Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Dritten Theils erste Abtheilung: Aeltere Geschichte der Geschlechtsverbindung und Liebe. Leipzig, 1798.vorgreife! Aber hat nicht deine Liebe dafür gesorgt, daß ich auch dieß beurtheilen kann! Du hast mich belehrt, daß ein Weib mit einigen Anlagen leicht von seinen Liebhabern lerne: daß Liebe uns leicht etwas beybringe, und daß nur die Unempfindlichen sich durch Ungelehrigkeit Eurer unwürdig machen. Ich bitte dich, lieber Menander, nimm auch diejenige Komödie mit, in der du mich aufgeführt hast, damit ich mit dir zum Ptolomäus reise, wenn du mich zurücklassen solltest. Er wird um so mehr fühlen, was er über dich vermag, wenn du nur das Bild deiner Geliebten mit dir nimmst, und das Original zurückläßt. Doch! wird auch dieß nicht zurückbleiben, verlaß dich darauf. Ich will lernen, dein Steuermann zu seyn, und dich selbst überführen u. s. w." Ein dritter Schriftsteller, der die Liebe zum Stoff seiner Redeübungen in der Briefform genommen hat, wird Aristänet genannt, so ungewiß es ist, ob die Sammlung die unter diesem Nahmen geht, ihm wirklich gehöre. Wer aber auch der Verfasser seyn mag; so ist es höchst wahrscheinlich, daß er nach dem Philostrat und Alciphron gelebt habe. Bey den vielen Unanständigkeiten, die in diesen Briefen vorkommen, fällt es doch auf, daß der Männerliebe keine Erwähnung darin geschieht. Ein Beweis, daß sie aus Zeiten herrühren, worin man das Schändliche dieser Ausgelassenheit immer mehr zu fühlen anfing. Auch zeigen sich hin und wieder Spuren der Verschämtheit bey den Weibern, die nicht zur Classe der Freudenmädchen gehören, welche früheren Zeiten nicht eigen sind. So wird von der Cydippe gesagt, sie habe die Liebeserklärung, die Acontius auf einen Apfel geschrieben hatte, nicht auslesen wollen: vorgreife! Aber hat nicht deine Liebe dafür gesorgt, daß ich auch dieß beurtheilen kann! Du hast mich belehrt, daß ein Weib mit einigen Anlagen leicht von seinen Liebhabern lerne: daß Liebe uns leicht etwas beybringe, und daß nur die Unempfindlichen sich durch Ungelehrigkeit Eurer unwürdig machen. Ich bitte dich, lieber Menander, nimm auch diejenige Komödie mit, in der du mich aufgeführt hast, damit ich mit dir zum Ptolomäus reise, wenn du mich zurücklassen solltest. Er wird um so mehr fühlen, was er über dich vermag, wenn du nur das Bild deiner Geliebten mit dir nimmst, und das Original zurückläßt. Doch! wird auch dieß nicht zurückbleiben, verlaß dich darauf. Ich will lernen, dein Steuermann zu seyn, und dich selbst überführen u. s. w.“ Ein dritter Schriftsteller, der die Liebe zum Stoff seiner Redeübungen in der Briefform genommen hat, wird Aristänet genannt, so ungewiß es ist, ob die Sammlung die unter diesem Nahmen geht, ihm wirklich gehöre. Wer aber auch der Verfasser seyn mag; so ist es höchst wahrscheinlich, daß er nach dem Philostrat und Alciphron gelebt habe. Bey den vielen Unanständigkeiten, die in diesen Briefen vorkommen, fällt es doch auf, daß der Männerliebe keine Erwähnung darin geschieht. Ein Beweis, daß sie aus Zeiten herrühren, worin man das Schändliche dieser Ausgelassenheit immer mehr zu fühlen anfing. Auch zeigen sich hin und wieder Spuren der Verschämtheit bey den Weibern, die nicht zur Classe der Freudenmädchen gehören, welche früheren Zeiten nicht eigen sind. So wird von der Cydippe gesagt, sie habe die Liebeserklärung, die Acontius auf einen Apfel geschrieben hatte, nicht auslesen wollen: <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0364" n="364"/> vorgreife! Aber hat nicht deine Liebe dafür gesorgt, daß ich auch dieß beurtheilen kann! Du hast mich belehrt, daß ein Weib mit einigen Anlagen leicht von seinen Liebhabern lerne: daß Liebe uns leicht etwas beybringe, und daß nur die Unempfindlichen sich durch Ungelehrigkeit Eurer unwürdig machen. Ich bitte dich, lieber Menander, nimm auch diejenige Komödie mit, in der du mich aufgeführt hast, damit ich mit dir zum Ptolomäus reise, wenn du mich zurücklassen solltest. Er wird um so mehr fühlen, was er über dich vermag, wenn du nur das Bild deiner Geliebten mit dir nimmst, und das Original zurückläßt. Doch! wird auch dieß nicht zurückbleiben, verlaß dich darauf. Ich will lernen, dein Steuermann zu seyn, und dich selbst überführen u. s. w.“</p> <p>Ein dritter Schriftsteller, der die Liebe zum Stoff seiner Redeübungen in der Briefform genommen hat, wird <hi rendition="#g">Aristänet</hi> genannt, so ungewiß es ist, ob die Sammlung die unter diesem Nahmen geht, ihm wirklich gehöre. Wer aber auch der Verfasser seyn mag; so ist es höchst wahrscheinlich, daß er nach dem Philostrat und Alciphron gelebt habe. Bey den vielen Unanständigkeiten, die in diesen Briefen vorkommen, fällt es doch auf, daß der Männerliebe keine Erwähnung darin geschieht. Ein Beweis, daß sie aus Zeiten herrühren, worin man das Schändliche dieser Ausgelassenheit immer mehr zu fühlen anfing. Auch zeigen sich hin und wieder Spuren der Verschämtheit bey den Weibern, die nicht zur Classe der Freudenmädchen gehören, welche früheren Zeiten nicht eigen sind. So wird von der Cydippe gesagt, sie habe die Liebeserklärung, die Acontius auf einen Apfel geschrieben hatte, nicht auslesen wollen:</p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [364/0364]
vorgreife! Aber hat nicht deine Liebe dafür gesorgt, daß ich auch dieß beurtheilen kann! Du hast mich belehrt, daß ein Weib mit einigen Anlagen leicht von seinen Liebhabern lerne: daß Liebe uns leicht etwas beybringe, und daß nur die Unempfindlichen sich durch Ungelehrigkeit Eurer unwürdig machen. Ich bitte dich, lieber Menander, nimm auch diejenige Komödie mit, in der du mich aufgeführt hast, damit ich mit dir zum Ptolomäus reise, wenn du mich zurücklassen solltest. Er wird um so mehr fühlen, was er über dich vermag, wenn du nur das Bild deiner Geliebten mit dir nimmst, und das Original zurückläßt. Doch! wird auch dieß nicht zurückbleiben, verlaß dich darauf. Ich will lernen, dein Steuermann zu seyn, und dich selbst überführen u. s. w.“
Ein dritter Schriftsteller, der die Liebe zum Stoff seiner Redeübungen in der Briefform genommen hat, wird Aristänet genannt, so ungewiß es ist, ob die Sammlung die unter diesem Nahmen geht, ihm wirklich gehöre. Wer aber auch der Verfasser seyn mag; so ist es höchst wahrscheinlich, daß er nach dem Philostrat und Alciphron gelebt habe. Bey den vielen Unanständigkeiten, die in diesen Briefen vorkommen, fällt es doch auf, daß der Männerliebe keine Erwähnung darin geschieht. Ein Beweis, daß sie aus Zeiten herrühren, worin man das Schändliche dieser Ausgelassenheit immer mehr zu fühlen anfing. Auch zeigen sich hin und wieder Spuren der Verschämtheit bey den Weibern, die nicht zur Classe der Freudenmädchen gehören, welche früheren Zeiten nicht eigen sind. So wird von der Cydippe gesagt, sie habe die Liebeserklärung, die Acontius auf einen Apfel geschrieben hatte, nicht auslesen wollen:
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