Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Dritten Theils erste Abtheilung: Aeltere Geschichte der Geschlechtsverbindung und Liebe. Leipzig, 1798.erwarben sich dadurch einen Werth, der uns noch heut zu Tage die Nahmen der Sappho, Corinna, und anderer interessant macht. Doch! wie gesagt! hier bleibt überall ein Feld zur weitern Nachlese und Bearbeitung übrig. Ich eile bloß darum darüber weg, weil es zu meinem Zwecke nur unwichtige Früchte eintragen kann. Der interessanteste Gegenstand einer künftigen Untersuchung würde unstreitig der Zustand der spartanischen Weiber seyn. Mich dünkt, die Nachrichten, die uns darüber aufbewahret sind, bedürfen einer nähern Kritik. Sie scheinen sich zu widersprechen, wenn man gleich die Verschiedenheit der Zeiten mit in Anschlag bringt. Vor allen Dingen würde aber wohl die Behauptung näher zu prüfen seyn: daß die Spartanerinnen einer besondern Achtung und Freiheit genossen hätten. Mir scheint gerade das Gegentheil an. Die jungen Spartanerinnen wurden ganz so erzogen, als ob man sie zu Männern hätte umschaffen wollen. Sie wurden mit Knaben und Jünglingen zu Leibesübungen angeleitet, man suchte ihre Schamhaftigkeit zu unterdrücken, und ihnen dagegen einen prunkenden Trotz gegen die Pflichten des Anstandes, so wie gegen Leiden und Schmerzen einzuflößen. So lauten die Nachrichten, die ich einstweilen für richtig annehmen will. Aber welches war nun der Zweck dieser Erziehung, wodurch die Spartanerin ihr eigenes Geschlecht verließ, und ein anderes annahm? Vielleicht, um mit den Männern in den Krieg zu ziehen: oder daheim die Beschäftigungen des stärkern Geschlechts, den Ackerbau, u. s. w. zu besorgen? Nein! Von beyden erwarben sich dadurch einen Werth, der uns noch heut zu Tage die Nahmen der Sappho, Corinna, und anderer interessant macht. Doch! wie gesagt! hier bleibt überall ein Feld zur weitern Nachlese und Bearbeitung übrig. Ich eile bloß darum darüber weg, weil es zu meinem Zwecke nur unwichtige Früchte eintragen kann. Der interessanteste Gegenstand einer künftigen Untersuchung würde unstreitig der Zustand der spartanischen Weiber seyn. Mich dünkt, die Nachrichten, die uns darüber aufbewahret sind, bedürfen einer nähern Kritik. Sie scheinen sich zu widersprechen, wenn man gleich die Verschiedenheit der Zeiten mit in Anschlag bringt. Vor allen Dingen würde aber wohl die Behauptung näher zu prüfen seyn: daß die Spartanerinnen einer besondern Achtung und Freiheit genossen hätten. Mir scheint gerade das Gegentheil an. Die jungen Spartanerinnen wurden ganz so erzogen, als ob man sie zu Männern hätte umschaffen wollen. Sie wurden mit Knaben und Jünglingen zu Leibesübungen angeleitet, man suchte ihre Schamhaftigkeit zu unterdrücken, und ihnen dagegen einen prunkenden Trotz gegen die Pflichten des Anstandes, so wie gegen Leiden und Schmerzen einzuflößen. So lauten die Nachrichten, die ich einstweilen für richtig annehmen will. Aber welches war nun der Zweck dieser Erziehung, wodurch die Spartanerin ihr eigenes Geschlecht verließ, und ein anderes annahm? Vielleicht, um mit den Männern in den Krieg zu ziehen: oder daheim die Beschäftigungen des stärkern Geschlechts, den Ackerbau, u. s. w. zu besorgen? Nein! Von beyden <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0041" n="41"/> erwarben sich dadurch einen Werth, der uns noch heut zu Tage die Nahmen der Sappho, Corinna, und anderer interessant macht. Doch! wie gesagt! hier bleibt überall ein Feld zur weitern Nachlese und Bearbeitung übrig. Ich eile bloß darum darüber weg, weil es zu meinem Zwecke nur unwichtige Früchte eintragen kann.</p> <p>Der interessanteste Gegenstand einer künftigen Untersuchung würde unstreitig der Zustand der spartanischen Weiber seyn. Mich dünkt, die Nachrichten, die uns darüber aufbewahret sind, bedürfen einer nähern Kritik. Sie scheinen sich zu widersprechen, wenn man gleich die Verschiedenheit der Zeiten mit in Anschlag bringt. Vor allen Dingen würde aber wohl die Behauptung näher zu prüfen seyn: daß die Spartanerinnen einer besondern Achtung und Freiheit genossen hätten. Mir scheint gerade das Gegentheil an.</p> <p>Die jungen Spartanerinnen wurden ganz so erzogen, als ob man sie zu Männern hätte umschaffen wollen. Sie wurden mit Knaben und Jünglingen zu Leibesübungen angeleitet, man suchte ihre Schamhaftigkeit zu unterdrücken, und ihnen dagegen einen prunkenden Trotz gegen die Pflichten des Anstandes, so wie gegen Leiden und Schmerzen einzuflößen. So lauten die Nachrichten, die ich einstweilen für richtig annehmen will. Aber welches war nun der Zweck dieser Erziehung, wodurch die Spartanerin ihr eigenes Geschlecht verließ, und ein anderes annahm? Vielleicht, um mit den Männern in den Krieg zu ziehen: oder daheim die Beschäftigungen des stärkern Geschlechts, den Ackerbau, u. s. w. zu besorgen? Nein! Von beyden </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [41/0041]
erwarben sich dadurch einen Werth, der uns noch heut zu Tage die Nahmen der Sappho, Corinna, und anderer interessant macht. Doch! wie gesagt! hier bleibt überall ein Feld zur weitern Nachlese und Bearbeitung übrig. Ich eile bloß darum darüber weg, weil es zu meinem Zwecke nur unwichtige Früchte eintragen kann.
Der interessanteste Gegenstand einer künftigen Untersuchung würde unstreitig der Zustand der spartanischen Weiber seyn. Mich dünkt, die Nachrichten, die uns darüber aufbewahret sind, bedürfen einer nähern Kritik. Sie scheinen sich zu widersprechen, wenn man gleich die Verschiedenheit der Zeiten mit in Anschlag bringt. Vor allen Dingen würde aber wohl die Behauptung näher zu prüfen seyn: daß die Spartanerinnen einer besondern Achtung und Freiheit genossen hätten. Mir scheint gerade das Gegentheil an.
Die jungen Spartanerinnen wurden ganz so erzogen, als ob man sie zu Männern hätte umschaffen wollen. Sie wurden mit Knaben und Jünglingen zu Leibesübungen angeleitet, man suchte ihre Schamhaftigkeit zu unterdrücken, und ihnen dagegen einen prunkenden Trotz gegen die Pflichten des Anstandes, so wie gegen Leiden und Schmerzen einzuflößen. So lauten die Nachrichten, die ich einstweilen für richtig annehmen will. Aber welches war nun der Zweck dieser Erziehung, wodurch die Spartanerin ihr eigenes Geschlecht verließ, und ein anderes annahm? Vielleicht, um mit den Männern in den Krieg zu ziehen: oder daheim die Beschäftigungen des stärkern Geschlechts, den Ackerbau, u. s. w. zu besorgen? Nein! Von beyden
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax.
(2012-11-20T10:30:31Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2012-11-20T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat.
(2012-11-20T10:30:31Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |