Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Dritten Theils zweyte Abtheilung: Neuere Geschichte der Geschlechtsverbindung und Liebe. Leipzig, 1798.

Bild:
<< vorherige Seite

mit jenem warmen Temperamente ein beynahe unzertrennliches Ganze ausmacht. Noch mehr aber beweist es ihre Aufführung. Sie liefert sich mehreren Liebhabern, und endlich sogar ihren Dienstbothen nach der Reihe in die Arme. Rousseau behauptet, dieß sey ein bloßer Fehler ihres Verstandes gewesen: sie habe die Sache selbst für ganz gleichgültig gehalten, und aus dem Grunde, weil die Männer einen so großen Werth darauf legten, sie als ein Mittel gebraucht, diejenigen, die ihr angehörten, sich desto enger zu verbinden. Wer wird, wer kann dieß glauben, da R. selbst denjenigen für einen Dummkopf hält, der ähnlichen Versicherungen trauet! 5)

Sicherer geht man, wenn man der Frau von Warens sehr wenig Anlagen zur zärtlichen und leidenschaftlichen Anhänglichkeit, und zugleich sehr grobe Grundsätze über den Werth des unnennbaren Genusses beylegt. Dieser wird dann zum sinnlichen Bedürfnisse, oder zu einem Vergnügen, woran Seele und Herz keinen, oder sehr geringen Antheil nahmen. Weiber, die sich viel mit Wissenschaften, Geschäften, Experimenten und Künsten abgeben, welche eigentlich außer dem Kreise ihres Geschlechts liegen, kommen sehr leicht zu dieser Denkungsart. Ihre Seele ist, wie sie glauben, zu etwas Wichtigerem bestimmt, als der Leidenschaft der Liebe zu huldigen, und sie suchen

5) Man vergl. eine Note im 5ten Buche des Emil: Je sais, que les femmes, qui ont ouvertement pris leur parti sur un certain point, pretendent bien se faire valoir de cette franchise, et jurent, qu'a cela pres il n'y a rien d'estimable, qu'on ne trouve en elles. Mais je sais bien aussi, qu'elles n'ont jamais persuade cela qu'a des Sots.

mit jenem warmen Temperamente ein beynahe unzertrennliches Ganze ausmacht. Noch mehr aber beweist es ihre Aufführung. Sie liefert sich mehreren Liebhabern, und endlich sogar ihren Dienstbothen nach der Reihe in die Arme. Rousseau behauptet, dieß sey ein bloßer Fehler ihres Verstandes gewesen: sie habe die Sache selbst für ganz gleichgültig gehalten, und aus dem Grunde, weil die Männer einen so großen Werth darauf legten, sie als ein Mittel gebraucht, diejenigen, die ihr angehörten, sich desto enger zu verbinden. Wer wird, wer kann dieß glauben, da R. selbst denjenigen für einen Dummkopf hält, der ähnlichen Versicherungen trauet! 5)

Sicherer geht man, wenn man der Frau von Warens sehr wenig Anlagen zur zärtlichen und leidenschaftlichen Anhänglichkeit, und zugleich sehr grobe Grundsätze über den Werth des unnennbaren Genusses beylegt. Dieser wird dann zum sinnlichen Bedürfnisse, oder zu einem Vergnügen, woran Seele und Herz keinen, oder sehr geringen Antheil nahmen. Weiber, die sich viel mit Wissenschaften, Geschäften, Experimenten und Künsten abgeben, welche eigentlich außer dem Kreise ihres Geschlechts liegen, kommen sehr leicht zu dieser Denkungsart. Ihre Seele ist, wie sie glauben, zu etwas Wichtigerem bestimmt, als der Leidenschaft der Liebe zu huldigen, und sie suchen

