Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Dritten Theils erste Abtheilung: Aeltere Geschichte der Geschlechtsverbindung und Liebe. Leipzig, 1798.Freundschaft unterschieden hat, kann nicht mehr der Begeisterung für die Anlagen des hoffnungsvollen Jünglings, nicht mehr dem Stolze, ihn zu bilden, nicht mehr dem Partheygeiste zugeschrieben werden; es bleibt nichts als die Vermuthung übrig, daß gröbere Begierden dabey zum Grunde liegen. Die Ausbildung des Staatsbürgers zur Begeisterung und zur leidenschaftlichen Aufopferung für fremdes Wohl hat nicht mehr die nehmlichen nützlichen Folgen. Monarchen bedürfen ihrer nicht bey ihren Unterthanen. Ja, sie sind den engen Verbindungen nicht einmahl hold, und die zunehmende Aufmerksamkeit auf das Privatleben, sowohl von Seiten des Regenten als der örtlichen Gesellschaft, muß ihre Mißbräuche immer mehr offenbaren. In der Periode, die ich vor Augen habe, treten noch zwey wichtige Umstände zur Bildung der herrschenden Denkungsart hinzu. Der Flor der verpflanzten griechischen Litteratur nach Alexandrien, und die Abhängigkeit Griechenlands von Rom. - Vielleicht hat das Verkehr der Griechen mit den Morgenländern überhaupt Vieles in den Sitten des erstern Volkes modificiert. Aber gewiß scheint es zu seyn, daß die schmelzende, leidende Empfindsamkeit und Schwärmerey in der Liebe zu den Weibern, die vergötternde Anbetung dieses Geschlechts, der witzige Ausdruck überspannter Gefühle, kurz, der ganze Ton der verliebten Elegie, der in der Folge der Zeiten wieder die Galanterie erzeugt hat, von Alexandrien, von dieser reichen, luxuriösen Residenz und Handelsstadt, deren Einwohner durch Klima und Aberglauben so sehr zu dem Abentheuerlichen, Spitzfindigen Freundschaft unterschieden hat, kann nicht mehr der Begeisterung für die Anlagen des hoffnungsvollen Jünglings, nicht mehr dem Stolze, ihn zu bilden, nicht mehr dem Partheygeiste zugeschrieben werden; es bleibt nichts als die Vermuthung übrig, daß gröbere Begierden dabey zum Grunde liegen. Die Ausbildung des Staatsbürgers zur Begeisterung und zur leidenschaftlichen Aufopferung für fremdes Wohl hat nicht mehr die nehmlichen nützlichen Folgen. Monarchen bedürfen ihrer nicht bey ihren Unterthanen. Ja, sie sind den engen Verbindungen nicht einmahl hold, und die zunehmende Aufmerksamkeit auf das Privatleben, sowohl von Seiten des Regenten als der örtlichen Gesellschaft, muß ihre Mißbräuche immer mehr offenbaren. In der Periode, die ich vor Augen habe, treten noch zwey wichtige Umstände zur Bildung der herrschenden Denkungsart hinzu. Der Flor der verpflanzten griechischen Litteratur nach Alexandrien, und die Abhängigkeit Griechenlands von Rom. – Vielleicht hat das Verkehr der Griechen mit den Morgenländern überhaupt Vieles in den Sitten des erstern Volkes modificiert. Aber gewiß scheint es zu seyn, daß die schmelzende, leidende Empfindsamkeit und Schwärmerey in der Liebe zu den Weibern, die vergötternde Anbetung dieses Geschlechts, der witzige Ausdruck überspannter Gefühle, kurz, der ganze Ton der verliebten Elegie, der in der Folge der Zeiten wieder die Galanterie erzeugt hat, von Alexandrien, von dieser reichen, luxuriösen Residenz und Handelsstadt, deren Einwohner durch Klima und Aberglauben so sehr zu dem