Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Dritten Theils zweyte Abtheilung: Neuere Geschichte der Geschlechtsverbindung und Liebe. Leipzig, 1798.

Bild:
<< vorherige Seite

die zugleich Schwärmer waren, die ceremonieuse Verehrung des schönen Geschlechts und den prunkenden Ausdruck der Begeisterung für Damen von großem Stande ins gemeine Leben übertragen. Ihr Beyspiel hat auf ganze Korporationen von Rittern gewirkt, und da es bereits in ihrem Gelübde lag, des Schwachen zu schonen, und das bedrängte Frauenzimmer zu schützen, so haben sie, vermöge eines in den damahligen Zeiten sehr natürlichen Schwunges, diese Schonung in eine Entäußerung alles Selbstgefühls, und diesen Schutz in gänzliche Aufopferung verwandelt. Mystische Ideen über die Vollkommenheit der Liebe zu Gott, welche nach diesen in Zerknirschung, Leiden und Duldung bis zur gänzlichen Selbsttödtung bestehen soll, sind auf die Vollkommenheit der Geschlechtsliebe übertragen. Die Bemühungen der neueren Platoniker haben diese Begriffe noch weiter ausgebildet, und ihre Lehren von dem geistigen Zweck der Liebe haben den Kredit der Galanterie immer weiter ausgebreitet. Endlich haben zufällige Umstände, die Denkungsart einiger Regenten, die Würde einiger Frauenzimmer, und der zurückwirkende Einfluß der Litteratur zu ihrer Ausbreitung und Herrschaft beygetragen, bis sie endlich zu einem Theile der Courteoisie, der Wohlerzogenheit bey Höfen, geworden ist.

Der Hauptgrund, welcher dieser Galanterie, ungeachtet aller Mißbräuche und aller Thorheiten, wozu sie die Veranlassung geben konnte und mußte, dennoch den Schutz der guten Gesellschaft sicherte, war unstreitig der beträchtliche Nutzen, den die gesellige Unterhaltung daraus zog. Wir können uns keinen wahren Begriff davon machen. Wir haben einen Ueberfluß an Mitteln

die zugleich Schwärmer waren, die ceremonieuse Verehrung des schönen Geschlechts und den prunkenden Ausdruck der Begeisterung für Damen von großem Stande ins gemeine Leben übertragen. Ihr Beyspiel hat auf ganze Korporationen von Rittern gewirkt, und da es bereits in ihrem Gelübde lag, des Schwachen zu schonen, und das bedrängte Frauenzimmer zu schützen, so haben sie, vermöge eines in den damahligen Zeiten sehr natürlichen Schwunges, diese Schonung in eine Entäußerung alles Selbstgefühls, und diesen Schutz in gänzliche Aufopferung verwandelt. Mystische Ideen über die Vollkommenheit der Liebe zu Gott, welche nach diesen in Zerknirschung, Leiden und Duldung bis zur gänzlichen Selbsttödtung bestehen soll, sind auf die Vollkommenheit der Geschlechtsliebe übertragen. Die Bemühungen der neueren Platoniker haben diese Begriffe noch weiter ausgebildet, und ihre Lehren von dem geistigen Zweck der Liebe haben den Kredit der Galanterie immer weiter ausgebreitet. Endlich haben zufällige Umstände, die Denkungsart einiger Regenten, die Würde einiger Frauenzimmer, und der zurückwirkende Einfluß der Litteratur zu ihrer Ausbreitung und Herrschaft beygetragen, bis sie endlich zu einem Theile der Courteoisie, der Wohlerzogenheit bey Höfen, geworden ist.

Der Hauptgrund, welcher dieser Galanterie, ungeachtet aller Mißbräuche und aller Thorheiten, wozu sie die Veranlassung geben konnte und mußte, dennoch den Schutz der guten Gesellschaft sicherte, war unstreitig der beträchtliche Nutzen, den die gesellige Unterhaltung daraus zog. Wir können uns keinen wahren Begriff davon machen. Wir haben einen Ueberfluß an Mitteln

