Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Dritten Theils zweyte Abtheilung: Neuere Geschichte der Geschlechtsverbindung und Liebe. Leipzig, 1798.

Bild:
<< vorherige Seite

mit dem Auftrage, ihn durch Eröffnung des Inhalts ihrer Beichte von der Aufrichtigkeit ihrer Gesinnungen und der Ungerechtigkeit seines Verdachts zu überzeugen. 57)

Aber vieles von dieser Schwärmerey gehörte nicht sowohl der Liebe, als einer thörichten Jactanz, und dem Stolze, die abentheuerlichen Begebenheiten und Gesinnungen der Ritterromane zu realisieren. Geniesüchtige hat es zu allen Zeiten gegeben. Zu diesen würde allenfalls die Brüderschaft der verliebten Bußfertigen gehören, die unter dem Nahmen Galois und Galoises bekannt ist, wenn nicht ihre wirkliche Existenz auf dem höchst verdächtigen Zeugnisse des Ritters de la Tour beruhte. 58) Diese Thoren sollen nach dem Grundsatze, daß die Liebe hinlänglich erwärme, allen Schutz gegen Kälte verschmäht haben, und im Winter erfroren seyn.

So wenig sich die Natur dieser Verbindungen im Einzelnen bestimmen läßt, so sicher darf man die pomphaften Beschreibungen der allgemeinen Denkungsart darüber, welche neuere Schriftsteller aufgestellt haben, für unwahr erklären. Auffallend unwahr ist es, daß der Ausspruch der Frauen über den Werth des Mannes je in der Maße entschieden habe, daß ihr Urtheil von dem Publiko erwartet, und unbedingt angenommen sey. Eben so auffallend unwahr ist es im Allgemeinen, daß die Geschlechtsverbindungen rein

57) Memoires de l'academie des Inscr. et belles lettres. T. XX. p. 403.
58) St. Palaye noch der Klüberschen Uebersetzung 2. Th. S. 262.

mit dem Auftrage, ihn durch Eröffnung des Inhalts ihrer Beichte von der Aufrichtigkeit ihrer Gesinnungen und der Ungerechtigkeit seines Verdachts zu überzeugen. 57)

Aber vieles von dieser Schwärmerey gehörte nicht sowohl der Liebe, als einer thörichten Jactanz, und dem Stolze, die abentheuerlichen Begebenheiten und Gesinnungen der Ritterromane zu realisieren. Geniesüchtige hat es zu allen Zeiten gegeben. Zu diesen würde allenfalls die Brüderschaft der verliebten Bußfertigen gehören, die unter dem Nahmen Galois und Galoises bekannt ist, wenn nicht ihre wirkliche Existenz auf dem höchst verdächtigen Zeugnisse des Ritters de la Tour beruhte. 58) Diese Thoren sollen nach dem Grundsatze, daß die Liebe hinlänglich erwärme, allen Schutz gegen Kälte verschmäht haben, und im Winter erfroren seyn.

So wenig sich die Natur dieser Verbindungen im Einzelnen bestimmen läßt, so sicher darf man die pomphaften Beschreibungen der allgemeinen Denkungsart darüber, welche neuere Schriftsteller aufgestellt haben, für unwahr erklären. Auffallend unwahr ist es, daß der Ausspruch der Frauen über den Werth des Mannes je in der Maße entschieden habe, daß ihr Urtheil von dem Publiko erwartet, und unbedingt angenommen sey. Eben so auffallend unwahr ist es im Allgemeinen, daß die Geschlechtsverbindungen rein

