Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Dritten Theils erste Abtheilung: Aeltere Geschichte der Geschlechtsverbindung und Liebe. Leipzig, 1798.

Bild:
<< vorherige Seite

auf eine beträchtliche Weise. Die Sittlichkeit überhaupt, und das Glück liebender Verbindungen zwischen beyden Geschlechtern, haben aus der Unkunde des wahren Verhältnisses, worauf die Grundsätze jenes Philosophen ihre zutreffende Anwendung finden, manchen Nachtheil erlitten. Hier scheint einer von den Fällen einzutreten, wo der Liebe zur Wahrheit und Zweckmäßigkeit einiges von den Forderungen des Schicklichen aufgeopfert werden muß: oder vielmehr, wo dasjenige, was nur in einer gewissen Beziehung unschicklich genannt werden kann, dadurch schicklich wird, daß es in allgemeiner Rücksicht dem Triebe nach richtiger Erkenntniß und Nutzbarkeit anpassend erscheint.

Ich werde daher mit Freymüthigkeit, aber weit entfernt von Frechheit, über einen Gegenstand reden, dessen Kenntniß nur demjenigen schädlich seyn kann, der ein verdorbenes Herz zu meinem Buche herzubringt.

Zweytes Kapitel.

Geist der atheniensischen Gesetze und Sitten in Rücksicht auf die Liebe zu den Lieblingen.

Wenn man die Denkungsart eines Volks über einen Gegenstand seiner Gebräuche und geselligen Einrichtungen angeben will; so muß man sich wohl hüten, diese zu allgemein auf alle seine Individuen, ja, nur auf alle Classen seiner Bürger auszudehnen. Die gute Gesellschaft denkt anders darüber wie der einzelne Weise. Dieser prüft selbst, sucht sich in seiner Meinung von dem Einflusse der Vorurtheile und Leidenschaften frey zu erhalten, und unterwirft selbst dem bürgerlichen Gesetze

auf eine beträchtliche Weise. Die Sittlichkeit überhaupt, und das Glück liebender Verbindungen zwischen beyden Geschlechtern, haben aus der Unkunde des wahren Verhältnisses, worauf die Grundsätze jenes Philosophen ihre zutreffende Anwendung finden, manchen Nachtheil erlitten. Hier scheint einer von den Fällen einzutreten, wo der Liebe zur Wahrheit und Zweckmäßigkeit einiges von den Forderungen des Schicklichen aufgeopfert werden muß: oder vielmehr, wo dasjenige, was nur in einer gewissen Beziehung unschicklich genannt werden kann, dadurch schicklich wird, daß es in allgemeiner Rücksicht dem Triebe nach richtiger Erkenntniß und Nutzbarkeit anpassend erscheint.

Ich werde daher mit Freymüthigkeit, aber weit entfernt von Frechheit, über einen Gegenstand reden, dessen Kenntniß nur demjenigen schädlich seyn kann, der ein verdorbenes Herz zu meinem Buche herzubringt.

Zweytes Kapitel.

Geist der atheniensischen Gesetze und Sitten in Rücksicht auf die Liebe zu den Lieblingen.

Wenn man die Denkungsart eines Volks über einen Gegenstand seiner Gebräuche und geselligen Einrichtungen angeben will; so muß man sich wohl hüten, diese zu allgemein auf alle seine Individuen, ja, nur auf alle Classen seiner Bürger auszudehnen. Die gute Gesellschaft denkt anders darüber wie der einzelne Weise. Dieser prüft selbst, sucht sich in seiner Meinung von dem Einflusse der Vorurtheile und Leidenschaften frey zu erhalten, und unterwirft selbst dem bürgerlichen Gesetze