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0258" n="258"/>
die zugleich Schwärmer waren, die ceremonieuse Verehrung des schönen Geschlechts und den prunkenden Ausdruck der Begeisterung für Damen von großem Stande ins gemeine Leben übertragen. Ihr Beyspiel hat auf ganze Korporationen von Rittern gewirkt, und da es bereits in ihrem Gelübde lag, des Schwachen zu schonen, und das bedrängte Frauenzimmer zu schützen, so haben sie, vermöge eines in den damahligen Zeiten sehr natürlichen Schwunges, diese Schonung in eine Entäußerung alles Selbstgefühls, und diesen Schutz in gänzliche Aufopferung verwandelt. Mystische Ideen über die Vollkommenheit der Liebe zu Gott, welche nach diesen in Zerknirschung, Leiden und Duldung bis zur gänzlichen Selbsttödtung bestehen soll, sind auf die Vollkommenheit der Geschlechtsliebe übertragen. Die Bemühungen der neueren Platoniker haben diese Begriffe noch weiter ausgebildet, und ihre Lehren von dem geistigen Zweck der Liebe haben den Kredit der Galanterie immer weiter ausgebreitet. Endlich haben zufällige Umstände, die Denkungsart einiger Regenten, die Würde einiger Frauenzimmer, und der zurückwirkende Einfluß der Litteratur zu ihrer Ausbreitung und Herrschaft beygetragen, bis sie endlich zu einem Theile der Courteoisie, der Wohlerzogenheit bey Höfen, geworden ist.</p>
          <p>Der Hauptgrund, welcher dieser Galanterie, ungeachtet aller Mißbräuche und aller Thorheiten, wozu sie die Veranlassung geben konnte und mußte, dennoch den Schutz der guten Gesellschaft sicherte, war unstreitig der beträchtliche Nutzen, den die gesellige Unterhaltung daraus zog. Wir können uns keinen wahren Begriff davon machen. Wir haben einen Ueberfluß an Mitteln
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[258/0258] die zugleich Schwärmer waren, die ceremonieuse Verehrung des schönen Geschlechts und den prunkenden Ausdruck der Begeisterung für Damen von großem Stande ins gemeine Leben übertragen. Ihr Beyspiel hat auf ganze Korporationen von Rittern gewirkt, und da es bereits in ihrem Gelübde lag, des Schwachen zu schonen, und das bedrängte Frauenzimmer zu schützen, so haben sie, vermöge eines in den damahligen Zeiten sehr natürlichen Schwunges, diese Schonung in eine Entäußerung alles Selbstgefühls, und diesen Schutz in gänzliche Aufopferung verwandelt. Mystische Ideen über die Vollkommenheit der Liebe zu Gott, welche nach diesen in Zerknirschung, Leiden und Duldung bis zur gänzlichen Selbsttödtung bestehen soll, sind auf die Vollkommenheit der Geschlechtsliebe übertragen. Die Bemühungen der neueren Platoniker haben diese Begriffe noch weiter ausgebildet, und ihre Lehren von dem geistigen Zweck der Liebe haben den Kredit der Galanterie immer weiter ausgebreitet. Endlich haben zufällige Umstände, die Denkungsart einiger Regenten, die Würde einiger Frauenzimmer, und der zurückwirkende Einfluß der Litteratur zu ihrer Ausbreitung und Herrschaft beygetragen, bis sie endlich zu einem Theile der Courteoisie, der Wohlerzogenheit bey Höfen, geworden ist. Der Hauptgrund, welcher dieser Galanterie, ungeachtet aller Mißbräuche und aller Thorheiten, wozu sie die Veranlassung geben konnte und mußte, dennoch den Schutz der guten Gesellschaft sicherte, war unstreitig der beträchtliche Nutzen, den die gesellige Unterhaltung daraus zog. Wir können uns keinen wahren Begriff davon machen. Wir haben einen Ueberfluß an Mitteln

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-11-20T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-11-20T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-11-20T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Wikisource:Editionsrichtlinien.
  • Der Seitenwechsel erfolgt bei Worttrennung nach dem gesamten Wort.
  • Geviertstriche (—) wurden durch Halbgeviertstriche ersetzt (–).
  • Übergeschriebenes „e“ über „a“, „o“ und „u“ wird als moderner Umlaut (ä, ö, ü) transkribiert.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus0302_1798
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus0302_1798/258
Zitationshilfe: Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Dritten Theils zweyte Abtheilung: Neuere Geschichte der Geschlechtsverbindung und Liebe. Leipzig, 1798, S. 258. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus0302_1798/258>, abgerufen am 27.11.2024.