Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Dritten Theils erste Abtheilung: Aeltere Geschichte der Geschlechtsverbindung und Liebe. Leipzig, 1798.

Bild:
<< vorherige Seite

Freystaaten Griechenlands charakterisiert hatte, trat eine leidende, hinschmelzende, üppige Empfindsamkeit für Weiber und Weichlinge.

Diesen Gründen ist es zuzuschreiben, daß die späteren Platoniker die Lehren ihres Vorgängers bald mißverstanden, und der thätigen mit republikanischer Tugend in genauer Verbindung stehenden Leidenschaft für das Schöne, einen unthätig beschauenden Vereinigungstrieb mit Gott untergeschoben haben. Der Mensch der sich von dem allgemeinen Wohl und von dem Aeußeren immer mehr zu seinem Innern, und zu demjenigen was ihm zunächst liegt, wendet, versteht unter Liebe kaum etwas anders als verschleyerten Egoismus. Derjenige Egoismus der bey dem Stoiker in näherer Verbindung mit dem geistigen Stolze stand, lehrte nicht den Freund, die Person, sondern die Freundschaft, das Verhältniß, als etwas Schönes in sich, und als einen Theil der Weisheit zu lieben; während daß bey dem Epikureer, derjenige Egoismus, der mit der Sinnlichkeit in näherem Verhältnisse steht, den Freund als ein Mittel betrachtete, sympathetische Wonne herbey zu führen. Aristoteles erkannte jedoch das wahre Wesen der Liebe, und ließ wirklich liebende Anhänglichkeit in der ehlichen Verbindung zu. Plutarch brachte sogar platonische Leidenschaft in die Liebe zu den Weibern, ohne diese mit der Befriedigung körperlicher Triebe unvereinbar zu halten.

Unter den komischen Dichtern dieser Zeit sind sowohl Terenz als Plautus zu den Darstellern griechischer Sitten zu zählen. Bey ihnen erscheint die Hetäre in keinem günstigen Lichte: die Matrone steht dagegen in Achtung. Beyde Schriftsteller fühlen sehr gut das Wesen der

Freystaaten Griechenlands charakterisiert hatte, trat eine leidende, hinschmelzende, üppige Empfindsamkeit für Weiber und Weichlinge.

Diesen Gründen ist es zuzuschreiben, daß die späteren Platoniker die Lehren ihres Vorgängers bald mißverstanden, und der thätigen mit republikanischer Tugend in genauer Verbindung stehenden Leidenschaft für das Schöne, einen unthätig beschauenden Vereinigungstrieb mit Gott untergeschoben haben. Der Mensch der sich von dem allgemeinen Wohl und von dem Aeußeren immer mehr zu seinem Innern, und zu demjenigen was ihm zunächst liegt, wendet, versteht unter Liebe kaum etwas anders als verschleyerten Egoismus. Derjenige Egoismus der bey dem Stoiker in näherer Verbindung mit dem geistigen Stolze stand, lehrte nicht den Freund, die Person, sondern die Freundschaft, das Verhältniß, als etwas Schönes in sich, und als einen Theil der Weisheit zu lieben; während daß bey dem Epikureer, derjenige Egoismus, der mit der Sinnlichkeit in näherem Verhältnisse steht, den Freund als ein Mittel betrachtete, sympathetische Wonne herbey zu führen. Aristoteles erkannte jedoch das wahre Wesen der Liebe, und ließ wirklich liebende Anhänglichkeit in der ehlichen Verbindung zu. Plutarch brachte sogar platonische Leidenschaft in die Liebe zu den Weibern, ohne diese mit der Befriedigung körperlicher Triebe unvereinbar zu halten.

Unter den komischen Dichtern dieser Zeit sind sowohl Terenz als Plautus zu den Darstellern griechischer Sitten zu zählen. Bey ihnen erscheint die Hetäre in keinem günstigen Lichte: die Matrone steht dagegen in Achtung. Beyde Schriftsteller fühlen sehr gut das Wesen der

