Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Dritten Theils erste Abtheilung: Aeltere Geschichte der Geschlechtsverbindung und Liebe. Leipzig, 1798.

Bild:
<< vorherige Seite

ihnen befiehlt, sich zu setzen. Dann gehen sie wieder an ihre Arbeit, und die jüngern wagen es nicht, zu reden. Nie ißt der Mann mit seinen Weibern, nie ist er bey den Gesellschaften, welche diese bey sich versammeln, zugegen. Nur wenige Stunden des Tages bringt er in dem Harem zu, und diese sind für die Weiber Stunden des Zwanges.

Es ist Grundsatz bey den Türken, ein hohes, zurückhaltendes, ernstes Wesen gegen ihre Weiber anzunehmen. Sie sind oft gegen Männer von niedrigem Stande gefälliger, als gegen ihre Gattinnen. Der Knabe wird von Jugend auf daran gewöhnt, sich gegen die Weiber herrisch zu benehmen, und sich sogar gegen die Schwester auf diese Art zu betragen, wenn sie ihm noch so zärtlich zugethan ist. Die Damen aus den höheren Ständen begegnen ihren Männern mit Zurückhaltung. Man sieht dieß gegenseitige Betragen als ein Mittel an, dem Manne Ruhe und Oberherrschaft in seinem Harem zu sichern.

Die Weiber fliehen durchaus den Anblick eines jeden Mannes, außer dem Gatten, und lassen sich selbst von dem Arzte nie ohne Noth sehen. Die Stirn enthüllen sie nie vor ihm; nach dem sechzehnten Jahre wird selbst dem Sohne der Eintritt in den Harem nicht weiter gestattet.

Die Beschäftigungen der Frauen beschränken sich auf die Oberaufsicht über ihren innern kleinen Haushalt, auf die Sorge für ihre Kinder, auf die Verfertigung weiblicher Handarbeiten, auf Spiele und auf Putz. Sie gehen nie in die öffentlichen Andachtshäuser. Aber sie besuchen andere Weiber von ihrer Bekanntschaft, die öffentlichen Bäder, die Gräber und die Gärten.

ihnen befiehlt, sich zu setzen. Dann gehen sie wieder an ihre Arbeit, und die jüngern wagen es nicht, zu reden. Nie ißt der Mann mit seinen Weibern, nie ist er bey den Gesellschaften, welche diese bey sich versammeln, zugegen. Nur wenige Stunden des Tages bringt er in dem Harem zu, und diese sind für die Weiber Stunden des Zwanges.

Es ist Grundsatz bey den Türken, ein hohes, zurückhaltendes, ernstes Wesen gegen ihre Weiber anzunehmen. Sie sind oft gegen Männer von niedrigem Stande gefälliger, als gegen ihre Gattinnen. Der Knabe wird von Jugend auf daran gewöhnt, sich gegen die Weiber herrisch zu benehmen, und sich sogar gegen die Schwester auf diese Art zu betragen, wenn sie ihm noch so zärtlich zugethan ist. Die Damen aus den höheren Ständen begegnen ihren Männern mit Zurückhaltung. Man sieht dieß gegenseitige Betragen als ein Mittel an, dem Manne Ruhe und Oberherrschaft in seinem Harem zu sichern.

Die Weiber fliehen durchaus den Anblick eines jeden Mannes, außer dem Gatten, und lassen sich selbst von dem Arzte nie ohne Noth sehen. Die Stirn enthüllen sie nie vor ihm; nach dem sechzehnten Jahre wird selbst dem Sohne der Eintritt in den Harem nicht weiter gestattet.