57) Memoires de l’academie des Inscr. et belles lettres. T. XX. p. 403.
58) St. Palaye noch der Klüberschen Uebersetzung 2. Th. S. 262.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0255" n="255"/>
mit dem Auftrage, ihn durch Eröffnung des Inhalts ihrer Beichte von der Aufrichtigkeit ihrer Gesinnungen und der Ungerechtigkeit seines Verdachts zu überzeugen. <note place="foot" n="57)"><hi rendition="#aq">Memoires de l&#x2019;academie des Inscr. et belles lettres. T. XX. p. 403.</hi></note></p>
          <p>Aber vieles von dieser Schwärmerey gehörte nicht sowohl der Liebe, als einer thörichten Jactanz, und dem Stolze, die abentheuerlichen Begebenheiten und Gesinnungen der Ritterromane zu realisieren. Geniesüchtige hat es zu allen Zeiten gegeben. Zu diesen würde allenfalls die Brüderschaft der verliebten Bußfertigen gehören, die unter dem Nahmen Galois und Galoises bekannt ist, wenn nicht ihre wirkliche Existenz auf dem höchst verdächtigen Zeugnisse des Ritters de la Tour beruhte. <note place="foot" n="58)">St. Palaye noch der Klüberschen Uebersetzung 2. Th. S. 262.</note> Diese Thoren sollen nach dem Grundsatze, daß die Liebe hinlänglich erwärme, allen Schutz gegen Kälte verschmäht haben, und im Winter erfroren seyn.</p>
          <p>So wenig sich die Natur dieser Verbindungen im Einzelnen bestimmen läßt, so sicher darf man die pomphaften Beschreibungen der allgemeinen Denkungsart darüber, welche neuere Schriftsteller aufgestellt haben, für unwahr erklären. Auffallend unwahr ist es, daß der Ausspruch der Frauen über den Werth des Mannes je in der Maße entschieden habe, daß ihr Urtheil von dem Publiko erwartet, und unbedingt angenommen sey. Eben so auffallend unwahr ist es im Allgemeinen, daß die Geschlechtsverbindungen rein
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[255/0255] mit dem Auftrage, ihn durch Eröffnung des Inhalts ihrer Beichte von der Aufrichtigkeit ihrer Gesinnungen und der Ungerechtigkeit seines Verdachts zu überzeugen. 57) Aber vieles von dieser Schwärmerey gehörte nicht sowohl der Liebe, als einer thörichten Jactanz, und dem Stolze, die abentheuerlichen Begebenheiten und Gesinnungen der Ritterromane zu realisieren. Geniesüchtige hat es zu allen Zeiten gegeben. Zu diesen würde allenfalls die Brüderschaft der verliebten Bußfertigen gehören, die unter dem Nahmen Galois und Galoises bekannt ist, wenn nicht ihre wirkliche Existenz auf dem höchst verdächtigen Zeugnisse des Ritters de la Tour beruhte. 58) Diese Thoren sollen nach dem Grundsatze, daß die Liebe hinlänglich erwärme, allen Schutz gegen Kälte verschmäht haben, und im Winter erfroren seyn. So wenig sich die Natur dieser Verbindungen im Einzelnen bestimmen läßt, so sicher darf man die pomphaften Beschreibungen der allgemeinen Denkungsart darüber, welche neuere Schriftsteller aufgestellt haben, für unwahr erklären. Auffallend unwahr ist es, daß der Ausspruch der Frauen über den Werth des Mannes je in der Maße entschieden habe, daß ihr Urtheil von dem Publiko erwartet, und unbedingt angenommen sey. Eben so auffallend unwahr ist es im Allgemeinen, daß die Geschlechtsverbindungen rein 57) Memoires de l’academie des Inscr. et belles lettres. T. XX. p. 403. 58) St. Palaye noch der Klüberschen Uebersetzung 2. Th. S. 262.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-11-20T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-11-20T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-11-20T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Wikisource:Editionsrichtlinien.
  • Der Seitenwechsel erfolgt bei Worttrennung nach dem gesamten Wort.
  • Geviertstriche (—) wurden durch Halbgeviertstriche ersetzt (–).
  • Übergeschriebenes „e“ über „a“, „o“ und „u“ wird als moderner Umlaut (ä, ö, ü) transkribiert.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus0302_1798
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus0302_1798/255
Zitationshilfe: Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Dritten Theils zweyte Abtheilung: Neuere Geschichte der Geschlechtsverbindung und Liebe. Leipzig, 1798, S. 255. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus0302_1798/255>, abgerufen am 21.11.2024.