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0432" n="432"/>
Freystaaten Griechenlands charakterisiert hatte, <hi rendition="#g">trat eine leidende, hinschmelzende, üppige Empfindsamkeit für Weiber und Weichlinge.</hi></p>
          <p>Diesen Gründen ist es zuzuschreiben, daß die <hi rendition="#g">späteren Platoniker</hi> die Lehren ihres Vorgängers bald <hi rendition="#g">mißverstanden,</hi> und der thätigen mit republikanischer Tugend in genauer Verbindung stehenden Leidenschaft für das Schöne, <hi rendition="#g">einen unthätig beschauenden Vereinigungstrieb mit Gott untergeschoben</hi> haben. Der Mensch der sich von dem allgemeinen Wohl und von dem Aeußeren immer mehr zu seinem Innern, und zu demjenigen was ihm zunächst liegt, wendet, versteht unter Liebe kaum etwas anders als <hi rendition="#g">verschleyerten Egoismus.</hi> Derjenige Egoismus der bey dem <hi rendition="#g">Stoiker</hi> in <choice><sic>näher</sic><corr>näherer</corr></choice> Verbindung <hi rendition="#g">mit dem geistigen <choice><sic>Solze</sic><corr>Stolze</corr></choice></hi> stand, lehrte <hi rendition="#g">nicht den Freund,</hi> die Person, <hi rendition="#g">sondern die Freundschaft,</hi> das Verhältniß, als etwas Schönes in sich, und als einen Theil der Weisheit zu lieben; während daß bey dem <hi rendition="#g">Epikureer,</hi> derjenige Egoismus, der mit der <hi rendition="#g">Sinnlichkeit</hi> in näherem Verhältnisse steht, den Freund als ein Mittel betrachtete, sympathetische Wonne herbey zu führen. <hi rendition="#g">Aristoteles erkannte</hi> jedoch <hi rendition="#g">das wahre Wesen der Liebe,</hi> und ließ wirklich liebende Anhänglichkeit <hi rendition="#g">in der ehlichen Verbindung</hi> zu. <hi rendition="#g">Plutarch brachte</hi> sogar <hi rendition="#g">platonische Leidenschaft in die Liebe zu den Weibern, ohne diese mit der Befriedigung körperlicher Triebe unvereinbar zu halten.</hi></p>
          <p>Unter den komischen Dichtern dieser Zeit sind sowohl <hi rendition="#g">Terenz</hi> als <hi rendition="#g">Plautus</hi> zu den Darstellern griechischer Sitten zu zählen. Bey ihnen erscheint die Hetäre in keinem günstigen Lichte: die Matrone steht dagegen in Achtung. <hi rendition="#g">Beyde Schriftsteller fühlen sehr gut das Wesen der
</hi></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[432/0432] Freystaaten Griechenlands charakterisiert hatte, trat eine leidende, hinschmelzende, üppige Empfindsamkeit für Weiber und Weichlinge. Diesen Gründen ist es zuzuschreiben, daß die späteren Platoniker die Lehren ihres Vorgängers bald mißverstanden, und der thätigen mit republikanischer Tugend in genauer Verbindung stehenden Leidenschaft für das Schöne, einen unthätig beschauenden Vereinigungstrieb mit Gott untergeschoben haben. Der Mensch der sich von dem allgemeinen Wohl und von dem Aeußeren immer mehr zu seinem Innern, und zu demjenigen was ihm zunächst liegt, wendet, versteht unter Liebe kaum etwas anders als verschleyerten Egoismus. Derjenige Egoismus der bey dem Stoiker in näherer Verbindung mit dem geistigen Stolze stand, lehrte nicht den Freund, die Person, sondern die Freundschaft, das Verhältniß, als etwas Schönes in sich, und als einen Theil der Weisheit zu lieben; während daß bey dem Epikureer, derjenige Egoismus, der mit der Sinnlichkeit in näherem Verhältnisse steht, den Freund als ein Mittel betrachtete, sympathetische Wonne herbey zu führen. Aristoteles erkannte jedoch das wahre Wesen der Liebe, und ließ wirklich liebende Anhänglichkeit in der ehlichen Verbindung zu. Plutarch brachte sogar platonische Leidenschaft in die Liebe zu den Weibern, ohne diese mit der Befriedigung körperlicher Triebe unvereinbar zu halten. Unter den komischen Dichtern dieser Zeit sind sowohl Terenz als Plautus zu den Darstellern griechischer Sitten zu zählen. Bey ihnen erscheint die Hetäre in keinem günstigen Lichte: die Matrone steht dagegen in Achtung. Beyde Schriftsteller fühlen sehr gut das Wesen der

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-11-20T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-11-20T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-11-20T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Wikisource:Editionsrichtlinien.
  • Der Seitenwechsel erfolgt bei Worttrennung nach dem gesamten Wort.
  • Geviertstriche (—) wurden durch Halbgeviertstriche ersetzt (–).
  • Übergeschriebenes „e“ über „a“, „o“ und „u“ wird als moderner Umlaut (ä, ö, ü) transkribiert.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus0301_1798
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus0301_1798/432
Zitationshilfe: Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Dritten Theils erste Abtheilung: Aeltere Geschichte der Geschlechtsverbindung und Liebe. Leipzig, 1798, S. 432. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus0301_1798/432>, abgerufen am 05.05.2024.