Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Dritten Theils erste Abtheilung: Aeltere Geschichte der Geschlechtsverbindung und Liebe. Leipzig, 1798.Aber dieser Grund scheint mir nicht durchschlagend zu seyn. Bey jenen Völkern sind Verhältnisse dieser Art von den Gesetzen gebilligt; bey uns werden sie für unanständig gehalten. Und gewiß! Diejenigen, die man in ein Glied zusammenstellen muß, scheinen mir nur Mißtrauen zu verrathen, und erwecken den Verdacht, daß, wenn sie allein gestellt würden, sie den Ruhm tapferer Männer nicht bestehen würden. Die Lacedämonier hingegen, welche glauben, daß die gemeine Liebe die Begierde nach allem Edeln und Guten austilge, stellen ihre Liebenden nicht zusammen, und dennoch verlassen diese ihre Reihen nicht. Aber bey ihnen ist auch Schamhaftigkeit, nicht freche Ausgelassenheit, eine Gottheit! Vielleicht würde nur eine Meinung hierüber Statt finden können, wenn man sich die Frage beantworten wollte: wem man am liebsten sein Vermögen und seine Kinder anvertrauen möchte, demjenigen, der um der Seele, oder demjenigen, der um des Körpers willen geliebt wird? Mich dünkt, daß selbst derjenige, der die Gestalt auf eine grobe Art liebt, demjenigen eher trauen werde, dessen Seele er liebenswürdig finden muß." Nun wendet sich Sokrates zum Callias. "Danke den Göttern", sagt er zu ihm, "daß sie dir Liebe zum Autolykus eingeflößt haben. Er hat durch die That bewiesen, welche edle Ruhmbegierde in seiner Brust wohnt, da er sich keine Anstrengung, keine Mühe hat verdrießen lassen, um den Preis in den gymnastischen Spielen davon zu tragen. Ueberzeugt, wie er es ist, daß er durch ausgezeichnete Verdienste sich Aber dieser Grund scheint mir nicht durchschlagend zu seyn. Bey jenen Völkern sind Verhältnisse dieser Art von den Gesetzen gebilligt; bey uns werden sie für unanständig gehalten. Und gewiß! Diejenigen, die man in ein Glied zusammenstellen muß, scheinen mir nur Mißtrauen zu verrathen, und erwecken den Verdacht, daß, wenn sie allein gestellt würden, sie den Ruhm tapferer Männer nicht bestehen würden. Die Lacedämonier hingegen, welche glauben, daß die gemeine Liebe die Begierde nach allem Edeln und Guten austilge, stellen ihre Liebenden nicht zusammen, und dennoch verlassen diese ihre Reihen nicht. Aber bey ihnen ist auch Schamhaftigkeit, nicht freche Ausgelassenheit, eine Gottheit! Vielleicht würde nur eine Meinung hierüber Statt finden können, wenn man sich die Frage beantworten wollte: wem man am liebsten sein Vermögen und seine Kinder anvertrauen möchte, demjenigen, der um der Seele, oder demjenigen, der um des Körpers willen geliebt wird? Mich dünkt, daß selbst derjenige, der die Gestalt auf eine grobe Art liebt, demjenigen eher trauen werde, dessen Seele er liebenswürdig finden muß.“ Nun wendet sich Sokrates zum Callias. „Danke den Göttern“, sagt er zu ihm, „daß sie dir Liebe zum Autolykus eingeflößt haben. Er hat durch die That bewiesen, welche edle Ruhmbegierde in seiner Brust wohnt, da er sich keine Anstrengung, keine Mühe hat verdrießen lassen, um den Preis in den gymnastischen Spielen davon zu tragen. Ueberzeugt, wie er es ist, daß er durch ausgezeichnete Verdienste sich <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0165" n="165"/> Aber dieser Grund scheint mir nicht durchschlagend zu seyn. Bey jenen Völkern sind Verhältnisse dieser Art von den Gesetzen gebilligt; bey uns werden sie für unanständig gehalten. Und gewiß! Diejenigen, die man in ein Glied zusammenstellen muß, scheinen mir nur Mißtrauen zu verrathen, und erwecken den Verdacht, daß, wenn sie allein gestellt würden, sie den Ruhm tapferer Männer nicht bestehen würden. Die Lacedämonier hingegen, welche glauben, daß die gemeine Liebe die Begierde nach allem Edeln und Guten austilge, stellen ihre Liebenden nicht zusammen, und dennoch verlassen diese ihre Reihen nicht. Aber bey ihnen ist auch Schamhaftigkeit, nicht freche Ausgelassenheit, eine Gottheit!</p> <p>Vielleicht würde nur eine Meinung hierüber Statt finden können, wenn man sich die Frage beantworten wollte: wem man am liebsten sein Vermögen und seine Kinder anvertrauen möchte, demjenigen, der um der Seele, oder demjenigen, der um des Körpers willen geliebt wird? Mich dünkt, daß selbst derjenige, der die Gestalt auf eine grobe Art liebt, demjenigen eher trauen werde, dessen Seele er liebenswürdig finden muß.“</p> <p>Nun wendet sich Sokrates zum Callias. „Danke den Göttern“, sagt er zu ihm, „daß sie dir Liebe zum Autolykus eingeflößt haben. Er hat durch die That bewiesen, welche edle Ruhmbegierde in seiner Brust wohnt, da er sich keine Anstrengung, keine Mühe hat verdrießen lassen, um den Preis in den gymnastischen Spielen davon zu tragen. Ueberzeugt, wie er es ist, daß er durch ausgezeichnete Verdienste sich </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [165/0165]
Aber dieser Grund scheint mir nicht durchschlagend zu seyn. Bey jenen Völkern sind Verhältnisse dieser Art von den Gesetzen gebilligt; bey uns werden sie für unanständig gehalten. Und gewiß! Diejenigen, die man in ein Glied zusammenstellen muß, scheinen mir nur Mißtrauen zu verrathen, und erwecken den Verdacht, daß, wenn sie allein gestellt würden, sie den Ruhm tapferer Männer nicht bestehen würden. Die Lacedämonier hingegen, welche glauben, daß die gemeine Liebe die Begierde nach allem Edeln und Guten austilge, stellen ihre Liebenden nicht zusammen, und dennoch verlassen diese ihre Reihen nicht. Aber bey ihnen ist auch Schamhaftigkeit, nicht freche Ausgelassenheit, eine Gottheit!
Vielleicht würde nur eine Meinung hierüber Statt finden können, wenn man sich die Frage beantworten wollte: wem man am liebsten sein Vermögen und seine Kinder anvertrauen möchte, demjenigen, der um der Seele, oder demjenigen, der um des Körpers willen geliebt wird? Mich dünkt, daß selbst derjenige, der die Gestalt auf eine grobe Art liebt, demjenigen eher trauen werde, dessen Seele er liebenswürdig finden muß.“
Nun wendet sich Sokrates zum Callias. „Danke den Göttern“, sagt er zu ihm, „daß sie dir Liebe zum Autolykus eingeflößt haben. Er hat durch die That bewiesen, welche edle Ruhmbegierde in seiner Brust wohnt, da er sich keine Anstrengung, keine Mühe hat verdrießen lassen, um den Preis in den gymnastischen Spielen davon zu tragen. Ueberzeugt, wie er es ist, daß er durch ausgezeichnete Verdienste sich
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