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Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Dritten Theils zweyte Abtheilung: Neuere Geschichte der Geschlechtsverbindung und Liebe. Leipzig, 1798.

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mit den früheren Romanen bereits zu einer hohen Stufe der Kultur gediehen.

Obgleich die Sittlichkeit in diesem Romane auf keine grobe Weise beleidigt wird, und die Hauptpersonen vor der Ehe nicht vereinigt werden; so weht doch über das Ganze ein feiner Geist von Lüsternheit, der sich mit den Gesetzen der Moral und selbst des Anstandes nicht ganz vereinigen läßt.

Die Romane der Scudery stellen die Liebe als das ernsthafteste Geschäft des Lebens dar, und suchen in ihr den stärksten Antrieb zu heroischen Thaten, so wie das schönste Mittel zur geselligen Unterhaltung. Man kann die Begriffe von Pflicht und Anstand in den Verhältnissen beyder Geschlechter gegen einander nicht höher treiben, als es hier geschehen ist. Es ist nicht zu läugnen, daß herrliche Situationen in den Werken dieser Dame vorkommen, und daß überall die Gesinnungen der handelnden Personen durch Feinheit der Empfindungen und Seelenadel ausgezeichnet werden.

Aber alles dieß ist mehr von dem Witze ausgedacht, als von dem Herzen eingegeben. Den Charakteren der Helden fehlt es an individueller Wahrheit. Es sind Menschen, die nach den Grundsätzen der Moral erschaffen sind, keine Fehler und lauter Tugenden besitzen. Die Verfasserin legt ihnen einen Edelmuth bey, dem oft der Vorwurf des Uebertriebenen und Abentheuerlichen gemacht werden kann, und der Ausdruck ist nüchtern, schwülstig oder matt. Kurz! das höchste Lob, das man ihren Darstellungen beylegen kann, ist dieß, daß sie sehr ingeniös erfunden sind, und manche feine Bemerkung über die Verhältnisse des geselligen Umgangs enthalten.

mit den früheren Romanen bereits zu einer hohen Stufe der Kultur gediehen.

Obgleich die Sittlichkeit in diesem Romane auf keine grobe Weise beleidigt wird, und die Hauptpersonen vor der Ehe nicht vereinigt werden; so weht doch über das Ganze ein feiner Geist von Lüsternheit, der sich mit den Gesetzen der Moral und selbst des Anstandes nicht ganz vereinigen läßt.

Die Romane der Scudery stellen die Liebe als das ernsthafteste Geschäft des Lebens dar, und suchen in ihr den stärksten Antrieb zu heroischen Thaten, so wie das schönste Mittel zur geselligen Unterhaltung. Man kann die Begriffe von Pflicht und Anstand in den Verhältnissen beyder Geschlechter gegen einander nicht höher treiben, als es hier geschehen ist. Es ist nicht zu läugnen, daß herrliche Situationen in den Werken dieser Dame vorkommen, und daß überall die Gesinnungen der handelnden Personen durch Feinheit der Empfindungen und Seelenadel ausgezeichnet werden.

Aber alles dieß ist mehr von dem Witze ausgedacht, als von dem Herzen eingegeben. Den Charakteren der Helden fehlt es an individueller Wahrheit. Es sind Menschen, die nach den Grundsätzen der Moral erschaffen sind, keine Fehler und lauter Tugenden besitzen. Die Verfasserin legt ihnen einen Edelmuth bey, dem oft der Vorwurf des Uebertriebenen und Abentheuerlichen gemacht werden kann, und der Ausdruck ist nüchtern, schwülstig oder matt. Kurz! das höchste Lob, das man ihren Darstellungen beylegen kann, ist dieß, daß sie sehr ingeniös erfunden sind, und manche feine Bemerkung über die Verhältnisse des geselligen Umgangs enthalten.

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[199/0199] mit den früheren Romanen bereits zu einer hohen Stufe der Kultur gediehen. Obgleich die Sittlichkeit in diesem Romane auf keine grobe Weise beleidigt wird, und die Hauptpersonen vor der Ehe nicht vereinigt werden; so weht doch über das Ganze ein feiner Geist von Lüsternheit, der sich mit den Gesetzen der Moral und selbst des Anstandes nicht ganz vereinigen läßt. Die Romane der Scudery stellen die Liebe als das ernsthafteste Geschäft des Lebens dar, und suchen in ihr den stärksten Antrieb zu heroischen Thaten, so wie das schönste Mittel zur geselligen Unterhaltung. Man kann die Begriffe von Pflicht und Anstand in den Verhältnissen beyder Geschlechter gegen einander nicht höher treiben, als es hier geschehen ist. Es ist nicht zu läugnen, daß herrliche Situationen in den Werken dieser Dame vorkommen, und daß überall die Gesinnungen der handelnden Personen durch Feinheit der Empfindungen und Seelenadel ausgezeichnet werden. Aber alles dieß ist mehr von dem Witze ausgedacht, als von dem Herzen eingegeben. Den Charakteren der Helden fehlt es an individueller Wahrheit. Es sind Menschen, die nach den Grundsätzen der Moral erschaffen sind, keine Fehler und lauter Tugenden besitzen. Die Verfasserin legt ihnen einen Edelmuth bey, dem oft der Vorwurf des Uebertriebenen und Abentheuerlichen gemacht werden kann, und der Ausdruck ist nüchtern, schwülstig oder matt. Kurz! das höchste Lob, das man ihren Darstellungen beylegen kann, ist dieß, daß sie sehr ingeniös erfunden sind, und manche feine Bemerkung über die Verhältnisse des geselligen Umgangs enthalten.

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Zitationshilfe: Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Dritten Theils zweyte Abtheilung: Neuere Geschichte der Geschlechtsverbindung und Liebe. Leipzig, 1798, S. 199. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus0302_1798/199>, abgerufen am 28.04.2024.