Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Dritten Theils zweyte Abtheilung: Neuere Geschichte der Geschlechtsverbindung und Liebe. Leipzig, 1798.

Bild:
<< vorherige Seite

seyn. Wohin sie gebeten wird, muß man ihn zu ihrer Begleitung mit bitten. Man hat neuere Beyspiele von Damen von hohem Stande, die sich in der Abwesenheit ihres Cortejo Monate lang eingeschlossen gehalten haben, und zwar nicht bloß aus Unmuth, sondern um ihm nicht zu mißfallen. Ist die Dame zu Hause, so sitzt er bey ihr; geht sie aus, so führt er sie; setzt sie sich in einer Assemblee, so wird allemahl ein Stuhl für ihn ledig gelassen. In englischen Tänzen tanzt sie bloß mit ihm. Jede Dame tanzt zwey Menuette auf einem Balle: die erste mit ihrem Cortejo, die andere mit einem Fremden. Tanzt sie mit jenem, und sie ist lebhaft, so merkt man bald das Verhältniß, worin sie mit dem Tänzer steht: sie wird nicht unterlassen, sich so viel Grazie dabey zu geben, als sie nur kann. Tanzt sie hingegen mit letzterm, so verräth sie nicht bloß Gleichgültigkeit, sondern ein verdrießliches Wesen, und scheint auf ihren Mittänzer mit Verachtung herabzusehen."

"So bald eine Dame heirathet, wird sie von allen Seiten von denjenigen geplagt, die sich um die ausgezeichnete Gunst bewerben, ihre Cortejo's zu werden. Dieß dauert so lange, bis sie sich in ihrer Wahl bestimmt hat, worauf sich dann die in ihrer Hoffnung betrogenen Nebenbuhler zurückziehen, oder sich damit begnügen, in Zukunft sogenannte Cortejo's bey der Kohlenpfanne zu werden, und auf nichts Anspruch zu machen, als im Winter um solche herum zu sitzen, und sich mit ihr an den glühenden Kohlen zu wärmen."

"Man hält es für sehr unanständig, veränderlich zu seyn; gleichwohl trifft man unzählige Beyspiele von Damen an, welche ihre Liebhaber oft verändern."

seyn. Wohin sie gebeten wird, muß man ihn zu ihrer Begleitung mit bitten. Man hat neuere Beyspiele von Damen von hohem Stande, die sich in der Abwesenheit ihres Cortejo Monate lang eingeschlossen gehalten haben, und zwar nicht bloß aus Unmuth, sondern um ihm nicht zu mißfallen. Ist die Dame zu Hause, so sitzt er bey ihr; geht sie aus, so führt er sie; setzt sie sich in einer Assemblee, so wird allemahl ein Stuhl für ihn ledig gelassen. In englischen Tänzen tanzt sie bloß mit ihm. Jede Dame tanzt zwey Menuette auf einem Balle: die erste mit ihrem Cortejo, die andere mit einem Fremden. Tanzt sie mit jenem, und sie ist lebhaft, so merkt man bald das Verhältniß, worin sie mit dem Tänzer steht: sie wird nicht unterlassen, sich so viel Grazie dabey zu geben, als sie nur kann. Tanzt sie hingegen mit letzterm, so verräth sie nicht bloß Gleichgültigkeit, sondern ein verdrießliches Wesen, und scheint auf ihren Mittänzer mit Verachtung herabzusehen.“

„So bald eine Dame heirathet, wird sie von allen Seiten von denjenigen geplagt, die sich um die ausgezeichnete Gunst bewerben, ihre Cortejo’s zu werden. Dieß dauert so lange, bis sie sich in ihrer Wahl bestimmt hat, worauf sich dann die in ihrer Hoffnung betrogenen Nebenbuhler zurückziehen, oder sich damit begnügen, in Zukunft sogenannte Cortejo’s bey der Kohlenpfanne zu werden, und auf nichts Anspruch zu machen, als im Winter um solche herum zu sitzen, und sich mit ihr an den glühenden Kohlen zu wärmen.“

„Man hält es für sehr unanständig, veränderlich zu seyn; gleichwohl trifft man unzählige Beyspiele von Damen an, welche ihre Liebhaber oft verändern.“

