Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Dritten Theils erste Abtheilung: Aeltere Geschichte der Geschlechtsverbindung und Liebe. Leipzig, 1798.Viertes Kapitel. Dritte Stufe der Kultur. Das Weib wird zur Matrone, zur Hausfrau, und zum Mitgliede der örtlichen Gesellschaft: es genießt derjenigen Achtung, welche die treue Ausfüllung eines, von dem Manne vorgeschriebenen Zwecks einflößt. Meiner Meinung nach stand die Gattin zu den Zeiten Homers bereits auf der Stufe der Matrone, der örtlich geachteten Hausfrau. Mithin stand sie schon damals über der Sklavin, und über dem eingeschlossenen Familienmitgliede. Sie genoß einiger Menschenrechte, und hing mit der örtlichen Gesellschaft durch eine gewisse Wirksamkeit außer Hause, obgleich mittelbar durch den Mann, zusammen. Der Thalamus, der Theil des Hauses, worin das Frauenzimmer wohnte, war kein Harem, kein Gefängniß, worin die Gattin, abgesondert von der Gesellschaft ihres Gatten, ihr Leben zwischen ihren Nebenbuhlerinnen hätte zubringen müssen. Sie war nicht bloß Genossin des Bettes des Hausherrn, sie war zugleich Genossin seines Tisches, und theilte mit ihm alle Familienverhältnisse des Hauses. Nur Eine durch rechtmäßige Ehe mit dem Manne verbundene Gattin finden wir bey den eigentlichen Argivern. Schon dadurch zeichnet sich das Weib beym Homer scharf von den heutigen Morgenländerinnen ab. Noch weit mehr aber unterscheidet sich ihr Zustand durch die Wirksamkeit, die den Weibern außer Hause vom Homer eingeräumt wird. Sie nehmen an feyerlichen Opfern Theil, und halten Prozessionen. Sie Viertes Kapitel. Dritte Stufe der Kultur. Das Weib wird zur Matrone, zur Hausfrau, und zum Mitgliede der örtlichen Gesellschaft: es genießt derjenigen Achtung, welche die treue Ausfüllung eines, von dem Manne vorgeschriebenen Zwecks einflößt. Meiner Meinung nach stand die Gattin zu den Zeiten Homers bereits auf der Stufe der Matrone, der örtlich geachteten Hausfrau. Mithin stand sie schon damals über der Sklavin, und über dem eingeschlossenen Familienmitgliede. Sie genoß einiger Menschenrechte, und hing mit der örtlichen Gesellschaft durch eine gewisse Wirksamkeit außer Hause, obgleich mittelbar durch den Mann, zusammen. Der Thalamus, der Theil des Hauses, worin das Frauenzimmer wohnte, war kein Harem, kein Gefängniß, worin die Gattin, abgesondert von der Gesellschaft ihres Gatten, ihr Leben zwischen ihren Nebenbuhlerinnen hätte zubringen müssen. Sie war nicht bloß Genossin des Bettes des Hausherrn, sie war zugleich Genossin seines Tisches, und theilte mit ihm alle Familienverhältnisse des Hauses. Nur Eine durch rechtmäßige Ehe mit dem Manne verbundene Gattin finden wir bey den eigentlichen Argivern. Schon dadurch zeichnet sich das Weib beym Homer scharf von den heutigen Morgenländerinnen ab. Noch weit mehr aber unterscheidet sich ihr Zustand durch die Wirksamkeit, die den Weibern außer Hause vom Homer eingeräumt wird. Sie nehmen an feyerlichen Opfern Theil, und halten Prozessionen. Sie <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0032" n="32"/> <div n="2"> <head>Viertes Kapitel.<lb/></head> <argument> <p>Dritte Stufe der Kultur. Das Weib wird zur Matrone, zur Hausfrau, und zum Mitgliede der örtlichen Gesellschaft: es genießt derjenigen Achtung, welche die treue Ausfüllung eines, von dem Manne vorgeschriebenen Zwecks einflößt.<lb/></p> </argument> <p>Meiner Meinung nach stand die Gattin zu den Zeiten Homers bereits auf der Stufe der Matrone, der örtlich geachteten Hausfrau. Mithin stand sie schon damals über der Sklavin, und über dem eingeschlossenen Familienmitgliede. Sie genoß einiger Menschenrechte, und hing mit der örtlichen Gesellschaft durch eine gewisse Wirksamkeit außer Hause, obgleich mittelbar durch den Mann, zusammen.</p> <p>Der Thalamus, der Theil des Hauses, worin das Frauenzimmer wohnte, war kein Harem, kein Gefängniß, worin die Gattin, abgesondert von der Gesellschaft ihres Gatten, ihr Leben zwischen ihren Nebenbuhlerinnen hätte zubringen müssen. Sie war nicht bloß Genossin des Bettes des Hausherrn, sie war zugleich Genossin seines Tisches, und theilte mit ihm alle Familienverhältnisse des Hauses. Nur Eine durch rechtmäßige Ehe mit dem Manne verbundene Gattin finden wir bey den eigentlichen Argivern. Schon dadurch zeichnet sich das Weib beym Homer scharf von den heutigen Morgenländerinnen ab.</p> <p>Noch weit mehr aber unterscheidet sich ihr Zustand durch die Wirksamkeit, die den Weibern außer Hause vom Homer eingeräumt wird. Sie nehmen an feyerlichen Opfern Theil, und halten Prozessionen. Sie </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [32/0032]
Viertes Kapitel.
Dritte Stufe der Kultur. Das Weib wird zur Matrone, zur Hausfrau, und zum Mitgliede der örtlichen Gesellschaft: es genießt derjenigen Achtung, welche die treue Ausfüllung eines, von dem Manne vorgeschriebenen Zwecks einflößt.
Meiner Meinung nach stand die Gattin zu den Zeiten Homers bereits auf der Stufe der Matrone, der örtlich geachteten Hausfrau. Mithin stand sie schon damals über der Sklavin, und über dem eingeschlossenen Familienmitgliede. Sie genoß einiger Menschenrechte, und hing mit der örtlichen Gesellschaft durch eine gewisse Wirksamkeit außer Hause, obgleich mittelbar durch den Mann, zusammen.
Der Thalamus, der Theil des Hauses, worin das Frauenzimmer wohnte, war kein Harem, kein Gefängniß, worin die Gattin, abgesondert von der Gesellschaft ihres Gatten, ihr Leben zwischen ihren Nebenbuhlerinnen hätte zubringen müssen. Sie war nicht bloß Genossin des Bettes des Hausherrn, sie war zugleich Genossin seines Tisches, und theilte mit ihm alle Familienverhältnisse des Hauses. Nur Eine durch rechtmäßige Ehe mit dem Manne verbundene Gattin finden wir bey den eigentlichen Argivern. Schon dadurch zeichnet sich das Weib beym Homer scharf von den heutigen Morgenländerinnen ab.
Noch weit mehr aber unterscheidet sich ihr Zustand durch die Wirksamkeit, die den Weibern außer Hause vom Homer eingeräumt wird. Sie nehmen an feyerlichen Opfern Theil, und halten Prozessionen. Sie
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