Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Dritten Theils zweyte Abtheilung: Neuere Geschichte der Geschlechtsverbindung und Liebe. Leipzig, 1798.

Bild:
<< vorherige Seite

Frankreich führen, Euch taufen lassen und heirathen! Ogier hatte Glorianden vorher noch nie gesehen. Ich glaube nicht, daß Ajax sich hätte ungalanter ausdrücken können!

Gloriande erscheint in demjenigen schönen Lichte der Beständigkeit, Treue und Hingebung für ihren Caraheu, das auch eine Briseis bey den Griechen auszeichnet. Sie hat nichts von dem Stolze und der Hoheit an sich, die wir gemeiniglich den Damen des Mittelalters beylegen. Ogier hatte den Caraheu besiegt: war aber von den Saracenen aus einem Hinterhalte überfallen, gefangen fortgeführt, und der schönen Gloriande zur Bewahrung anvertrauet. Caraheu, ohne auf das Interesse der Liebe Rücksicht zu nehmen, hört nur den Ruf der Ehre, und stellt sich im Lager der Christen als Geißel. Darüber wird Gloriandens Vater so aufgebracht, daß er seiner Tochter verbietet, weiter an ihn zu denken. Diese ist äußerst betrübt darüber. "Ist es nicht schön von Caraheu, sagt sie zu Ogier, daß er aus Liebe zu euch sich aufopfert! Ach! wo sind sie hin, die süßen Küsse, und die Umarmungen, die wir so oft genossen! die lieblichen süßen Blicke, die wir oft mit einander wechselten! Ach! lieber Freund Caraheu, Mahommed nehme dich in seinen Schutz!"

Ihr Vater befiehlt ihr, einem andern Fürsten ihre Hand zu geben. Aber sie versichert, daß so lange er leben wird, sie lieber sterben, als das ihm gegebene Versprechen brechen will. Der Vater wirft ihr sein Trinkgefäß an den Kopf. Der Nebenbuhler des Caraheu will ihr Gewalt anthun, und als sie ihm widersteht, klagt er sie eines verrätherischen Einverständnisses

Frankreich führen, Euch taufen lassen und heirathen! Ogier hatte Glorianden vorher noch nie gesehen. Ich glaube nicht, daß Ajax sich hätte ungalanter ausdrücken können!

Gloriande erscheint in demjenigen schönen Lichte der Beständigkeit, Treue und Hingebung für ihren Caraheu, das auch eine Briseis bey den Griechen auszeichnet. Sie hat nichts von dem Stolze und der Hoheit an sich, die wir gemeiniglich den Damen des Mittelalters beylegen. Ogier hatte den Caraheu besiegt: war aber von den Saracenen aus einem Hinterhalte überfallen, gefangen fortgeführt, und der schönen Gloriande zur Bewahrung anvertrauet. Caraheu, ohne auf das Interesse der Liebe Rücksicht zu nehmen, hört nur den Ruf der Ehre, und stellt sich im Lager der Christen als Geißel. Darüber wird Gloriandens Vater so aufgebracht, daß er seiner Tochter verbietet, weiter an ihn zu denken. Diese ist äußerst betrübt darüber. „Ist es nicht schön von Caraheu, sagt sie zu Ogier, daß er aus Liebe zu euch sich aufopfert! Ach! wo sind sie hin, die süßen Küsse, und die Umarmungen, die wir so oft genossen! die lieblichen süßen Blicke, die wir oft mit einander wechselten! Ach! lieber Freund Caraheu, Mahommed nehme dich in seinen Schutz!“

Ihr Vater befiehlt ihr, einem andern Fürsten ihre Hand zu geben. Aber sie versichert, daß so lange er leben wird, sie lieber sterben, als das ihm gegebene Versprechen brechen will. Der Vater wirft ihr sein Trinkgefäß an den Kopf. Der Nebenbuhler des Caraheu will ihr Gewalt anthun, und als sie ihm widersteht, klagt er sie eines verrätherischen Einverständnisses

