Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Dritten Theils erste Abtheilung: Aeltere Geschichte der Geschlechtsverbindung und Liebe. Leipzig, 1798.Schon hieraus läßt sich abnehmen, daß die Sitten beym Philostrat nicht rein sind, und mehrere Stellen beweisen den materiellen Zweck, den er bey der Verbindung mit den Lieblingen vor Augen hatte. 1) Die Verfeinerung der Liebe besteht darin, daß die körperlichen Freuden durch Schwierigkeiten, die sich ihrem Genuß entgegen setzen, erhöhet werden, und daß er dem Ausdruck der Begierde einen Schmuck zu leihen sucht, welcher der Einbildungskraft der Leser Unterhaltung gewähren soll. Man findet bey ihm zuweilen den Witz der Empfindung, 2) aber nie hört man das Herz reden. Besonders merkwürdig wird Philostrat durch den Ton der Galanterie, der hier schon so ausgebildet angetroffen wird, als er nur nimmer in den Romanen des vierzehnten und funfzehnten Jahrhunderts erscheinen kann. Gelehrte Anspielungen, gesuchte Vergleichungen, steife Antithesen, abentheuerliche Gesinnungen, ungeheure oder ärmliche Bilder, machen den Charakter seines Styls aus. "Verstohlne Freuden, sagt er, sind allemahl die süßesten, und die Gefahr, mit der sie erkauft werden, erhöht ihren Reitz." 3) "Augen, heißt es an einer andern Stelle, sind die Rathgeber der Liebe. Du aber liebst einen Jüngling der bloßen Beschreibung nach. Dieß können nur diejenigen thöricht finden, die nicht wissen, daß auch die Seele Augen hat." 4) 1) Der 54ste Brief und der 59ste. 2) 44ste und 45ste Brief. 3) 58ste Brief. 4) 3ter Brief.
Schon hieraus läßt sich abnehmen, daß die Sitten beym Philostrat nicht rein sind, und mehrere Stellen beweisen den materiellen Zweck, den er bey der Verbindung mit den Lieblingen vor Augen hatte. 1) Die Verfeinerung der Liebe besteht darin, daß die körperlichen Freuden durch Schwierigkeiten, die sich ihrem Genuß entgegen setzen, erhöhet werden, und daß er dem Ausdruck der Begierde einen Schmuck zu leihen sucht, welcher der Einbildungskraft der Leser Unterhaltung gewähren soll. Man findet bey ihm zuweilen den Witz der Empfindung, 2) aber nie hört man das Herz reden. Besonders merkwürdig wird Philostrat durch den Ton der Galanterie, der hier schon so ausgebildet angetroffen wird, als er nur nimmer in den Romanen des vierzehnten und funfzehnten Jahrhunderts erscheinen kann. Gelehrte Anspielungen, gesuchte Vergleichungen, steife Antithesen, abentheuerliche Gesinnungen, ungeheure oder ärmliche Bilder, machen den Charakter seines Styls aus. „Verstohlne Freuden, sagt er, sind allemahl die süßesten, und die Gefahr, mit der sie erkauft werden, erhöht ihren Reitz.“ 3) „Augen, heißt es an einer andern Stelle, sind die Rathgeber der Liebe. Du aber liebst einen Jüngling der bloßen Beschreibung nach. Dieß können nur diejenigen thöricht finden, die nicht wissen, daß auch die Seele Augen hat.“ 4) 1) Der 54ste Brief und der 59ste. 2) 44ste und 45ste Brief. 3) 58ste Brief. 4) 3ter Brief.
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0356" n="356"/> <p>Schon hieraus läßt sich abnehmen, daß die Sitten beym Philostrat nicht rein sind, und mehrere Stellen beweisen den materiellen Zweck, den er bey der Verbindung mit den Lieblingen vor Augen hatte. <note place="foot" n="1)">Der 54ste Brief und der 59ste.</note> Die Verfeinerung der Liebe besteht darin, daß die körperlichen Freuden durch Schwierigkeiten, die sich ihrem Genuß entgegen setzen, erhöhet werden, und daß er dem Ausdruck der Begierde einen Schmuck zu leihen sucht, welcher der Einbildungskraft der Leser Unterhaltung gewähren soll. Man findet bey ihm zuweilen den Witz der Empfindung, <note place="foot" n="2)">44ste und 45ste Brief.</note> aber nie hört man das Herz reden.</p> <p>Besonders merkwürdig wird Philostrat durch den Ton der Galanterie, der hier schon so ausgebildet angetroffen wird, als er nur nimmer in den Romanen des vierzehnten und funfzehnten <choice><sic>Jahrhunders</sic><corr>Jahrhunderts</corr></choice> erscheinen kann. Gelehrte Anspielungen, gesuchte Vergleichungen, steife Antithesen, abentheuerliche Gesinnungen, ungeheure oder ärmliche Bilder, machen den Charakter seines Styls aus.</p> <p>„Verstohlne Freuden, sagt er, sind allemahl die süßesten, und die Gefahr, mit der sie erkauft werden, erhöht ihren Reitz.“ <note place="foot" n="3)">58ste Brief.</note> „Augen, heißt es an einer andern Stelle, sind die Rathgeber der Liebe. Du aber liebst einen Jüngling der bloßen Beschreibung nach. Dieß können nur diejenigen thöricht finden, die nicht wissen, daß auch die Seele Augen hat.“ <note place="foot" n="4)">3ter Brief.</note></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [356/0356]
Schon hieraus läßt sich abnehmen, daß die Sitten beym Philostrat nicht rein sind, und mehrere Stellen beweisen den materiellen Zweck, den er bey der Verbindung mit den Lieblingen vor Augen hatte. 1) Die Verfeinerung der Liebe besteht darin, daß die körperlichen Freuden durch Schwierigkeiten, die sich ihrem Genuß entgegen setzen, erhöhet werden, und daß er dem Ausdruck der Begierde einen Schmuck zu leihen sucht, welcher der Einbildungskraft der Leser Unterhaltung gewähren soll. Man findet bey ihm zuweilen den Witz der Empfindung, 2) aber nie hört man das Herz reden.
Besonders merkwürdig wird Philostrat durch den Ton der Galanterie, der hier schon so ausgebildet angetroffen wird, als er nur nimmer in den Romanen des vierzehnten und funfzehnten Jahrhunderts erscheinen kann. Gelehrte Anspielungen, gesuchte Vergleichungen, steife Antithesen, abentheuerliche Gesinnungen, ungeheure oder ärmliche Bilder, machen den Charakter seines Styls aus.
„Verstohlne Freuden, sagt er, sind allemahl die süßesten, und die Gefahr, mit der sie erkauft werden, erhöht ihren Reitz.“ 3) „Augen, heißt es an einer andern Stelle, sind die Rathgeber der Liebe. Du aber liebst einen Jüngling der bloßen Beschreibung nach. Dieß können nur diejenigen thöricht finden, die nicht wissen, daß auch die Seele Augen hat.“ 4)
1) Der 54ste Brief und der 59ste.
2) 44ste und 45ste Brief.
3) 58ste Brief.
4) 3ter Brief.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax.
(2012-11-20T10:30:31Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2012-11-20T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat.
(2012-11-20T10:30:31Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |