Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Dritten Theils zweyte Abtheilung: Neuere Geschichte der Geschlechtsverbindung und Liebe. Leipzig, 1798.

Bild:
<< vorherige Seite

aufrecht zu erhalten, und die Kirche, Armen, Witwen und Waisen zu vertheidigen.

Die Weiber erscheinen als geschonte, aber untergeordnete Geschöpfe, über die der Tapfere nach Willkühr disponiert. Dieser findet Muth im Anblick seiner Schönen, und setzt Werth auf ihren Beyfall und ihre Bewunderung; aber er hat keinen andern Zweck bey seiner Liebe als Sinnlichkeit, und die Grundsätze seiner Treue sind nichts weniger als streng. Die Heiligkeit der Ehe wird eben so wenig als die Unschuld des Mädchens geachtet. Dieses fällt, ohne die Niederlage durch innern Kampf, oder durch längeres Zögern mit Anstand und Sittlichkeit zu versöhnen. Die Tugenden der edleren Weiber sind Duldung und Treue: die Ausschweifungen der übrigen, selbst ihre Laster, werden mit einer Art von billigender Schonung erzählt. Ueberhaupt aber sind die Sitten roh, die Leidenschaften ungebändigt, und die Ritter zeigen nur diejenigen Tugenden, welche auch den wildesten Völkern, ja! verbrüderten Spitzbuben eigen zu seyn pflegen.

Der Einfluß orientalischer Ideen auf diesen Roman ist so auffallend, daß ich sagen möchte: es herrschte ein morgenländischer Geist darin. 69) Allein die Bekanntschaft mit der alten Geschichte und Fabel der Griechen und Römer ist gleichfalls darin unver-

69) Dahin gehört vorzüglich: die Fee Morgue, das irdische Paradies, die Wundergeschichten in dem Gefängnisse des Königs Artur, der Brunnen der Jugend, und mehr als Alles das, das ganze Benehmen der Helden gegen ihre Freunde und Feinde, die Anhänglichkeit Caraheus an seinem Glauben u. s. w.

aufrecht zu erhalten, und die Kirche, Armen, Witwen und Waisen zu vertheidigen.

Die Weiber erscheinen als geschonte, aber untergeordnete Geschöpfe, über die der Tapfere nach Willkühr disponiert. Dieser findet Muth im Anblick seiner Schönen, und setzt Werth auf ihren Beyfall und ihre Bewunderung; aber er hat keinen andern Zweck bey seiner Liebe als Sinnlichkeit, und die Grundsätze seiner Treue sind nichts weniger als streng. Die Heiligkeit der Ehe wird eben so wenig als die Unschuld des Mädchens geachtet. Dieses fällt, ohne die Niederlage durch innern Kampf, oder durch längeres Zögern mit Anstand und Sittlichkeit zu versöhnen. Die Tugenden der edleren Weiber sind Duldung und Treue: die Ausschweifungen der übrigen, selbst ihre Laster, werden mit einer Art von billigender Schonung erzählt. Ueberhaupt aber sind die Sitten roh, die Leidenschaften ungebändigt, und die Ritter zeigen nur diejenigen Tugenden, welche auch den wildesten Völkern, ja! verbrüderten Spitzbuben eigen zu seyn pflegen.

Der Einfluß orientalischer Ideen auf diesen Roman ist so auffallend, daß ich sagen möchte: es herrschte ein morgenländischer Geist darin. 69) Allein die Bekanntschaft mit der alten Geschichte und Fabel der Griechen und Römer ist gleichfalls darin unver-

