Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Dritten Theils erste Abtheilung: Aeltere Geschichte der Geschlechtsverbindung und Liebe. Leipzig, 1798.den Staat an ein edleres Band zur Ausbildung der Tugend nicht zu denken war. Hingegen die himmlische Venus flößte eine ganz andere Liebe ein. Diese suchte Jünglinge auf, deren Geburt und Anlagen den Staat zu den größten Hoffnungen in Rücksicht der Dienste, die sie ihm leisten würden, berechtigten. Mit diesen vereinigte sie sich, unter gleichen Verhältnissen in allem, was den Griechen das Liebste war, und was sie allein edel und schön nannten. Der junge Mann theilte die geselligen Freuden des reifern in größern Zusammenkünften, besuchte mit diesem die öffentlichen Oerter, und besonders die Gymnasien. Der Liebhaber und der Liebling erkannten wechselseitig den Werth des Bürgers in einander an, und hielten sich gegenseitig eines Wohls fähig, das sie nur als Bürger genießen konnten. Sie trafen in einem Genuß zusammen. Hier fand also wahre Zärtlichkeit, wahre Paarung der Naturen zu einer Persönlichkeit Statt. Und darum ward sie auch in der Verbindung zwischen Männern viel allgemeiner anerkannt, als in der Verbindung zwischen dem Manne und dem Weibe. Ja, sie war diejenige Liebe, welche die Athenienser im eigentlichen Sinne edel und schön nennen konnten. Denn sie war es allein, der man eine Erhebung über gröbere körperliche Triebe zutrauen, der man den edeln Grund einer wechselseitigen Achtung für Bürgervortrefflichkeit, und den edeln Zweck der Beförderung des allgemeinen Wohls durch Besorgung des partikulären beylegen konnte. Und zu Gunsten dieser Vortheile mochte sich denn auch hie und da einige Sinnlichkeit mit einmischen: man übersah es; sie diente die Begeisterung zu verstärken, den Staat an ein edleres Band zur Ausbildung der Tugend nicht zu denken war. Hingegen die himmlische Venus flößte eine ganz andere Liebe ein. Diese suchte Jünglinge auf, deren Geburt und Anlagen den Staat zu den größten Hoffnungen in Rücksicht der Dienste, die sie ihm leisten würden, berechtigten. Mit diesen vereinigte sie sich, unter gleichen Verhältnissen in allem, was den Griechen das Liebste war, und was sie allein edel und schön nannten. Der junge Mann theilte die geselligen Freuden des reifern in größern Zusammenkünften, besuchte mit diesem die öffentlichen Oerter, und besonders die Gymnasien. Der Liebhaber und der Liebling erkannten wechselseitig den Werth des Bürgers in einander an, und hielten sich gegenseitig eines Wohls fähig, das sie nur als Bürger genießen konnten. Sie trafen in einem Genuß zusammen. Hier fand also wahre Zärtlichkeit, wahre Paarung der Naturen zu einer Persönlichkeit Statt. Und darum ward sie auch in der Verbindung zwischen Männern viel allgemeiner anerkannt, als in der Verbindung zwischen dem Manne und dem Weibe. Ja, sie war diejenige Liebe, welche die Athenienser im eigentlichen Sinne edel und schön nennen konnten. Denn sie war es allein, der man eine Erhebung über gröbere körperliche Triebe zutrauen, der man den edeln Grund einer wechselseitigen Achtung für Bürgervortrefflichkeit, und den edeln Zweck der Beförderung des allgemeinen Wohls durch Besorgung des partikulären beylegen konnte. Und zu Gunsten dieser Vortheile mochte sich denn auch hie und da einige Sinnlichkeit mit einmischen: man übersah es; sie diente die Begeisterung zu verstärken, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0149" n="149"/> den Staat an ein edleres Band zur Ausbildung der Tugend nicht zu denken war.</p> <p>Hingegen die himmlische Venus flößte eine ganz andere Liebe ein. Diese suchte Jünglinge auf, deren Geburt und Anlagen den Staat zu den größten Hoffnungen in Rücksicht der Dienste, die sie ihm leisten würden, berechtigten. 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Denn sie war es allein, der man eine Erhebung über gröbere körperliche Triebe zutrauen, der man den edeln Grund einer wechselseitigen Achtung für Bürgervortrefflichkeit, und den edeln Zweck der Beförderung des allgemeinen Wohls durch Besorgung des partikulären beylegen konnte. Und zu Gunsten dieser Vortheile mochte sich denn auch hie und da einige Sinnlichkeit mit einmischen: man übersah es; sie diente die Begeisterung zu verstärken, </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [149/0149]
den Staat an ein edleres Band zur Ausbildung der Tugend nicht zu denken war.
Hingegen die himmlische Venus flößte eine ganz andere Liebe ein. Diese suchte Jünglinge auf, deren Geburt und Anlagen den Staat zu den größten Hoffnungen in Rücksicht der Dienste, die sie ihm leisten würden, berechtigten. Mit diesen vereinigte sie sich, unter gleichen Verhältnissen in allem, was den Griechen das Liebste war, und was sie allein edel und schön nannten. Der junge Mann theilte die geselligen Freuden des reifern in größern Zusammenkünften, besuchte mit diesem die öffentlichen Oerter, und besonders die Gymnasien. Der Liebhaber und der Liebling erkannten wechselseitig den Werth des Bürgers in einander an, und hielten sich gegenseitig eines Wohls fähig, das sie nur als Bürger genießen konnten. Sie trafen in einem Genuß zusammen. Hier fand also wahre Zärtlichkeit, wahre Paarung der Naturen zu einer Persönlichkeit Statt. Und darum ward sie auch in der Verbindung zwischen Männern viel allgemeiner anerkannt, als in der Verbindung zwischen dem Manne und dem Weibe. Ja, sie war diejenige Liebe, welche die Athenienser im eigentlichen Sinne edel und schön nennen konnten. Denn sie war es allein, der man eine Erhebung über gröbere körperliche Triebe zutrauen, der man den edeln Grund einer wechselseitigen Achtung für Bürgervortrefflichkeit, und den edeln Zweck der Beförderung des allgemeinen Wohls durch Besorgung des partikulären beylegen konnte. Und zu Gunsten dieser Vortheile mochte sich denn auch hie und da einige Sinnlichkeit mit einmischen: man übersah es; sie diente die Begeisterung zu verstärken,
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