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Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Dritten Theils erste Abtheilung: Aeltere Geschichte der Geschlechtsverbindung und Liebe. Leipzig, 1798.

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in der Türkey als bey uns sey. "Die Gattinnen", sagt er, "werden mit einer Schonung behandelt, in die sich oft Zärtlichkeit mischt. So wie sich die Familie vergrößert, nimmt die mütterliche Fürsorge immer an Werth zu. Der Türke, der gewöhnlich zärtlicher Vater ist, schätzt und liebt die häuslichen Tugenden, von denen seine eigene Ruhe und das Wohl seiner Kinder abhängt. Wo die Zuneigung aufhört, da tritt Gewohnheit an ihre Stelle. Die Liebe zum Frieden, und die Armuth halten den größten Theil der Männer ab, mehrere Weiber zu nehmen, oder, mit Vernachlässigung aller Schonung für die ersten Frauen, sich einer neuen Neigung zu überlassen. Sie werden im Alter von ihren Männern geehrt, und finden eine Stütze an ihren Kindern."

Dieß ist das Bild, das uns Russel von den türkischen Frauen liefert. So sehr er sich bemüht, es in ein vortheilhaftes Licht zu setzen, so erscheint es doch als das Bild von Halbmenschen, die zum sinnlichen Genusse, zur Unterhaltung, zum Prunk und zum Kinderzeugen, für die Männer erschaffen sind. Ihr Glück ist das Glück eines Blödsinnigen, den man gut hält, dem man es an nichts fehlen läßt, was zu seiner Erhaltung, Pflege, und Zerstreuung dienen kann, dem man aber durchaus keine solche Freiheit gestattet, woraus das Gefühl der Selbstbestimmung und einer mit unsern Kräften im Verhältnisse stehenden Thätigkeit entspringt. Die angesehenste Frau ist immer nur Herrin in ihrem Harem, nicht Herrin des ganzen Hauses, nicht Vorsteherin des Haushalts. Von der Idee der Einschließung läßt sich die Idee des Eigenthums und der selbstischen Beziehung des eingeschlossenen

in der Türkey als bey uns sey. „Die Gattinnen“, sagt er, „werden mit einer Schonung behandelt, in die sich oft Zärtlichkeit mischt. So wie sich die Familie vergrößert, nimmt die mütterliche Fürsorge immer an Werth zu. Der Türke, der gewöhnlich zärtlicher Vater ist, schätzt und liebt die häuslichen Tugenden, von denen seine eigene Ruhe und das Wohl seiner Kinder abhängt. Wo die Zuneigung aufhört, da tritt Gewohnheit an ihre Stelle. Die Liebe zum Frieden, und die Armuth halten den größten Theil der Männer ab, mehrere Weiber zu nehmen, oder, mit Vernachlässigung aller Schonung für die ersten Frauen, sich einer neuen Neigung zu überlassen. Sie werden im Alter von ihren Männern geehrt, und finden eine Stütze an ihren Kindern.“

Dieß ist das Bild, das uns Russel von den türkischen Frauen liefert. So sehr er sich bemüht, es in ein vortheilhaftes Licht zu setzen, so erscheint es doch als das Bild von Halbmenschen, die zum sinnlichen Genusse, zur Unterhaltung, zum Prunk und zum Kinderzeugen, für die Männer erschaffen sind. Ihr Glück ist das Glück eines Blödsinnigen, den man gut hält, dem man es an nichts fehlen läßt, was zu seiner Erhaltung, Pflege, und Zerstreuung dienen kann, dem man aber durchaus keine solche Freiheit gestattet, woraus das Gefühl der Selbstbestimmung und einer mit unsern Kräften im Verhältnisse stehenden Thätigkeit entspringt. Die angesehenste Frau ist immer nur Herrin in ihrem Harem, nicht Herrin des ganzen Hauses, nicht Vorsteherin des Haushalts. Von der Idee der Einschließung läßt sich die Idee des Eigenthums und der selbstischen Beziehung des eingeschlossenen

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[30/0030] in der Türkey als bey uns sey. „Die Gattinnen“, sagt er, „werden mit einer Schonung behandelt, in die sich oft Zärtlichkeit mischt. So wie sich die Familie vergrößert, nimmt die mütterliche Fürsorge immer an Werth zu. Der Türke, der gewöhnlich zärtlicher Vater ist, schätzt und liebt die häuslichen Tugenden, von denen seine eigene Ruhe und das Wohl seiner Kinder abhängt. Wo die Zuneigung aufhört, da tritt Gewohnheit an ihre Stelle. Die Liebe zum Frieden, und die Armuth halten den größten Theil der Männer ab, mehrere Weiber zu nehmen, oder, mit Vernachlässigung aller Schonung für die ersten Frauen, sich einer neuen Neigung zu überlassen. Sie werden im Alter von ihren Männern geehrt, und finden eine Stütze an ihren Kindern.“ Dieß ist das Bild, das uns Russel von den türkischen Frauen liefert. So sehr er sich bemüht, es in ein vortheilhaftes Licht zu setzen, so erscheint es doch als das Bild von Halbmenschen, die zum sinnlichen Genusse, zur Unterhaltung, zum Prunk und zum Kinderzeugen, für die Männer erschaffen sind. Ihr Glück ist das Glück eines Blödsinnigen, den man gut hält, dem man es an nichts fehlen läßt, was zu seiner Erhaltung, Pflege, und Zerstreuung dienen kann, dem man aber durchaus keine solche Freiheit gestattet, woraus das Gefühl der Selbstbestimmung und einer mit unsern Kräften im Verhältnisse stehenden Thätigkeit entspringt. Die angesehenste Frau ist immer nur Herrin in ihrem Harem, nicht Herrin des ganzen Hauses, nicht Vorsteherin des Haushalts. Von der Idee der Einschließung läßt sich die Idee des Eigenthums und der selbstischen Beziehung des eingeschlossenen

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Zitationshilfe: Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Dritten Theils erste Abtheilung: Aeltere Geschichte der Geschlechtsverbindung und Liebe. Leipzig, 1798, S. 30. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus0301_1798/30>, abgerufen am 19.04.2024.