69) Dahin gehört vorzüglich: die Fee Morgue, das irdische Paradies, die Wundergeschichten in dem Gefängnisse des Königs Artur, der Brunnen der Jugend, und mehr als Alles das, das ganze Benehmen der Helden gegen ihre Freunde und Feinde, die Anhänglichkeit Caraheus an seinem Glauben u. s. w.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0125" n="125"/>
aufrecht zu erhalten, und die Kirche, Armen, Witwen und Waisen zu vertheidigen.</p>
          <p>Die Weiber erscheinen als geschonte, aber untergeordnete Geschöpfe, über die der Tapfere nach Willkühr disponiert. Dieser findet Muth im Anblick seiner Schönen, und setzt Werth auf ihren Beyfall und ihre Bewunderung; aber er hat keinen andern Zweck bey seiner Liebe als Sinnlichkeit, und die Grundsätze seiner Treue sind nichts weniger als streng. Die Heiligkeit der Ehe wird eben so wenig als die Unschuld des Mädchens geachtet. Dieses fällt, ohne die Niederlage durch innern Kampf, oder durch längeres Zögern mit Anstand und Sittlichkeit zu versöhnen. Die Tugenden der edleren Weiber sind Duldung und Treue: die Ausschweifungen der übrigen, selbst ihre Laster, werden mit einer Art von billigender Schonung erzählt. Ueberhaupt aber sind die Sitten roh, die Leidenschaften ungebändigt, und die Ritter zeigen nur diejenigen Tugenden, welche auch den wildesten Völkern, ja! verbrüderten Spitzbuben eigen zu seyn pflegen.</p>
          <p>Der Einfluß orientalischer Ideen auf diesen Roman ist so auffallend, daß ich sagen möchte: es herrschte ein morgenländischer Geist darin. <note place="foot" n="69)">Dahin gehört vorzüglich: die Fee <hi rendition="#aq">Morgue,</hi> das irdische Paradies, die Wundergeschichten in dem Gefängnisse des Königs <hi rendition="#aq">Artur,</hi> der Brunnen der Jugend, und mehr als Alles das, das ganze Benehmen der Helden gegen ihre Freunde und Feinde, die Anhänglichkeit <hi rendition="#aq">Caraheus</hi> an seinem Glauben u. s. w.</note> Allein die Bekanntschaft mit der alten Geschichte und Fabel der Griechen und Römer ist gleichfalls darin unver-
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[125/0125] aufrecht zu erhalten, und die Kirche, Armen, Witwen und Waisen zu vertheidigen. Die Weiber erscheinen als geschonte, aber untergeordnete Geschöpfe, über die der Tapfere nach Willkühr disponiert. Dieser findet Muth im Anblick seiner Schönen, und setzt Werth auf ihren Beyfall und ihre Bewunderung; aber er hat keinen andern Zweck bey seiner Liebe als Sinnlichkeit, und die Grundsätze seiner Treue sind nichts weniger als streng. Die Heiligkeit der Ehe wird eben so wenig als die Unschuld des Mädchens geachtet. Dieses fällt, ohne die Niederlage durch innern Kampf, oder durch längeres Zögern mit Anstand und Sittlichkeit zu versöhnen. Die Tugenden der edleren Weiber sind Duldung und Treue: die Ausschweifungen der übrigen, selbst ihre Laster, werden mit einer Art von billigender Schonung erzählt. Ueberhaupt aber sind die Sitten roh, die Leidenschaften ungebändigt, und die Ritter zeigen nur diejenigen Tugenden, welche auch den wildesten Völkern, ja! verbrüderten Spitzbuben eigen zu seyn pflegen. Der Einfluß orientalischer Ideen auf diesen Roman ist so auffallend, daß ich sagen möchte: es herrschte ein morgenländischer Geist darin. 69) Allein die Bekanntschaft mit der alten Geschichte und Fabel der Griechen und Römer ist gleichfalls darin unver- 69) Dahin gehört vorzüglich: die Fee Morgue, das irdische Paradies, die Wundergeschichten in dem Gefängnisse des Königs Artur, der Brunnen der Jugend, und mehr als Alles das, das ganze Benehmen der Helden gegen ihre Freunde und Feinde, die Anhänglichkeit Caraheus an seinem Glauben u. s. w.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-11-20T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-11-20T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-11-20T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Wikisource:Editionsrichtlinien.
  • Der Seitenwechsel erfolgt bei Worttrennung nach dem gesamten Wort.
  • Geviertstriche (—) wurden durch Halbgeviertstriche ersetzt (–).
  • Übergeschriebenes „e“ über „a“, „o“ und „u“ wird als moderner Umlaut (ä, ö, ü) transkribiert.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus0302_1798
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus0302_1798/125
Zitationshilfe: Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Dritten Theils zweyte Abtheilung: Neuere Geschichte der Geschlechtsverbindung und Liebe. Leipzig, 1798, S. 125. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus0302_1798/125>, abgerufen am 22.11.2024.