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0335" n="335"/>
seyn. Wohin sie gebeten wird, muß man ihn zu ihrer Begleitung mit bitten. Man hat neuere Beyspiele von Damen von hohem Stande, die sich in der Abwesenheit ihres Cortejo Monate lang eingeschlossen gehalten haben, und zwar nicht bloß aus Unmuth, sondern um ihm nicht zu mißfallen. Ist die Dame zu Hause, so sitzt er bey ihr; geht sie aus, so führt er sie; setzt sie sich in einer Assemblee, so wird allemahl ein Stuhl für ihn ledig gelassen. In englischen Tänzen tanzt sie bloß mit ihm. Jede Dame tanzt zwey Menuette auf einem Balle: die erste mit ihrem Cortejo, die andere mit einem Fremden. Tanzt sie mit jenem, und sie ist lebhaft, so merkt man bald das Verhältniß, worin sie mit dem Tänzer steht: sie wird nicht unterlassen, sich so viel Grazie dabey zu geben, als sie nur kann. Tanzt sie hingegen mit letzterm, so verräth sie nicht bloß Gleichgültigkeit, sondern ein verdrießliches Wesen, und scheint auf ihren Mittänzer mit Verachtung herabzusehen.&#x201C;</p>
          <p>&#x201E;So bald eine Dame heirathet, wird sie von allen Seiten von denjenigen geplagt, die sich um die ausgezeichnete Gunst bewerben, ihre Cortejo&#x2019;s zu werden. Dieß dauert so lange, bis sie sich in ihrer Wahl bestimmt hat, worauf sich dann die in ihrer Hoffnung betrogenen Nebenbuhler zurückziehen, oder sich damit begnügen, in Zukunft sogenannte Cortejo&#x2019;s bey der Kohlenpfanne zu werden, und auf nichts Anspruch zu machen, als im Winter um solche herum zu sitzen, und sich mit ihr an den glühenden Kohlen zu wärmen.&#x201C;</p>
          <p>&#x201E;Man hält es für sehr unanständig, veränderlich zu seyn; gleichwohl trifft man unzählige Beyspiele von Damen an, welche ihre Liebhaber oft verändern.&#x201C;</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[335/0335] seyn. Wohin sie gebeten wird, muß man ihn zu ihrer Begleitung mit bitten. Man hat neuere Beyspiele von Damen von hohem Stande, die sich in der Abwesenheit ihres Cortejo Monate lang eingeschlossen gehalten haben, und zwar nicht bloß aus Unmuth, sondern um ihm nicht zu mißfallen. Ist die Dame zu Hause, so sitzt er bey ihr; geht sie aus, so führt er sie; setzt sie sich in einer Assemblee, so wird allemahl ein Stuhl für ihn ledig gelassen. In englischen Tänzen tanzt sie bloß mit ihm. Jede Dame tanzt zwey Menuette auf einem Balle: die erste mit ihrem Cortejo, die andere mit einem Fremden. Tanzt sie mit jenem, und sie ist lebhaft, so merkt man bald das Verhältniß, worin sie mit dem Tänzer steht: sie wird nicht unterlassen, sich so viel Grazie dabey zu geben, als sie nur kann. Tanzt sie hingegen mit letzterm, so verräth sie nicht bloß Gleichgültigkeit, sondern ein verdrießliches Wesen, und scheint auf ihren Mittänzer mit Verachtung herabzusehen.“ „So bald eine Dame heirathet, wird sie von allen Seiten von denjenigen geplagt, die sich um die ausgezeichnete Gunst bewerben, ihre Cortejo’s zu werden. Dieß dauert so lange, bis sie sich in ihrer Wahl bestimmt hat, worauf sich dann die in ihrer Hoffnung betrogenen Nebenbuhler zurückziehen, oder sich damit begnügen, in Zukunft sogenannte Cortejo’s bey der Kohlenpfanne zu werden, und auf nichts Anspruch zu machen, als im Winter um solche herum zu sitzen, und sich mit ihr an den glühenden Kohlen zu wärmen.“ „Man hält es für sehr unanständig, veränderlich zu seyn; gleichwohl trifft man unzählige Beyspiele von Damen an, welche ihre Liebhaber oft verändern.“

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-11-20T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-11-20T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-11-20T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Wikisource:Editionsrichtlinien.
  • Der Seitenwechsel erfolgt bei Worttrennung nach dem gesamten Wort.
  • Geviertstriche (—) wurden durch Halbgeviertstriche ersetzt (–).
  • Übergeschriebenes „e“ über „a“, „o“ und „u“ wird als moderner Umlaut (ä, ö, ü) transkribiert.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus0302_1798
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus0302_1798/335
Zitationshilfe: Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Dritten Theils zweyte Abtheilung: Neuere Geschichte der Geschlechtsverbindung und Liebe. Leipzig, 1798, S. 335. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus0302_1798/335>, abgerufen am 10.05.2024.