Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite

Kap. III. Politisch-kirchliche Verwickelungen.
ser Einhalt gethan zu haben. Er war noch jung genug,
um zu hoffen, ihn ganz zu benutzen.

Sonderbares, trügerisches Geschick des Menschen! Leo
war auf seiner Villa Malliana, als ihm die Nachricht von
dem Einzug der Seinen in Mailand gebracht ward. Er
gab sich dem Gefühl hin, in das ein glücklich zu Ende
geführtes Unternehmen zu versetzen pflegt. Mit Vergnü-
gen sah er den Festlichkeiten zu, welche seine Leute des-
halb anstellten; bis tief in die Nacht ging er zwischen dem
Fenster und dem brennenden Kamin -- es war im No-
vember -- hin und her 1). Etwas erschöpft, aber über-
aus vergnügt kam er nach Rom. Da hatte man noch
nicht das Siegesfest vollendet, als ihn der Anfall einer tödt-
lichen Krankheit ereilte. "Betet für mich," sagte er zu
seinen Dienern, "ich mache euch noch alle glücklich." Er
liebte das Leben, sehen wir, doch war seine Stunde ge-
kommen. Er hatte nicht Zeit, das Sacrament und die
letzte Oelung zu empfangen. So plötzlich, in so frühen
Jahren, mitten in großen Hoffnungen, starb er "wie der
Mohn hinwelkt" 2).


1) Copia di una lettera di Roma alli Sgri. Bolognesi a di
3 Dcbr. 1521 scritta per Bartholomeo Argilelli.
Bei Sanuto im
32sten Bande. Die Nachricht traf den Papst 24. Nov. beim Be-
nedicite. Er nahm dieß noch besonders für eine gute Vorbedeu-
tung. Er sagte: Questa e una buona nuova, che havete portato.
Die Schweizer fingen sogleich an, Freude zu schießen. Der Papst
ließ sie bitten, still zu seyn, aber vergeblich.
2) Man redete sogleich von Gift. Lettera di Hieronymo Bon
a suo barba a di 5 Dec.
bei Sanuto "non si sa certo se 'l pon-
tefice sia morto di veneno. Fo aperto. Maistro Ferando ju-
dica sia stato venenato; alcuno de li altri no; e di questa opi-

Kap. III. Politiſch-kirchliche Verwickelungen.
ſer Einhalt gethan zu haben. Er war noch jung genug,
um zu hoffen, ihn ganz zu benutzen.

Sonderbares, truͤgeriſches Geſchick des Menſchen! Leo
war auf ſeiner Villa Malliana, als ihm die Nachricht von
dem Einzug der Seinen in Mailand gebracht ward. Er
gab ſich dem Gefuͤhl hin, in das ein gluͤcklich zu Ende
gefuͤhrtes Unternehmen zu verſetzen pflegt. Mit Vergnuͤ-
gen ſah er den Feſtlichkeiten zu, welche ſeine Leute des-
halb anſtellten; bis tief in die Nacht ging er zwiſchen dem
Fenſter und dem brennenden Kamin — es war im No-
vember — hin und her 1). Etwas erſchoͤpft, aber uͤber-
aus vergnuͤgt kam er nach Rom. Da hatte man noch
nicht das Siegesfeſt vollendet, als ihn der Anfall einer toͤdt-
lichen Krankheit ereilte. „Betet fuͤr mich,“ ſagte er zu
ſeinen Dienern, „ich mache euch noch alle gluͤcklich.“ Er
liebte das Leben, ſehen wir, doch war ſeine Stunde ge-
kommen. Er hatte nicht Zeit, das Sacrament und die
letzte Oelung zu empfangen. So ploͤtzlich, in ſo fruͤhen
Jahren, mitten in großen Hoffnungen, ſtarb er „wie der
Mohn hinwelkt“ 2).