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0135" n="135"/>
auf eine beträchtliche Weise. Die Sittlichkeit überhaupt, und das Glück liebender Verbindungen zwischen beyden Geschlechtern, haben aus der Unkunde des wahren Verhältnisses, worauf die Grundsätze jenes Philosophen ihre zutreffende Anwendung finden, manchen Nachtheil erlitten. Hier scheint einer von den Fällen einzutreten, wo der Liebe zur Wahrheit und Zweckmäßigkeit einiges von den Forderungen des Schicklichen aufgeopfert werden muß: oder vielmehr, wo dasjenige, was nur in einer gewissen Beziehung unschicklich genannt werden kann, dadurch schicklich wird, daß es in allgemeiner Rücksicht dem Triebe nach richtiger Erkenntniß und Nutzbarkeit anpassend erscheint.</p>
          <p>Ich werde daher mit Freymüthigkeit, aber weit entfernt von Frechheit, über einen Gegenstand reden, dessen Kenntniß nur demjenigen schädlich seyn kann, der ein verdorbenes Herz zu meinem Buche herzubringt.</p>
        </div>
        <div n="2">
          <head>Zweytes Kapitel.<lb/></head>
          <argument>
            <p>Geist der atheniensischen Gesetze und Sitten in Rücksicht auf die Liebe zu den Lieblingen.<lb/></p>
          </argument>
          <p>Wenn man die Denkungsart eines Volks über einen Gegenstand seiner Gebräuche und geselligen Einrichtungen angeben will; so muß man sich wohl hüten, diese zu allgemein auf alle seine Individuen, ja, nur auf alle Classen seiner Bürger auszudehnen. Die gute Gesellschaft denkt anders darüber wie der einzelne Weise. Dieser prüft selbst, sucht sich in seiner Meinung von dem Einflusse der Vorurtheile und Leidenschaften frey zu erhalten, und unterwirft selbst dem bürgerlichen Gesetze
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[135/0135] auf eine beträchtliche Weise. Die Sittlichkeit überhaupt, und das Glück liebender Verbindungen zwischen beyden Geschlechtern, haben aus der Unkunde des wahren Verhältnisses, worauf die Grundsätze jenes Philosophen ihre zutreffende Anwendung finden, manchen Nachtheil erlitten. Hier scheint einer von den Fällen einzutreten, wo der Liebe zur Wahrheit und Zweckmäßigkeit einiges von den Forderungen des Schicklichen aufgeopfert werden muß: oder vielmehr, wo dasjenige, was nur in einer gewissen Beziehung unschicklich genannt werden kann, dadurch schicklich wird, daß es in allgemeiner Rücksicht dem Triebe nach richtiger Erkenntniß und Nutzbarkeit anpassend erscheint. Ich werde daher mit Freymüthigkeit, aber weit entfernt von Frechheit, über einen Gegenstand reden, dessen Kenntniß nur demjenigen schädlich seyn kann, der ein verdorbenes Herz zu meinem Buche herzubringt. Zweytes Kapitel. Geist der atheniensischen Gesetze und Sitten in Rücksicht auf die Liebe zu den Lieblingen. Wenn man die Denkungsart eines Volks über einen Gegenstand seiner Gebräuche und geselligen Einrichtungen angeben will; so muß man sich wohl hüten, diese zu allgemein auf alle seine Individuen, ja, nur auf alle Classen seiner Bürger auszudehnen. Die gute Gesellschaft denkt anders darüber wie der einzelne Weise. Dieser prüft selbst, sucht sich in seiner Meinung von dem Einflusse der Vorurtheile und Leidenschaften frey zu erhalten, und unterwirft selbst dem bürgerlichen Gesetze

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-11-20T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-11-20T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-11-20T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Wikisource:Editionsrichtlinien.
  • Der Seitenwechsel erfolgt bei Worttrennung nach dem gesamten Wort.
  • Geviertstriche (—) wurden durch Halbgeviertstriche ersetzt (–).
  • Übergeschriebenes „e“ über „a“, „o“ und „u“ wird als moderner Umlaut (ä, ö, ü) transkribiert.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus0301_1798
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus0301_1798/135
Zitationshilfe: Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Dritten Theils erste Abtheilung: Aeltere Geschichte der Geschlechtsverbindung und Liebe. Leipzig, 1798, S. 135. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus0301_1798/135>, abgerufen am 23.11.2024.