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Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Dritten Theils zweyte Abtheilung: Neuere Geschichte der Geschlechtsverbindung und Liebe. Leipzig, 1798.

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Der Spanier suchte in seiner Galanterie überall das Pomphafte und Abentheuerliche auf. Dahin führte ihn sein eigener Charakter, und die Bildung, die er von den Mauren erhalten hatte. Sein Ansehn in Europa nährte seinen Stolz, und häufige Siege hatten seinen angebornen Muth erhöhet. So wie der Italiäner fand er Vergnügen an heimlichen Intriguen, denen er das Ansehn einer edlen Leidenschaft zu geben suchte. Aber er liebte das Heimliche, nicht sowohl um desto sicherer zu seinem Zwecke zu gelangen, als vielmehr, um desto mehr Schwierigkeiten zu überwinden zu haben, und seinen Stolz durch das Bewußtseyn seines Unternehmungsgeistes und seiner Feinheit zu befriedigen. Dieser mit einem hervorstechenden Zuge zur Melancholie und einer finsteren Schwärmerey gepaart, bewog ihn, die Martern, welche ihm die Liebe erdulden ließ, möglichst zur Schau zu tragen, sich vor dem Fenster der Geliebten bey öffentlichen Prozessionen doppelt zu geißeln, um ihr Mitleiden zu erwecken, klagende Guitarren zur Nachtzeit hören zu lassen, und überall darauf auszugehen, daß seine Dame ihn bey seiner Unterwürfigkeit unter ihren Willen bewundern sollte. Dabey war seine Ruhmsucht rüstig und muthvoll. Er warf sich vor den Augen seiner Dame dem Stiere entgegen, und trotzte in ihrer Abwesenheit den Gefahren des Zweykampfs und des Getümmels im Kriege für die Ehre, von ihr beweint oder bewundert zu werden. Vielleicht kam es ihm bey allen seinen Tollheiten auch nur darauf an, sich selbst bewundern zu können.

Der Italiäner gab folglich seiner Verbindung, die heimlich auf feinerer Sinnlichkeit und dem Beschäftigungstriebe beruhte, den äußern Anschein einer süßen Empfindsamkeit

Der Spanier suchte in seiner Galanterie überall das Pomphafte und Abentheuerliche auf. Dahin führte ihn sein eigener Charakter, und die Bildung, die er von den Mauren erhalten hatte. Sein Ansehn in Europa nährte seinen Stolz, und häufige Siege hatten seinen angebornen Muth erhöhet. So wie der Italiäner fand er Vergnügen an heimlichen Intriguen, denen er das Ansehn einer edlen Leidenschaft zu geben suchte. Aber er liebte das Heimliche, nicht sowohl um desto sicherer zu seinem Zwecke zu gelangen, als vielmehr, um desto mehr Schwierigkeiten zu überwinden zu haben, und seinen Stolz durch das Bewußtseyn seines Unternehmungsgeistes und seiner Feinheit zu befriedigen. Dieser mit einem hervorstechenden Zuge zur Melancholie und einer finsteren Schwärmerey gepaart, bewog ihn, die Martern, welche ihm die Liebe erdulden ließ, möglichst zur Schau zu tragen, sich vor dem Fenster der Geliebten bey öffentlichen Prozessionen doppelt zu geißeln, um ihr Mitleiden zu erwecken, klagende Guitarren zur Nachtzeit hören zu lassen, und überall darauf auszugehen, daß seine Dame ihn bey seiner Unterwürfigkeit unter ihren Willen bewundern sollte. Dabey war seine Ruhmsucht rüstig und muthvoll. Er warf sich vor den Augen seiner Dame dem Stiere entgegen, und trotzte in ihrer Abwesenheit den Gefahren des Zweykampfs und des Getümmels im Kriege für die Ehre, von ihr beweint oder bewundert zu werden. Vielleicht kam es ihm bey allen seinen Tollheiten auch nur darauf an, sich selbst bewundern zu können.

Der Italiäner gab folglich seiner Verbindung, die heimlich auf feinerer Sinnlichkeit und dem Beschäftigungstriebe beruhte, den äußern Anschein einer süßen Empfindsamkeit

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[263/0263] Der Spanier suchte in seiner Galanterie überall das Pomphafte und Abentheuerliche auf. Dahin führte ihn sein eigener Charakter, und die Bildung, die er von den Mauren erhalten hatte. Sein Ansehn in Europa nährte seinen Stolz, und häufige Siege hatten seinen angebornen Muth erhöhet. So wie der Italiäner fand er Vergnügen an heimlichen Intriguen, denen er das Ansehn einer edlen Leidenschaft zu geben suchte. Aber er liebte das Heimliche, nicht sowohl um desto sicherer zu seinem Zwecke zu gelangen, als vielmehr, um desto mehr Schwierigkeiten zu überwinden zu haben, und seinen Stolz durch das Bewußtseyn seines Unternehmungsgeistes und seiner Feinheit zu befriedigen. Dieser mit einem hervorstechenden Zuge zur Melancholie und einer finsteren Schwärmerey gepaart, bewog ihn, die Martern, welche ihm die Liebe erdulden ließ, möglichst zur Schau zu tragen, sich vor dem Fenster der Geliebten bey öffentlichen Prozessionen doppelt zu geißeln, um ihr Mitleiden zu erwecken, klagende Guitarren zur Nachtzeit hören zu lassen, und überall darauf auszugehen, daß seine Dame ihn bey seiner Unterwürfigkeit unter ihren Willen bewundern sollte. Dabey war seine Ruhmsucht rüstig und muthvoll. Er warf sich vor den Augen seiner Dame dem Stiere entgegen, und trotzte in ihrer Abwesenheit den Gefahren des Zweykampfs und des Getümmels im Kriege für die Ehre, von ihr beweint oder bewundert zu werden. Vielleicht kam es ihm bey allen seinen Tollheiten auch nur darauf an, sich selbst bewundern zu können. Der Italiäner gab folglich seiner Verbindung, die heimlich auf feinerer Sinnlichkeit und dem Beschäftigungstriebe beruhte, den äußern Anschein einer süßen Empfindsamkeit

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Zitationshilfe: Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Dritten Theils zweyte Abtheilung: Neuere Geschichte der Geschlechtsverbindung und Liebe. Leipzig, 1798, S. 263. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus0302_1798/263>, abgerufen am 13.05.2024.