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0120" n="120"/>
Frankreich führen, Euch taufen lassen und heirathen! <hi rendition="#aq">Ogier</hi> hatte Glorianden vorher noch nie gesehen. Ich glaube nicht, daß <hi rendition="#aq">Ajax</hi> sich hätte ungalanter ausdrücken können!</p>
          <p>Gloriande erscheint in demjenigen schönen Lichte der Beständigkeit, Treue und Hingebung für ihren <hi rendition="#aq">Caraheu,</hi> das auch eine <hi rendition="#aq">Briseis</hi> bey den Griechen auszeichnet. Sie hat nichts von dem Stolze und der Hoheit an sich, die wir gemeiniglich den Damen des Mittelalters beylegen. <hi rendition="#aq">Ogier</hi> hatte den <hi rendition="#aq">Caraheu</hi> besiegt: war aber von den Saracenen aus einem Hinterhalte überfallen, gefangen fortgeführt, und der schönen Gloriande zur Bewahrung anvertrauet. <hi rendition="#aq">Caraheu,</hi> ohne auf das Interesse der Liebe Rücksicht zu nehmen, hört nur den Ruf der Ehre, und stellt sich im Lager der Christen als Geißel. Darüber wird Gloriandens Vater so aufgebracht, daß er seiner Tochter verbietet, weiter an ihn zu denken. Diese ist äußerst betrübt darüber. &#x201E;Ist es nicht schön von <hi rendition="#aq">Caraheu,</hi> sagt sie zu <hi rendition="#aq">Ogier,</hi> daß er aus Liebe zu euch sich aufopfert! Ach! wo sind sie hin, die süßen Küsse, und die Umarmungen, die wir so oft genossen! die lieblichen süßen Blicke, die wir oft mit einander wechselten! Ach! lieber Freund <hi rendition="#aq">Caraheu,</hi> Mahommed nehme dich in seinen Schutz!&#x201C;</p>
          <p>Ihr Vater befiehlt ihr, einem andern Fürsten ihre Hand zu geben. Aber sie versichert, daß so lange er leben wird, sie lieber sterben, als das ihm gegebene Versprechen brechen will. Der Vater wirft ihr sein Trinkgefäß an den Kopf. Der Nebenbuhler des <hi rendition="#aq">Caraheu</hi> will ihr Gewalt anthun, und als sie ihm widersteht, klagt er sie eines verrätherischen Einverständnisses
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[120/0120] Frankreich führen, Euch taufen lassen und heirathen! Ogier hatte Glorianden vorher noch nie gesehen. Ich glaube nicht, daß Ajax sich hätte ungalanter ausdrücken können! Gloriande erscheint in demjenigen schönen Lichte der Beständigkeit, Treue und Hingebung für ihren Caraheu, das auch eine Briseis bey den Griechen auszeichnet. Sie hat nichts von dem Stolze und der Hoheit an sich, die wir gemeiniglich den Damen des Mittelalters beylegen. Ogier hatte den Caraheu besiegt: war aber von den Saracenen aus einem Hinterhalte überfallen, gefangen fortgeführt, und der schönen Gloriande zur Bewahrung anvertrauet. Caraheu, ohne auf das Interesse der Liebe Rücksicht zu nehmen, hört nur den Ruf der Ehre, und stellt sich im Lager der Christen als Geißel. Darüber wird Gloriandens Vater so aufgebracht, daß er seiner Tochter verbietet, weiter an ihn zu denken. Diese ist äußerst betrübt darüber. „Ist es nicht schön von Caraheu, sagt sie zu Ogier, daß er aus Liebe zu euch sich aufopfert! Ach! wo sind sie hin, die süßen Küsse, und die Umarmungen, die wir so oft genossen! die lieblichen süßen Blicke, die wir oft mit einander wechselten! Ach! lieber Freund Caraheu, Mahommed nehme dich in seinen Schutz!“ Ihr Vater befiehlt ihr, einem andern Fürsten ihre Hand zu geben. Aber sie versichert, daß so lange er leben wird, sie lieber sterben, als das ihm gegebene Versprechen brechen will. Der Vater wirft ihr sein Trinkgefäß an den Kopf. Der Nebenbuhler des Caraheu will ihr Gewalt anthun, und als sie ihm widersteht, klagt er sie eines verrätherischen Einverständnisses

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-11-20T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-11-20T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-11-20T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Wikisource:Editionsrichtlinien.
  • Der Seitenwechsel erfolgt bei Worttrennung nach dem gesamten Wort.
  • Geviertstriche (—) wurden durch Halbgeviertstriche ersetzt (–).
  • Übergeschriebenes „e“ über „a“, „o“ und „u“ wird als moderner Umlaut (ä, ö, ü) transkribiert.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus0302_1798
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus0302_1798/120
Zitationshilfe: Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Dritten Theils zweyte Abtheilung: Neuere Geschichte der Geschlechtsverbindung und Liebe. Leipzig, 1798, S. 120. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus0302_1798/120>, abgerufen am 02.05.2024.