Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Dritten Theils erste Abtheilung: Aeltere Geschichte der Geschlechtsverbindung und Liebe. Leipzig, 1798.Verhältnissen zwischen solchen Personen, die den äußern Kennzeichen nach Mann und Weib waren der Regel nach nicht anerkannt worden: Es ist keine herrschende Idee bey ihnen gewesen, daß der Mann mit Zärtlichkeit, (d. h. mit Freundschaft,) an der Gattin hängen könnte. Sie kannten allerdings Geschlechtszärtlichkeit, aber zwischen Männern: zwischen solchen Personen, die ihrem innern Charakter nach allerdings zu verschiedenen Geschlechtern gehörten, aber nicht für Gatte und Gattin nach äußern Kennzeichen gelten konnten. Hierüber in der Folge mehr. Was der Mann für das Weib empfand, war eigennütziges, augenblickliches Verlangen, oder vorübergehende Aufwallung der Liebe, oder persönliche Ergebenheit, Genossenschaft, die, je nachdem sich mehr oder weniger liebende Affekte einmischten, mehr oder weniger liebend war. Aber jenes Streben des Mannes, seiner Geliebten die freyeste Wirksamkeit der ihr eigenthümlichen Kräfte, die vollständigste Befriedigung der ihr eigenthümlichen Neigungen zu sichern, und nur in einem Genusse des Lebens mit ihr zusammen zu treffen, sie zu sich und zu seinen Verhältnissen heraufzuheben, oder, wo dieß ihre Natur nicht zuläßt, sich zu ihr und ihren Verhältnissen hinabzustellen; - dieß lag nicht in der Denkungsart der Griechen. Der Mann blieb, wenn er auch noch so liebend, und die Verbindung mit der Gattin noch so eng war, immer der gunstgeflissene Patron, sie die treue, zugeeignete Klientin. Wir finden in der alten Fabel und Geschichte viele Beyspiele der Aufopferung, sowohl von Seiten des Mannes als des Weibes, die auf Leidenschaft schließen Verhältnissen zwischen solchen Personen, die den äußern Kennzeichen nach Mann und Weib waren der Regel nach nicht anerkannt worden: Es ist keine herrschende Idee bey ihnen gewesen, daß der Mann mit Zärtlichkeit, (d. h. mit Freundschaft,) an der Gattin hängen könnte. Sie kannten allerdings Geschlechtszärtlichkeit, aber zwischen Männern: zwischen solchen Personen, die ihrem innern Charakter nach allerdings zu verschiedenen Geschlechtern gehörten, aber nicht für Gatte und Gattin nach äußern Kennzeichen gelten konnten. Hierüber in der Folge mehr. Was der Mann für das Weib empfand, war eigennütziges, augenblickliches Verlangen, oder vorübergehende Aufwallung der Liebe, oder persönliche Ergebenheit, Genossenschaft, die, je nachdem sich mehr oder weniger liebende Affekte einmischten, mehr oder weniger liebend war. Aber jenes Streben des Mannes, seiner Geliebten die freyeste Wirksamkeit der ihr eigenthümlichen Kräfte, die vollständigste Befriedigung der ihr eigenthümlichen Neigungen zu sichern, und nur in einem Genusse des Lebens mit ihr zusammen zu treffen, sie zu sich und zu seinen Verhältnissen heraufzuheben, oder, wo dieß ihre Natur nicht zuläßt, sich zu ihr und ihren Verhältnissen hinabzustellen; – dieß lag nicht in der Denkungsart der Griechen. Der Mann blieb, wenn er auch noch so liebend, und die Verbindung mit der Gattin noch so eng war, immer der gunstgeflissene Patron, sie die treue, zugeeignete Klientin. Wir finden in der alten Fabel und Geschichte viele Beyspiele der Aufopferung, sowohl von Seiten des Mannes als des Weibes, die auf Leidenschaft schließen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0045" n="45"/> Verhältnissen zwischen solchen Personen, die den äußern Kennzeichen nach Mann und Weib waren der Regel nach nicht anerkannt worden: Es ist keine herrschende Idee bey ihnen gewesen, daß der Mann mit Zärtlichkeit, (d. h. mit Freundschaft,) an der Gattin hängen könnte.</p> <p>Sie kannten allerdings Geschlechtszärtlichkeit, aber zwischen Männern: zwischen solchen Personen, die ihrem innern Charakter nach allerdings zu verschiedenen Geschlechtern gehörten, aber nicht für Gatte und Gattin nach äußern Kennzeichen gelten konnten. 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Verhältnissen zwischen solchen Personen, die den äußern Kennzeichen nach Mann und Weib waren der Regel nach nicht anerkannt worden: Es ist keine herrschende Idee bey ihnen gewesen, daß der Mann mit Zärtlichkeit, (d. h. mit Freundschaft,) an der Gattin hängen könnte.
Sie kannten allerdings Geschlechtszärtlichkeit, aber zwischen Männern: zwischen solchen Personen, die ihrem innern Charakter nach allerdings zu verschiedenen Geschlechtern gehörten, aber nicht für Gatte und Gattin nach äußern Kennzeichen gelten konnten. Hierüber in der Folge mehr.
Was der Mann für das Weib empfand, war eigennütziges, augenblickliches Verlangen, oder vorübergehende Aufwallung der Liebe, oder persönliche Ergebenheit, Genossenschaft, die, je nachdem sich mehr oder weniger liebende Affekte einmischten, mehr oder weniger liebend war. Aber jenes Streben des Mannes, seiner Geliebten die freyeste Wirksamkeit der ihr eigenthümlichen Kräfte, die vollständigste Befriedigung der ihr eigenthümlichen Neigungen zu sichern, und nur in einem Genusse des Lebens mit ihr zusammen zu treffen, sie zu sich und zu seinen Verhältnissen heraufzuheben, oder, wo dieß ihre Natur nicht zuläßt, sich zu ihr und ihren Verhältnissen hinabzustellen; – dieß lag nicht in der Denkungsart der Griechen. Der Mann blieb, wenn er auch noch so liebend, und die Verbindung mit der Gattin noch so eng war, immer der gunstgeflissene Patron, sie die treue, zugeeignete Klientin. Wir finden in der alten Fabel und Geschichte viele Beyspiele der Aufopferung, sowohl von Seiten des Mannes als des Weibes, die auf Leidenschaft schließen
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