ketzeriſch erklaͤrten Artikel Luthers und Melanchthons vor- legen, und ſie kurzweg fragen, ob ſie von denſelben abzu- ſtehen geneigt ſeyen. Zu einer ſolchen Maaßregel jedoch
1)Instructio pro causa fidei et concilii data episcopo Mu- tinae. 24 Oct. 1536. Ms.
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Buch II. Regeneration des Katholicismus.
Vielen ſchien es moͤglich; auf die Religionsgeſpraͤche
ſetzten nicht Wenige eine ernſtliche Hoffnung.
Der Theorie nach haͤtte ſie der Papſt nicht billigen
ſollen, da ſie nicht ohne Einwirkung der weltlichen Gewalt
Religionsſtreitigkeiten zu entſcheiden ſuchten, uͤber die er ſelber
das oberſte Erkenntniß in Anſpruch nahm. Auch verwahrte
er ſich wohl; jedoch ließ er ſie vor ſich gehen und ſendete
ſeine Abgeordneten dazu.
Er ging dabei mit vieler Behutſamkeit zu Werke: er
waͤhlte immer gemaͤßigte Maͤnner: Leute, die ſpaͤter in vie-
len Faͤllen ſelbſt in den Verdacht des Proteſtantismus ge-
rathen ſind. Fuͤr ihr Leben und politiſches Verhalten gab
er ihnen uͤberdieß verſtaͤndige Anweiſungen.
Als er z. B. Morone’n, der noch jung war, im Jahre
1536 nach Deutſchland ſchickte, verſaͤumte er nicht, ihm
anzuempfehlen, „er ſolle keine Schulden machen, in den
angewieſenen Herbergen bezahlen, ſich ohne Luxus, ſo
wie ohne Armſeligkeit kleiden: zwar die Kirche beſuchen,
aber ja ohne den Schein der Heuchelei.“ Er ſollte die
roͤmiſche Reform, von der ſo viel die Rede geweſen, in
ſeiner Perſon darſtellen: eine durch Heiterkeit gemaͤßigte
Wuͤrde empfahl man ihm an 1). Im Jahre 1540 hatte
der Biſchof von Wien zu einem aͤußerſten Schritte gerathen.
Man ſollte, meinte derſelbe, den Neuglaͤubigen die fuͤr
ketzeriſch erklaͤrten Artikel Luthers und Melanchthons vor-
legen, und ſie kurzweg fragen, ob ſie von denſelben abzu-
ſtehen geneigt ſeyen. Zu einer ſolchen Maaßregel jedoch
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tinae. 24 Oct. 1536. Ms.
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Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 150. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste01_1834/176>, abgerufen am 27.11.2024.
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