5) Man vergl. eine Note im 5ten Buche des Emil: Je sais, que les femmes, qui ont ouvertement pris leur parti sur un certain point, prétendent bien se faire valoir de cette franchise, et jurent, qu’à cela près il n’y a rien d’estimable, qu’on ne trouve en elles. Mais je sais bien aussi, qu’elles n’ont jamais persuadé cela qu’à des Sots.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0293" n="293"/>
mit jenem warmen Temperamente ein beynahe unzertrennliches Ganze ausmacht. Noch mehr aber beweist es ihre Aufführung. Sie liefert sich mehreren Liebhabern, und endlich sogar ihren Dienstbothen nach der Reihe in die Arme. Rousseau behauptet, dieß sey ein bloßer Fehler ihres Verstandes gewesen: sie habe die Sache selbst für ganz gleichgültig gehalten, und aus dem Grunde, weil die Männer einen so großen Werth darauf legten, sie als ein Mittel gebraucht, diejenigen, die ihr angehörten, sich desto enger zu verbinden. Wer wird, wer kann dieß glauben, da R. selbst denjenigen für einen Dummkopf hält, der ähnlichen Versicherungen trauet! <note place="foot" n="5)">Man vergl. eine Note im 5ten Buche des Emil: <hi rendition="#aq">Je sais, que les femmes, qui ont ouvertement pris leur parti sur un certain point, prétendent bien se faire valoir de cette franchise, et jurent, qu&#x2019;à cela près il n&#x2019;y a rien d&#x2019;estimable, qu&#x2019;on ne trouve en elles. Mais je sais bien aussi, qu&#x2019;elles n&#x2019;ont jamais persuadé cela qu&#x2019;à des Sots.</hi></note></p>
          <p>Sicherer geht man, wenn man der Frau von Warens sehr wenig Anlagen zur zärtlichen und leidenschaftlichen Anhänglichkeit, und zugleich sehr grobe Grundsätze über den Werth des unnennbaren Genusses beylegt. Dieser wird dann zum sinnlichen Bedürfnisse, oder zu einem Vergnügen, woran Seele und Herz keinen, oder sehr geringen Antheil nahmen. Weiber, die sich viel mit Wissenschaften, Geschäften, Experimenten und Künsten abgeben, welche eigentlich außer dem Kreise ihres Geschlechts liegen, kommen sehr leicht zu dieser Denkungsart. Ihre Seele ist, wie sie glauben, zu etwas Wichtigerem bestimmt, als der Leidenschaft der Liebe zu huldigen, und sie suchen
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[293/0293] mit jenem warmen Temperamente ein beynahe unzertrennliches Ganze ausmacht. Noch mehr aber beweist es ihre Aufführung. Sie liefert sich mehreren Liebhabern, und endlich sogar ihren Dienstbothen nach der Reihe in die Arme. Rousseau behauptet, dieß sey ein bloßer Fehler ihres Verstandes gewesen: sie habe die Sache selbst für ganz gleichgültig gehalten, und aus dem Grunde, weil die Männer einen so großen Werth darauf legten, sie als ein Mittel gebraucht, diejenigen, die ihr angehörten, sich desto enger zu verbinden. Wer wird, wer kann dieß glauben, da R. selbst denjenigen für einen Dummkopf hält, der ähnlichen Versicherungen trauet! 5) Sicherer geht man, wenn man der Frau von Warens sehr wenig Anlagen zur zärtlichen und leidenschaftlichen Anhänglichkeit, und zugleich sehr grobe Grundsätze über den Werth des unnennbaren Genusses beylegt. Dieser wird dann zum sinnlichen Bedürfnisse, oder zu einem Vergnügen, woran Seele und Herz keinen, oder sehr geringen Antheil nahmen. Weiber, die sich viel mit Wissenschaften, Geschäften, Experimenten und Künsten abgeben, welche eigentlich außer dem Kreise ihres Geschlechts liegen, kommen sehr leicht zu dieser Denkungsart. Ihre Seele ist, wie sie glauben, zu etwas Wichtigerem bestimmt, als der Leidenschaft der Liebe zu huldigen, und sie suchen 5) Man vergl. eine Note im 5ten Buche des Emil: Je sais, que les femmes, qui ont ouvertement pris leur parti sur un certain point, prétendent bien se faire valoir de cette franchise, et jurent, qu’à cela près il n’y a rien d’estimable, qu’on ne trouve en elles. Mais je sais bien aussi, qu’elles n’ont jamais persuadé cela qu’à des Sots.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-11-20T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-11-20T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-11-20T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Wikisource:Editionsrichtlinien.
  • Der Seitenwechsel erfolgt bei Worttrennung nach dem gesamten Wort.
  • Geviertstriche (—) wurden durch Halbgeviertstriche ersetzt (–).
  • Übergeschriebenes „e“ über „a“, „o“ und „u“ wird als moderner Umlaut (ä, ö, ü) transkribiert.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus0302_1798
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus0302_1798/293
Zitationshilfe: Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Dritten Theils zweyte Abtheilung: Neuere Geschichte der Geschlechtsverbindung und Liebe. Leipzig, 1798, S. 293. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus0302_1798/293>, abgerufen am 13.05.2024.