Abentheuerlichen, Spitzfindigen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0235" n="235"/> Freundschaft unterschieden hat, kann nicht mehr der Begeisterung für die Anlagen des hoffnungsvollen Jünglings, nicht mehr dem Stolze, ihn zu bilden, nicht mehr dem Partheygeiste zugeschrieben werden; es bleibt nichts als die Vermuthung übrig, daß gröbere Begierden dabey zum Grunde liegen. Die Ausbildung des Staatsbürgers zur Begeisterung und zur leidenschaftlichen Aufopferung für fremdes Wohl hat nicht mehr die nehmlichen nützlichen Folgen. Monarchen bedürfen ihrer nicht bey ihren Unterthanen. Ja, sie sind den engen Verbindungen nicht einmahl hold, und die zunehmende Aufmerksamkeit auf das Privatleben, sowohl von Seiten des Regenten als der örtlichen Gesellschaft, muß ihre Mißbräuche immer mehr offenbaren.</p> <p>In der Periode, die ich vor Augen habe, treten noch zwey wichtige Umstände zur Bildung der herrschenden Denkungsart hinzu. Der Flor der verpflanzten griechischen Litteratur nach Alexandrien, und die Abhängigkeit Griechenlands von Rom. –</p> <p>Vielleicht hat das Verkehr der Griechen mit den Morgenländern überhaupt Vieles in den Sitten des erstern Volkes modificiert. Aber gewiß scheint es zu seyn, daß die schmelzende, leidende Empfindsamkeit und Schwärmerey in der Liebe zu den Weibern, die vergötternde Anbetung dieses Geschlechts, der witzige Ausdruck überspannter Gefühle, kurz, der ganze Ton der verliebten Elegie, der in der Folge der Zeiten wieder die Galanterie erzeugt hat, von Alexandrien, von dieser reichen, luxuriösen Residenz und Handelsstadt, deren Einwohner durch Klima und Aberglauben so sehr zu dem Abentheuerlichen, Spitzfindigen </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [235/0235]
Freundschaft unterschieden hat, kann nicht mehr der Begeisterung für die Anlagen des hoffnungsvollen Jünglings, nicht mehr dem Stolze, ihn zu bilden, nicht mehr dem Partheygeiste zugeschrieben werden; es bleibt nichts als die Vermuthung übrig, daß gröbere Begierden dabey zum Grunde liegen. Die Ausbildung des Staatsbürgers zur Begeisterung und zur leidenschaftlichen Aufopferung für fremdes Wohl hat nicht mehr die nehmlichen nützlichen Folgen. Monarchen bedürfen ihrer nicht bey ihren Unterthanen. Ja, sie sind den engen Verbindungen nicht einmahl hold, und die zunehmende Aufmerksamkeit auf das Privatleben, sowohl von Seiten des Regenten als der örtlichen Gesellschaft, muß ihre Mißbräuche immer mehr offenbaren.
In der Periode, die ich vor Augen habe, treten noch zwey wichtige Umstände zur Bildung der herrschenden Denkungsart hinzu. Der Flor der verpflanzten griechischen Litteratur nach Alexandrien, und die Abhängigkeit Griechenlands von Rom. –
Vielleicht hat das Verkehr der Griechen mit den Morgenländern überhaupt Vieles in den Sitten des erstern Volkes modificiert. Aber gewiß scheint es zu seyn, daß die schmelzende, leidende Empfindsamkeit und Schwärmerey in der Liebe zu den Weibern, die vergötternde Anbetung dieses Geschlechts, der witzige Ausdruck überspannter Gefühle, kurz, der ganze Ton der verliebten Elegie, der in der Folge der Zeiten wieder die Galanterie erzeugt hat, von Alexandrien, von dieser reichen, luxuriösen Residenz und Handelsstadt, deren Einwohner durch Klima und Aberglauben so sehr zu dem Abentheuerlichen, Spitzfindigen
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