Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Dritten Theils zweyte Abtheilung: Neuere Geschichte der Geschlechtsverbindung und Liebe. Leipzig, 1798.

Bild:
<< vorherige Seite

und eine mehr aufgeklärte Denkungsart als in dem übrigen Europa, sowohl in Rücksicht der religiösen als politischen Denkart herrschte; weil in Spanien, dem südlichen Theil von Frankreich, und dem obern Theile von Italien die klassische Litteratur selbst in den finstersten Jahrhunderten mehr als anderswo getrieben wurde; 20) und weil endlich der Hof der Berengarn die Musen liebte und unterstützte. Man kann auch mit gutem Grunde zweifeln, ob nicht das übrige Frankreich und andere Länder, welche von den arabischen Besitzungen in Spanien noch entfernter lagen, eben so gute Dichter aufzuweisen gehabt haben, deren Werke nur nicht bis zu uns gekommen sind. Doch! wir wollen gern einräumen, daß die Politur der Maurischen Höfe in Spanien zu derjenigen, die wir an den benachbarten Höfen um diese Zeit bemerken, beygetragen haben könne. Nur wird uns diese mitwirkende Ursach um so weniger hinreichend scheinen, die orientalische schöne Litteratur als ein unmittelbares Vorbild der provenzalischen zu betrachten, als sich sonst schwerlich begreifen ließe, warum erst im zwölften Jahrhunderte diese Mittheilung des Geschmacks eingetreten sey, da die morgenländische Poesie schon lange vorher geblühet hatte.

20) Z. B. Es traten hier die ersten Reformatoren der Kirche auf: die Albigenser, u. s. w.

und eine mehr aufgeklärte Denkungsart als in dem übrigen Europa, sowohl in Rücksicht der religiösen als politischen Denkart herrschte; weil in Spanien, dem südlichen Theil von Frankreich, und dem obern Theile von Italien die klassische Litteratur selbst in den finstersten Jahrhunderten mehr als anderswo getrieben wurde; 20) und weil endlich der Hof der Berengarn die Musen liebte und unterstützte. Man kann auch mit gutem Grunde zweifeln, ob nicht das übrige Frankreich und andere Länder, welche von den arabischen Besitzungen in Spanien noch entfernter lagen, eben so gute Dichter aufzuweisen gehabt haben, deren Werke nur nicht bis zu uns gekommen sind. Doch! wir wollen gern einräumen, daß die Politur der Maurischen Höfe in Spanien zu derjenigen, die wir an den benachbarten Höfen um diese Zeit bemerken, beygetragen haben könne. Nur wird uns diese mitwirkende Ursach um so weniger hinreichend scheinen, die orientalische schöne Litteratur als ein unmittelbares Vorbild der provenzalischen zu betrachten, als sich sonst schwerlich begreifen ließe, warum erst im zwölften Jahrhunderte diese Mittheilung des Geschmacks eingetreten sey, da die morgenländische Poesie schon lange vorher geblühet hatte.

20) Z. B. Es traten hier die ersten Reformatoren der Kirche auf: die Albigenser, u. s. w.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0084" n="84"/>
und eine mehr aufgeklärte Denkungsart als in dem übrigen Europa, sowohl in Rücksicht der religiösen als politischen Denkart herrschte; weil in Spanien, dem südlichen Theil von Frankreich, und dem obern Theile von Italien die klassische Litteratur selbst in den finstersten Jahrhunderten mehr als anderswo getrieben wurde; <note place="foot" n="20)">Z. B. Es traten hier die ersten Reformatoren der Kirche auf: die Albigenser, u. s. w.</note> und weil endlich der Hof der Berengarn die Musen liebte und unterstützte. Man kann auch mit gutem Grunde zweifeln, ob nicht das übrige Frankreich und andere Länder, welche von den arabischen Besitzungen in Spanien noch entfernter lagen, eben so gute Dichter aufzuweisen gehabt haben, deren Werke nur nicht bis zu uns gekommen sind. Doch! wir wollen gern einräumen, daß die Politur der Maurischen Höfe in Spanien zu derjenigen, die wir an den benachbarten Höfen um diese Zeit bemerken, beygetragen haben könne. Nur wird uns diese mitwirkende Ursach um so weniger hinreichend scheinen, die orientalische schöne Litteratur als ein unmittelbares Vorbild der provenzalischen zu betrachten, als sich sonst schwerlich begreifen ließe, warum erst im zwölften Jahrhunderte diese Mittheilung des Geschmacks eingetreten sey, da die morgenländische Poesie schon lange vorher geblühet hatte.</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[84/0084] und eine mehr aufgeklärte Denkungsart als in dem übrigen Europa, sowohl in Rücksicht der religiösen als politischen Denkart herrschte; weil in Spanien, dem südlichen Theil von Frankreich, und dem obern Theile von Italien die klassische Litteratur selbst in den finstersten Jahrhunderten mehr als anderswo getrieben wurde; 20) und weil endlich der Hof der Berengarn die Musen liebte und unterstützte. Man kann auch mit gutem Grunde zweifeln, ob nicht das übrige Frankreich und andere Länder, welche von den arabischen Besitzungen in Spanien noch entfernter lagen, eben so gute Dichter aufzuweisen gehabt haben, deren Werke nur nicht bis zu uns gekommen sind. Doch! wir wollen gern einräumen, daß die Politur der Maurischen Höfe in Spanien zu derjenigen, die wir an den benachbarten Höfen um diese Zeit bemerken, beygetragen haben könne. Nur wird uns diese mitwirkende Ursach um so weniger hinreichend scheinen, die orientalische schöne Litteratur als ein unmittelbares Vorbild der provenzalischen zu betrachten, als sich sonst schwerlich begreifen ließe, warum erst im zwölften Jahrhunderte diese Mittheilung des Geschmacks eingetreten sey, da die morgenländische Poesie schon lange vorher geblühet hatte. 20) Z. B. Es traten hier die ersten Reformatoren der Kirche auf: die Albigenser, u. s. w.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-11-20T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-11-20T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-11-20T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Wikisource:Editionsrichtlinien.
  • Der Seitenwechsel erfolgt bei Worttrennung nach dem gesamten Wort.
  • Geviertstriche (—) wurden durch Halbgeviertstriche ersetzt (–).
  • Übergeschriebenes „e“ über „a“, „o“ und „u“ wird als moderner Umlaut (ä, ö, ü) transkribiert.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus0302_1798
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus0302_1798/84
Zitationshilfe: Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Dritten Theils zweyte Abtheilung: Neuere Geschichte der Geschlechtsverbindung und Liebe. Leipzig, 1798, S. 84. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus0302_1798/84>, abgerufen am 18.12.2024.