Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Dritten Theils erste Abtheilung: Aeltere Geschichte der Geschlechtsverbindung und Liebe. Leipzig, 1798.Farben, und trug hohe Absätze; Ischomachus sucht sie zu bessern. Aber ohne Härte, auf die liebevollste Art, und durch vernünftige Vorstellungen. "Die junge Frau antwortete nichts", sagt Ischomachus, "aber sie that es nie wieder!" - Wenn man den eingeschränkten Zweck erwägt, den sich Xenophon bey dieser Schrift vor Augen gesetzt hatte; wenn man bedenkt, daß Xenophon nicht eine vortreffliche Ehe in jeder Rücksicht, sondern nur die Gatten in ihren Verhältnissen zur Wirthschaft schildern wollte; so läßt sich gewiß keine Herabwürdigung des zärtern Geschlechts aus dieser Darstellung folgern. Ich darf vielmehr dreist behaupten, daß die Anerkennung der Selbständigkeit des Weibes, und seines Anspruchs auf eigne Bestimmung in seinen Gesinnungen und Handlungen, so wie in dem Gefühle seiner Zufriedenheit, klar daraus erhelle. "Glaube nicht", läßt Xenophon die Gattin des Ischomachus sagen, "daß deine Anträge mir lästig sind. Es ist für eine tugendhafte Frau angenehmer und leichter, für ihre Kinder zu sorgen, als sie zu vernachlässigen. Und eben so ist es für eine gutdenkende Frau erfreulicher, das Vermögen, dessen Besitz Vergnügen gewährt, zu Rathe zu halten, als es zu verwahrlosen." - Sokrates ruft darauf aus: "Bey der Juno, Ischomachus, dieß ist Beweises genug, daß deine Frau einen festen, männlichen Charakter hat!" - - Man bemerke wohl, daß hier durch das Männliche weiter nichts als das Selbständige verstanden seyn kann: denn die Frau war fest, und sich selbst bestimmend in den eigenthümlichen Anlagen und Verhältnissen ihres Geschlechts. Farben, und trug hohe Absätze; Ischomachus sucht sie zu bessern. Aber ohne Härte, auf die liebevollste Art, und durch vernünftige Vorstellungen. „Die junge Frau antwortete nichts“, sagt Ischomachus, „aber sie that es nie wieder!“ – Wenn man den eingeschränkten Zweck erwägt, den sich Xenophon bey dieser Schrift vor Augen gesetzt hatte; wenn man bedenkt, daß Xenophon nicht eine vortreffliche Ehe in jeder Rücksicht, sondern nur die Gatten in ihren Verhältnissen zur Wirthschaft schildern wollte; so läßt sich gewiß keine Herabwürdigung des zärtern Geschlechts aus dieser Darstellung folgern. Ich darf vielmehr dreist behaupten, daß die Anerkennung der Selbständigkeit des Weibes, und seines Anspruchs auf eigne Bestimmung in seinen Gesinnungen und Handlungen, so wie in dem Gefühle seiner Zufriedenheit, klar daraus erhelle. „Glaube nicht“, läßt Xenophon die Gattin des Ischomachus sagen, „daß deine Anträge mir lästig sind. Es ist für eine tugendhafte Frau angenehmer und leichter, für ihre Kinder zu sorgen, als sie zu vernachlässigen. Und eben so ist es für eine gutdenkende Frau erfreulicher, das Vermögen, dessen Besitz Vergnügen gewährt, zu Rathe zu halten, als es zu verwahrlosen.“ – Sokrates ruft darauf aus: „Bey der Juno, Ischomachus, dieß ist Beweises genug, daß deine Frau einen festen, männlichen Charakter hat!“ – – Man bemerke wohl, daß hier durch das Männliche weiter nichts als das Selbständige verstanden seyn kann: denn die Frau war fest, und sich selbst bestimmend in den eigenthümlichen Anlagen und Verhältnissen ihres Geschlechts. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0112" n="112"/> Farben, und trug hohe Absätze; Ischomachus sucht sie zu bessern. 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Farben, und trug hohe Absätze; Ischomachus sucht sie zu bessern. Aber ohne Härte, auf die liebevollste Art, und durch vernünftige Vorstellungen. „Die junge Frau antwortete nichts“, sagt Ischomachus, „aber sie that es nie wieder!“ –
Wenn man den eingeschränkten Zweck erwägt, den sich Xenophon bey dieser Schrift vor Augen gesetzt hatte; wenn man bedenkt, daß Xenophon nicht eine vortreffliche Ehe in jeder Rücksicht, sondern nur die Gatten in ihren Verhältnissen zur Wirthschaft schildern wollte; so läßt sich gewiß keine Herabwürdigung des zärtern Geschlechts aus dieser Darstellung folgern. Ich darf vielmehr dreist behaupten, daß die Anerkennung der Selbständigkeit des Weibes, und seines Anspruchs auf eigne Bestimmung in seinen Gesinnungen und Handlungen, so wie in dem Gefühle seiner Zufriedenheit, klar daraus erhelle. „Glaube nicht“, läßt Xenophon die Gattin des Ischomachus sagen, „daß deine Anträge mir lästig sind. Es ist für eine tugendhafte Frau angenehmer und leichter, für ihre Kinder zu sorgen, als sie zu vernachlässigen. Und eben so ist es für eine gutdenkende Frau erfreulicher, das Vermögen, dessen Besitz Vergnügen gewährt, zu Rathe zu halten, als es zu verwahrlosen.“ – Sokrates ruft darauf aus: „Bey der Juno, Ischomachus, dieß ist Beweises genug, daß deine Frau einen festen, männlichen Charakter hat!“ – – Man bemerke wohl, daß hier durch das Männliche weiter nichts als das Selbständige verstanden seyn kann: denn die Frau war fest, und sich selbst bestimmend in den eigenthümlichen Anlagen und Verhältnissen ihres Geschlechts.
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Zitationshilfe: | Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Dritten Theils erste Abtheilung: Aeltere Geschichte der Geschlechtsverbindung und Liebe. Leipzig, 1798, S. 112. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus0301_1798/112>, abgerufen am 16.02.2025. |