1) Copia di una lettera di Roma alli Sgri. Bolognesi a di
3 Dcbr. 1521 scritta per Bartholomeo Argilelli.
Bei Sanuto im
32ſten Bande. Die Nachricht traf den Papſt 24. Nov. beim Be-
nedicite. Er nahm dieß noch beſonders fuͤr eine gute Vorbedeu-
tung. Er ſagte: Questa è una buona nuova, che havete portato.
Die Schweizer fingen ſogleich an, Freude zu ſchießen. Der Papſt
ließ ſie bitten, ſtill zu ſeyn, aber vergeblich.
2) Man redete ſogleich von Gift. Lettera di Hieronymo Bon
a suo barba a di 5 Dec.
bei Sanuto „non si sa certo se ’l pon-
tefice sia morto di veneno. Fo aperto. Maistro Ferando ju-
dica sia stato venenato; alcuno de li altri no; è di questa opi-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0114" n="88"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Kap</hi>. <hi rendition="#aq">III.</hi><hi rendition="#g">Politi&#x017F;ch-kirchliche Verwickelungen</hi>.</fw><lb/>
&#x017F;er Einhalt gethan zu haben. Er war noch jung genug,<lb/>
um zu hoffen, ihn ganz zu benutzen.</p><lb/>
          <p>Sonderbares, tru&#x0364;geri&#x017F;ches Ge&#x017F;chick des Men&#x017F;chen! Leo<lb/>
war auf &#x017F;einer Villa Malliana, als ihm die Nachricht von<lb/>
dem Einzug der Seinen in Mailand gebracht ward. Er<lb/>
gab &#x017F;ich dem Gefu&#x0364;hl hin, in das ein glu&#x0364;cklich zu Ende<lb/>
gefu&#x0364;hrtes Unternehmen zu ver&#x017F;etzen pflegt. Mit Vergnu&#x0364;-<lb/>
gen &#x017F;ah er den Fe&#x017F;tlichkeiten zu, welche &#x017F;eine Leute des-<lb/>
halb an&#x017F;tellten; bis tief in die Nacht ging er zwi&#x017F;chen dem<lb/>
Fen&#x017F;ter und dem brennenden Kamin &#x2014; es war im No-<lb/>
vember &#x2014; hin und her <note place="foot" n="1)"><hi rendition="#aq">Copia di una lettera di Roma alli Sgri. Bolognesi a di<lb/>
3 Dcbr. 1521 scritta per Bartholomeo Argilelli.</hi> Bei Sanuto im<lb/>
32&#x017F;ten Bande. Die Nachricht traf den Pap&#x017F;t 24. Nov. beim Be-<lb/>
nedicite. Er nahm dieß noch be&#x017F;onders fu&#x0364;r eine gute Vorbedeu-<lb/>
tung. Er &#x017F;agte: <hi rendition="#aq">Questa è una buona nuova, che havete portato.</hi><lb/>
Die Schweizer fingen &#x017F;ogleich an, Freude zu &#x017F;chießen. Der Pap&#x017F;t<lb/>
ließ &#x017F;ie bitten, &#x017F;till zu &#x017F;eyn, aber vergeblich.</note>. Etwas er&#x017F;cho&#x0364;pft, aber u&#x0364;ber-<lb/>
aus vergnu&#x0364;gt kam er nach Rom. Da hatte man noch<lb/>
nicht das Siegesfe&#x017F;t vollendet, als ihn der Anfall einer to&#x0364;dt-<lb/>
lichen Krankheit ereilte. &#x201E;Betet fu&#x0364;r mich,&#x201C; &#x017F;agte er zu<lb/>
&#x017F;einen Dienern, &#x201E;ich mache euch noch alle glu&#x0364;cklich.&#x201C; Er<lb/>
liebte das Leben, &#x017F;ehen wir, doch war &#x017F;eine Stunde ge-<lb/>
kommen. Er hatte nicht Zeit, das Sacrament und die<lb/>
letzte Oelung zu empfangen. So plo&#x0364;tzlich, in &#x017F;o fru&#x0364;hen<lb/>
Jahren, mitten in großen Hoffnungen, &#x017F;tarb er &#x201E;wie der<lb/>
Mohn hinwelkt&#x201C; <note xml:id="note-0114" next="#note-0115" place="foot" n="2)">Man redete &#x017F;ogleich von Gift. <hi rendition="#aq">Lettera di Hieronymo Bon<lb/>
a suo barba a di 5 Dec.</hi> bei <hi rendition="#aq">Sanuto &#x201E;non si sa certo se &#x2019;l pon-<lb/>
tefice sia morto di veneno. Fo aperto. Maistro Ferando ju-<lb/>
dica sia stato venenato; alcuno de li altri no; è di questa opi-</hi></note>.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[88/0114] Kap. III. Politiſch-kirchliche Verwickelungen. ſer Einhalt gethan zu haben. Er war noch jung genug, um zu hoffen, ihn ganz zu benutzen. Sonderbares, truͤgeriſches Geſchick des Menſchen! Leo war auf ſeiner Villa Malliana, als ihm die Nachricht von dem Einzug der Seinen in Mailand gebracht ward. Er gab ſich dem Gefuͤhl hin, in das ein gluͤcklich zu Ende gefuͤhrtes Unternehmen zu verſetzen pflegt. Mit Vergnuͤ- gen ſah er den Feſtlichkeiten zu, welche ſeine Leute des- halb anſtellten; bis tief in die Nacht ging er zwiſchen dem Fenſter und dem brennenden Kamin — es war im No- vember — hin und her 1). Etwas erſchoͤpft, aber uͤber- aus vergnuͤgt kam er nach Rom. Da hatte man noch nicht das Siegesfeſt vollendet, als ihn der Anfall einer toͤdt- lichen Krankheit ereilte. „Betet fuͤr mich,“ ſagte er zu ſeinen Dienern, „ich mache euch noch alle gluͤcklich.“ Er liebte das Leben, ſehen wir, doch war ſeine Stunde ge- kommen. Er hatte nicht Zeit, das Sacrament und die letzte Oelung zu empfangen. So ploͤtzlich, in ſo fruͤhen Jahren, mitten in großen Hoffnungen, ſtarb er „wie der Mohn hinwelkt“ 2). 1) Copia di una lettera di Roma alli Sgri. Bolognesi a di 3 Dcbr. 1521 scritta per Bartholomeo Argilelli. Bei Sanuto im 32ſten Bande. Die Nachricht traf den Papſt 24. Nov. beim Be- nedicite. Er nahm dieß noch beſonders fuͤr eine gute Vorbedeu- tung. Er ſagte: Questa è una buona nuova, che havete portato. Die Schweizer fingen ſogleich an, Freude zu ſchießen. Der Papſt ließ ſie bitten, ſtill zu ſeyn, aber vergeblich. 2) Man redete ſogleich von Gift. Lettera di Hieronymo Bon a suo barba a di 5 Dec. bei Sanuto „non si sa certo se ’l pon- tefice sia morto di veneno. Fo aperto. Maistro Ferando ju- dica sia stato venenato; alcuno de li altri no; è di questa opi-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste01_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste01_1834/114
Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 88. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste01_1834/114>, abgerufen am 05.12.2024.