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Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Dritten Theils erste Abtheilung: Aeltere Geschichte der Geschlechtsverbindung und Liebe. Leipzig, 1798.

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sie nun aber auch Lebenslang in unzertrennlicher Vereinigung gestanden haben, so wissen sie doch am Ende nicht zu sagen, was sie eigentlich von einander wünschen und verlangen. Befriedigung einer unreinen Lust kann es nicht seyn, was sie so innig vereinigt, und ihren Umgang zu einer Quelle so unerschöpflicher Freuden macht; sondern etwas Anders ist es, wornach Beyder Seele sich sehnt, was sie aber nicht sagen, nur ahnen, nur im dunkeln Vorgefühle errathen kann. Träte nun zu solchen Menschen, wenn sie so beysammen sind, Vulcan mit seinen Werkzeugen, und fragte: Was wollt ihr doch, ihr Menschen, einer von dem andern? und keiner wüßte es zu sagen, und er spräche nun: Wollt ihr vielleicht so ganz vereinigt seyn, daß Tag und Nacht sich keiner vom andern trenne? Wünschet ihr dieß, so will ich euch zusammenfügen und zusammenschmelzen, daß ihr aus zweyen Eins werdet: daß ihr, so lange euer Leben dauert, als ein Wesen zusammen lebt, und bey eurem Tode gemeinschaftlich in die Unterwelt wandert, und auch dort nicht Zwey seyd, sondern Eins! Besinnt euch, ob dieß euer Wunsch sey? - Keiner, daß weiß ich, würde dann Nein sagen: keiner einen andern Wunsch äußern: Jeder nur seinen eigenen längst gefühlten Wunsch zu hören glauben: zusammengeschmolzen und verbunden mit seinem Geliebten aus zweyen Eins zu werden. Liebe ist also nichts anders, als das Verlangen und Streben nach Ergänzung unsers Wesens. - Wenn wir Freunde der Gottheit sind, so haben wir Hoffnung, unsre wahren Hälften zu finden - ein Glück, das Wenigen zu Theil wird! Ich spreche ganz im Allgemeinen von Männern und Weibern, indem ich behaupte, daß wir nur dann die höchste Stufe des

sie nun aber auch Lebenslang in unzertrennlicher Vereinigung gestanden haben, so wissen sie doch am Ende nicht zu sagen, was sie eigentlich von einander wünschen und verlangen. Befriedigung einer unreinen Lust kann es nicht seyn, was sie so innig vereinigt, und ihren Umgang zu einer Quelle so unerschöpflicher Freuden macht; sondern etwas Anders ist es, wornach Beyder Seele sich sehnt, was sie aber nicht sagen, nur ahnen, nur im dunkeln Vorgefühle errathen kann. Träte nun zu solchen Menschen, wenn sie so beysammen sind, Vulcan mit seinen Werkzeugen, und fragte: Was wollt ihr doch, ihr Menschen, einer von dem andern? und keiner wüßte es zu sagen, und er spräche nun: Wollt ihr vielleicht so ganz vereinigt seyn, daß Tag und Nacht sich keiner vom andern trenne? Wünschet ihr dieß, so will ich euch zusammenfügen und zusammenschmelzen, daß ihr aus zweyen Eins werdet: daß ihr, so lange euer Leben dauert, als ein Wesen zusammen lebt, und bey eurem Tode gemeinschaftlich in die Unterwelt wandert, und auch dort nicht Zwey seyd, sondern Eins! Besinnt euch, ob dieß euer Wunsch sey? – Keiner, daß weiß ich, würde dann Nein sagen: keiner einen andern Wunsch äußern: Jeder nur seinen eigenen längst gefühlten Wunsch zu hören glauben: zusammengeschmolzen und verbunden mit seinem Geliebten aus zweyen Eins zu werden. Liebe ist also nichts anders, als das Verlangen und Streben nach Ergänzung unsers Wesens. – Wenn wir Freunde der Gottheit sind, so haben wir Hoffnung, unsre wahren Hälften zu finden – ein Glück, das Wenigen zu Theil wird! Ich spreche ganz im Allgemeinen von Männern und Weibern, indem ich behaupte, daß wir nur dann die höchste Stufe des

