Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Dritten Theils erste Abtheilung: Aeltere Geschichte der Geschlechtsverbindung und Liebe. Leipzig, 1798.wenn man hier ein bündiges philosophisches Räsonnement über diesen Gegenstand aufsuchen wollte. Man sieht auf den ersten Blick, daß nicht einmahl der Begriff der Liebe gefaßt, sondern mit leidenschaftlicher Geschlechtssympathie des Körpers und der Seele, mit Begeisterung und Lüsternheit, verwechselt ist. Die Entwickelung der Gründe, warum die Schönheit uns begeistert, hält eben so wenig die Prüfung der Wahrheit aus, und die ganze Schilderung der Seelen, die schon vor ihrem Falle auf die Erde, man weiß nicht warum, mit einem bösen Rosse fahren, folglich ohne ihre Schuld niederfallen, und des Anblicks des Wesens der Wesen entbehren, ist eben so unzusammenhängend, als es nur irgend eine Mythe vom Ufer des Ganges her seyn kann. Aber der ganze Zweck des Gesprächs ist nicht sowohl, eine Abhandlung über die Liebe zu schreiben, als eine Redeübung über diese Materie zu liefern, aus der die Grundsätze der Beredtsamkeit entwickelt werden können. Man muß daher diese Rede, die Plato dem Sokrates in den Mund legt, wie ein schönes Kunstwerk betrachten, das die Bestimmung hat, ein gewöhnliches Verhältniß, die atheniensische Cicisbeatura, zu vertheidigen, und die Schutzrede, welche ihre Anhänger ihr halten könnten, dem Herzen und Beschauungssinne gleich interessant zu machen. Hierzu wird nicht bloß die ästhetische Einkleidung, sondern zugleich der Kunstgriff genutzt, der Entstehung und dem Zwecke solcher Verbindungen etwas Uebersinnliches beyzulegen, das mächtig auf die Imagination wirkt. In dieser Rücksicht, (und wenn man heut zu Tage an die Stelle der Liebe zum Jünglinge die Liebe zu einem wenn man hier ein bündiges philosophisches Räsonnement über diesen Gegenstand aufsuchen wollte. Man sieht auf den ersten Blick, daß nicht einmahl der Begriff der Liebe gefaßt, sondern mit leidenschaftlicher Geschlechtssympathie des Körpers und der Seele, mit Begeisterung und Lüsternheit, verwechselt ist. Die Entwickelung der Gründe, warum die Schönheit uns begeistert, hält eben so wenig die Prüfung der Wahrheit aus, und die ganze Schilderung der Seelen, die schon vor ihrem Falle auf die Erde, man weiß nicht warum, mit einem bösen Rosse fahren, folglich ohne ihre Schuld niederfallen, und des Anblicks des Wesens der Wesen entbehren, ist eben so unzusammenhängend, als es nur irgend eine Mythe vom Ufer des Ganges her seyn kann. Aber der ganze Zweck des Gesprächs ist nicht sowohl, eine Abhandlung über die Liebe zu schreiben, als eine Redeübung über diese Materie zu liefern, aus der die Grundsätze der Beredtsamkeit entwickelt werden können. Man muß daher diese Rede, die Plato dem Sokrates in den Mund legt, wie ein schönes Kunstwerk betrachten, das die Bestimmung hat, ein gewöhnliches Verhältniß, die atheniensische Cicisbeatura, zu vertheidigen, und die Schutzrede, welche ihre Anhänger ihr halten könnten, dem Herzen und Beschauungssinne gleich interessant zu machen. Hierzu wird nicht bloß die ästhetische Einkleidung, sondern zugleich der Kunstgriff genutzt, der Entstehung und dem Zwecke solcher Verbindungen etwas Uebersinnliches beyzulegen, das mächtig auf die Imagination wirkt. In dieser Rücksicht, (und wenn man heut zu Tage an die Stelle der Liebe zum Jünglinge die Liebe zu einem <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0185" n="185"/> wenn man hier ein bündiges philosophisches Räsonnement über diesen Gegenstand aufsuchen wollte. 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wenn man hier ein bündiges philosophisches Räsonnement über diesen Gegenstand aufsuchen wollte. Man sieht auf den ersten Blick, daß nicht einmahl der Begriff der Liebe gefaßt, sondern mit leidenschaftlicher Geschlechtssympathie des Körpers und der Seele, mit Begeisterung und Lüsternheit, verwechselt ist. Die Entwickelung der Gründe, warum die Schönheit uns begeistert, hält eben so wenig die Prüfung der Wahrheit aus, und die ganze Schilderung der Seelen, die schon vor ihrem Falle auf die Erde, man weiß nicht warum, mit einem bösen Rosse fahren, folglich ohne ihre Schuld niederfallen, und des Anblicks des Wesens der Wesen entbehren, ist eben so unzusammenhängend, als es nur irgend eine Mythe vom Ufer des Ganges her seyn kann.
Aber der ganze Zweck des Gesprächs ist nicht sowohl, eine Abhandlung über die Liebe zu schreiben, als eine Redeübung über diese Materie zu liefern, aus der die Grundsätze der Beredtsamkeit entwickelt werden können. Man muß daher diese Rede, die Plato dem Sokrates in den Mund legt, wie ein schönes Kunstwerk betrachten, das die Bestimmung hat, ein gewöhnliches Verhältniß, die atheniensische Cicisbeatura, zu vertheidigen, und die Schutzrede, welche ihre Anhänger ihr halten könnten, dem Herzen und Beschauungssinne gleich interessant zu machen. Hierzu wird nicht bloß die ästhetische Einkleidung, sondern zugleich der Kunstgriff genutzt, der Entstehung und dem Zwecke solcher Verbindungen etwas Uebersinnliches beyzulegen, das mächtig auf die Imagination wirkt.
In dieser Rücksicht, (und wenn man heut zu Tage an die Stelle der Liebe zum Jünglinge die Liebe zu einem
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