Die Beschäftigungen der Frauen beschränken sich auf die Oberaufsicht über ihren innern kleinen Haushalt, auf die Sorge für ihre Kinder, auf die Verfertigung weiblicher Handarbeiten, auf Spiele und auf Putz. Sie gehen nie in die öffentlichen Andachtshäuser. Aber sie besuchen andere Weiber von ihrer Bekanntschaft, die öffentlichen Bäder, die Gräber und die Gärten.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0027" n="27"/>
ihnen befiehlt, sich zu setzen. Dann gehen sie wieder an ihre Arbeit, und die jüngern wagen es nicht, zu reden. Nie ißt der Mann mit seinen Weibern, nie ist er bey den Gesellschaften, welche diese bey sich versammeln, zugegen. Nur wenige Stunden des Tages bringt er in dem Harem zu, und diese sind für die Weiber Stunden des Zwanges.</p>
          <p>Es ist Grundsatz bey den Türken, ein hohes, zurückhaltendes, ernstes Wesen gegen ihre Weiber anzunehmen. Sie sind oft gegen Männer von niedrigem Stande gefälliger, als gegen ihre Gattinnen. Der Knabe wird von Jugend auf daran gewöhnt, sich gegen die Weiber herrisch zu benehmen, und sich sogar gegen die Schwester auf diese Art zu betragen, wenn sie ihm noch so zärtlich zugethan ist. Die Damen aus den höheren Ständen begegnen ihren Männern mit Zurückhaltung. Man sieht dieß gegenseitige Betragen als ein Mittel an, dem Manne Ruhe und Oberherrschaft in seinem Harem zu sichern.</p>
          <p>Die Weiber fliehen durchaus den Anblick eines jeden Mannes, außer dem Gatten, und lassen sich selbst von dem Arzte nie ohne Noth sehen. Die Stirn enthüllen sie nie vor ihm; nach dem sechzehnten Jahre wird selbst dem Sohne der Eintritt in den Harem nicht weiter gestattet.</p>
          <p>Die Beschäftigungen der Frauen beschränken sich auf die Oberaufsicht über ihren innern kleinen Haushalt, auf die Sorge für ihre Kinder, auf die Verfertigung weiblicher Handarbeiten, auf Spiele und auf Putz. Sie gehen nie in die öffentlichen Andachtshäuser. Aber sie besuchen andere Weiber von ihrer Bekanntschaft, die öffentlichen Bäder, die Gräber und die Gärten.
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[27/0027] ihnen befiehlt, sich zu setzen. Dann gehen sie wieder an ihre Arbeit, und die jüngern wagen es nicht, zu reden. Nie ißt der Mann mit seinen Weibern, nie ist er bey den Gesellschaften, welche diese bey sich versammeln, zugegen. Nur wenige Stunden des Tages bringt er in dem Harem zu, und diese sind für die Weiber Stunden des Zwanges. Es ist Grundsatz bey den Türken, ein hohes, zurückhaltendes, ernstes Wesen gegen ihre Weiber anzunehmen. Sie sind oft gegen Männer von niedrigem Stande gefälliger, als gegen ihre Gattinnen. Der Knabe wird von Jugend auf daran gewöhnt, sich gegen die Weiber herrisch zu benehmen, und sich sogar gegen die Schwester auf diese Art zu betragen, wenn sie ihm noch so zärtlich zugethan ist. Die Damen aus den höheren Ständen begegnen ihren Männern mit Zurückhaltung. Man sieht dieß gegenseitige Betragen als ein Mittel an, dem Manne Ruhe und Oberherrschaft in seinem Harem zu sichern. Die Weiber fliehen durchaus den Anblick eines jeden Mannes, außer dem Gatten, und lassen sich selbst von dem Arzte nie ohne Noth sehen. Die Stirn enthüllen sie nie vor ihm; nach dem sechzehnten Jahre wird selbst dem Sohne der Eintritt in den Harem nicht weiter gestattet. Die Beschäftigungen der Frauen beschränken sich auf die Oberaufsicht über ihren innern kleinen Haushalt, auf die Sorge für ihre Kinder, auf die Verfertigung weiblicher Handarbeiten, auf Spiele und auf Putz. Sie gehen nie in die öffentlichen Andachtshäuser. Aber sie besuchen andere Weiber von ihrer Bekanntschaft, die öffentlichen Bäder, die Gräber und die Gärten.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-11-20T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-11-20T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-11-20T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Wikisource:Editionsrichtlinien.
  • Der Seitenwechsel erfolgt bei Worttrennung nach dem gesamten Wort.
  • Geviertstriche (—) wurden durch Halbgeviertstriche ersetzt (–).
  • Übergeschriebenes „e“ über „a“, „o“ und „u“ wird als moderner Umlaut (ä, ö, ü) transkribiert.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus0301_1798
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus0301_1798/27
Zitationshilfe: Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Dritten Theils erste Abtheilung: Aeltere Geschichte der Geschlechtsverbindung und Liebe. Leipzig, 1798, S. 27. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus0301_1798/27>, abgerufen am 25.04.2024.