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sie nun aber auch Lebenslang in unzertrennlicher Vereinigung gestanden haben, so wissen sie doch am Ende nicht zu sagen, was sie eigentlich von einander wünschen und verlangen. Befriedigung einer unreinen Lust kann es nicht seyn, was sie so innig vereinigt, und ihren Umgang zu einer Quelle so unerschöpflicher Freuden macht; sondern etwas Anders ist es, wornach Beyder Seele sich sehnt, was sie aber nicht sagen, nur ahnen, nur im dunkeln Vorgefühle errathen kann. Träte nun zu solchen Menschen, wenn sie so beysammen sind, Vulcan mit seinen Werkzeugen, und fragte: Was wollt ihr doch, ihr Menschen, einer von dem andern? und keiner wüßte es zu sagen, und er spräche nun: Wollt ihr vielleicht so ganz vereinigt seyn, daß Tag und Nacht sich keiner vom andern trenne? Wünschet ihr dieß, so will ich euch zusammenfügen und zusammenschmelzen, daß ihr aus zweyen Eins werdet: daß ihr, so lange euer Leben dauert, als <hi rendition="#g">ein</hi> Wesen zusammen lebt, und bey eurem Tode gemeinschaftlich in die Unterwelt wandert, und auch dort nicht Zwey seyd, sondern Eins! Besinnt euch, ob dieß euer Wunsch sey? &#x2013; Keiner, daß weiß ich, würde dann Nein sagen: keiner einen andern Wunsch äußern: Jeder nur seinen eigenen längst gefühlten Wunsch zu hören glauben: zusammengeschmolzen und verbunden mit seinem Geliebten aus zweyen Eins zu werden. Liebe ist also nichts anders, als das Verlangen und Streben nach Ergänzung unsers Wesens. &#x2013; Wenn wir Freunde der Gottheit sind, so haben wir Hoffnung, unsre wahren Hälften zu finden &#x2013; ein Glück, das Wenigen zu Theil wird! Ich spreche ganz im Allgemeinen von Männern und Weibern, indem ich behaupte, daß wir nur dann die höchste Stufe des
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[204/0204] sie nun aber auch Lebenslang in unzertrennlicher Vereinigung gestanden haben, so wissen sie doch am Ende nicht zu sagen, was sie eigentlich von einander wünschen und verlangen. Befriedigung einer unreinen Lust kann es nicht seyn, was sie so innig vereinigt, und ihren Umgang zu einer Quelle so unerschöpflicher Freuden macht; sondern etwas Anders ist es, wornach Beyder Seele sich sehnt, was sie aber nicht sagen, nur ahnen, nur im dunkeln Vorgefühle errathen kann. Träte nun zu solchen Menschen, wenn sie so beysammen sind, Vulcan mit seinen Werkzeugen, und fragte: Was wollt ihr doch, ihr Menschen, einer von dem andern? und keiner wüßte es zu sagen, und er spräche nun: Wollt ihr vielleicht so ganz vereinigt seyn, daß Tag und Nacht sich keiner vom andern trenne? Wünschet ihr dieß, so will ich euch zusammenfügen und zusammenschmelzen, daß ihr aus zweyen Eins werdet: daß ihr, so lange euer Leben dauert, als ein Wesen zusammen lebt, und bey eurem Tode gemeinschaftlich in die Unterwelt wandert, und auch dort nicht Zwey seyd, sondern Eins! Besinnt euch, ob dieß euer Wunsch sey? – Keiner, daß weiß ich, würde dann Nein sagen: keiner einen andern Wunsch äußern: Jeder nur seinen eigenen längst gefühlten Wunsch zu hören glauben: zusammengeschmolzen und verbunden mit seinem Geliebten aus zweyen Eins zu werden. Liebe ist also nichts anders, als das Verlangen und Streben nach Ergänzung unsers Wesens. – Wenn wir Freunde der Gottheit sind, so haben wir Hoffnung, unsre wahren Hälften zu finden – ein Glück, das Wenigen zu Theil wird! Ich spreche ganz im Allgemeinen von Männern und Weibern, indem ich behaupte, daß wir nur dann die höchste Stufe des

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Zitationshilfe: Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Dritten Theils erste Abtheilung: Aeltere Geschichte der Geschlechtsverbindung und Liebe. Leipzig, 1798, S. 204. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus0301_1798/204>, abgerufen am 25.11.2024.