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Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Dritten Theils erste Abtheilung: Aeltere Geschichte der Geschlechtsverbindung und Liebe. Leipzig, 1798.

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und verräth nicht bloß den Beschützer, den Rathgeber, sondern den Oberherrn und Aufseher.

Nimmt man diese Bemerkungen zusammen, so bleibt das Weib nach der Homerischen Darstellung über der eingeschlossenen Morgenländerin stehen. Denn diese ist des Gebrauchs des schätzbarsten Guts des Menschen, seiner Selbstbestimmung zur Erfüllung eines gewissen Zwecks ganz beraubt. Sie muß dem Manne zum Werkzeuge der Befriedigung seiner Geschlechtssympathie dienen, weil er sie durch äußere Vorrichtungen dazu zwingt. Fühlt sie sich auch im Stande, diesen Zweck durch Widerspenstigkeit in dem engen Bezirke ihres Harems zu hindern; so kann ihr doch die Entäußerung dieser Gewalt, zu der sie von Jugend auf angezogen wird, und wozu sie durch die empfindlichsten Strafen angehalten werden kann, zu keinem Verdienste angerechnet werden. Die Morgenländerin ist daher nur in sehr eingeschränkter Maße ein gutes Mitglied der Familie aus eigener Wahl. Sie ist gar nicht Mitglied der örtlichen Gesellschaft, weil sie außer Hause keine Art der Wirksamkeit äußert, und die Gesetze und die öffentliche Meinung ihr bloß denjenigen Schutz angedeihen lassen, den sie jedem andern Stücke des Eigenthums eines Mannes gewähren. Auf örtliche Achtung hat sie also gar keinen Anspruch.

Die Griechin beym Homer genießt dagegen unstreitig einige Rechte eines vernünftigen Wesens und eines Mitgliedes der größern Gesellschaft. Sie bestimmt sich selbst unter Aufsicht des Mannes zur Erfüllung des Zwecks, ihrem Hauswesen vorzustehen. Sie hat mehr Gelegenheit, diesen Zweck zu hindern, und ihn in hervorstechender Maße zu erfüllen. Sie ist also eines

und verräth nicht bloß den Beschützer, den Rathgeber, sondern den Oberherrn und Aufseher.

Nimmt man diese Bemerkungen zusammen, so bleibt das Weib nach der Homerischen Darstellung über der eingeschlossenen Morgenländerin stehen. Denn diese ist des Gebrauchs des schätzbarsten Guts des Menschen, seiner Selbstbestimmung zur Erfüllung eines gewissen Zwecks ganz beraubt. Sie muß dem Manne zum Werkzeuge der Befriedigung seiner Geschlechtssympathie dienen, weil er sie durch äußere Vorrichtungen dazu zwingt. Fühlt sie sich auch im Stande, diesen Zweck durch Widerspenstigkeit in dem engen Bezirke ihres Harems zu hindern; so kann ihr doch die Entäußerung dieser Gewalt, zu der sie von Jugend auf angezogen wird, und wozu sie durch die empfindlichsten Strafen angehalten werden kann, zu keinem Verdienste angerechnet werden. Die Morgenländerin ist daher nur in sehr eingeschränkter Maße ein gutes Mitglied der Familie aus eigener Wahl. Sie ist gar nicht Mitglied der örtlichen Gesellschaft, weil sie außer Hause keine Art der Wirksamkeit äußert, und die Gesetze und die öffentliche Meinung ihr bloß denjenigen Schutz angedeihen lassen, den sie jedem andern Stücke des Eigenthums eines Mannes gewähren. Auf örtliche Achtung hat sie also gar keinen Anspruch.

Die Griechin beym Homer genießt dagegen unstreitig einige Rechte eines vernünftigen Wesens und eines Mitgliedes der größern Gesellschaft. Sie bestimmt sich selbst unter Aufsicht des Mannes zur Erfüllung des Zwecks, ihrem Hauswesen vorzustehen. Sie hat mehr Gelegenheit, diesen Zweck zu hindern, und ihn in hervorstechender Maße zu erfüllen. Sie ist also eines

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[36/0036] und verräth nicht bloß den Beschützer, den Rathgeber, sondern den Oberherrn und Aufseher. Nimmt man diese Bemerkungen zusammen, so bleibt das Weib nach der Homerischen Darstellung über der eingeschlossenen Morgenländerin stehen. Denn diese ist des Gebrauchs des schätzbarsten Guts des Menschen, seiner Selbstbestimmung zur Erfüllung eines gewissen Zwecks ganz beraubt. Sie muß dem Manne zum Werkzeuge der Befriedigung seiner Geschlechtssympathie dienen, weil er sie durch äußere Vorrichtungen dazu zwingt. Fühlt sie sich auch im Stande, diesen Zweck durch Widerspenstigkeit in dem engen Bezirke ihres Harems zu hindern; so kann ihr doch die Entäußerung dieser Gewalt, zu der sie von Jugend auf angezogen wird, und wozu sie durch die empfindlichsten Strafen angehalten werden kann, zu keinem Verdienste angerechnet werden. Die Morgenländerin ist daher nur in sehr eingeschränkter Maße ein gutes Mitglied der Familie aus eigener Wahl. Sie ist gar nicht Mitglied der örtlichen Gesellschaft, weil sie außer Hause keine Art der Wirksamkeit äußert, und die Gesetze und die öffentliche Meinung ihr bloß denjenigen Schutz angedeihen lassen, den sie jedem andern Stücke des Eigenthums eines Mannes gewähren. Auf örtliche Achtung hat sie also gar keinen Anspruch. Die Griechin beym Homer genießt dagegen unstreitig einige Rechte eines vernünftigen Wesens und eines Mitgliedes der größern Gesellschaft. Sie bestimmt sich selbst unter Aufsicht des Mannes zur Erfüllung des Zwecks, ihrem Hauswesen vorzustehen. Sie hat mehr Gelegenheit, diesen Zweck zu hindern, und ihn in hervorstechender Maße zu erfüllen. Sie ist also eines

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Zitationshilfe: Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Dritten Theils erste Abtheilung: Aeltere Geschichte der Geschlechtsverbindung und Liebe. Leipzig, 1798, S. 36. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus0301_1798/36>, abgerufen am 28.03.2024.