Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Zweyter Theil: Aesthetik der Liebe. Leipzig, 1798.

Bild:
<< vorherige Seite

sehr verschiedene Bestimmungen an. Denn er beschäftigt sich entweder überhaupt mit der Kenntniß der Verhältnisse der Menschen gegen das Reich vernünftiger Wesen, oder er unterwirft diese Verhältnisse den Gesetzen der Vernunft und des Verstandes, oder er stellt endlich nur solche Vorschriften auf, die von allen vernünftigen Wesen, als solchen, begriffen und befolgt werden können.

In diesem letzten Sinne, worin ich ihn allein von dem Aesthetiker, dem Gesetzgeber, dem Anstands- und Klugheitslehrer bestimmt unterscheiden kann, nehme ich den Moralisten bey der Frage: in wie fern veredelt er die Liebe?

Genau betrachtet, veredelt er sie gar nicht, sondern dieß ist Geschäft des Aesthetikers. Freylich hebt auch der Moralist die Liebe über das Gemeine empor, indem er allen Menschen, ohne Unterschied der Anlagen und der Bildung, vorschreibt, was sie thun und lassen sollen, um ihre liebenden Triebe dergestalt zu leiten, daß sie ihrer innern Würde, ihren Pflichten gegen Gott, und denjenigen, die sie gegen alle Menschen zu beobachten haben, nicht nachtheilig werden. Nimmt man das Wort Veredeln in dieser weitläuftigen Bedeutung, worin es bloß das Emporheben, oder auch das Vervollkommnen, das wahr und zweckmäßig Einrichten heißt; so veredelt der Moralist die Liebe allerdings. Denn ein liebender Mensch, der zugleich das vernünftige Wesen in sich selbst, in Gott und andern Menschen ehrt, und sich in seinen liebenden Gesinnungen durch diese Rücksichten, so wie durch die Gesetze des Wahren und Zweckmäßigen leiten läßt; ein solcher Mensch, sage ich, ragt unstreitig über denjenigen hervor, der bloß den Eindrücken

sehr verschiedene Bestimmungen an. Denn er beschäftigt sich entweder überhaupt mit der Kenntniß der Verhältnisse der Menschen gegen das Reich vernünftiger Wesen, oder er unterwirft diese Verhältnisse den Gesetzen der Vernunft und des Verstandes, oder er stellt endlich nur solche Vorschriften auf, die von allen vernünftigen Wesen, als solchen, begriffen und befolgt werden können.

In diesem letzten Sinne, worin ich ihn allein von dem Aesthetiker, dem Gesetzgeber, dem Anstands- und Klugheitslehrer bestimmt unterscheiden kann, nehme ich den Moralisten bey der Frage: in wie fern veredelt er die Liebe?

Genau betrachtet, veredelt er sie gar nicht, sondern dieß ist Geschäft des Aesthetikers. Freylich hebt auch der Moralist die Liebe über das Gemeine empor, indem er allen Menschen, ohne Unterschied der Anlagen und der Bildung, vorschreibt, was sie thun und lassen sollen, um ihre liebenden Triebe dergestalt zu leiten, daß sie ihrer innern Würde, ihren Pflichten gegen Gott, und denjenigen, die sie gegen alle Menschen zu beobachten haben, nicht nachtheilig werden. Nimmt man das Wort Veredeln in dieser weitläuftigen Bedeutung, worin es bloß das Emporheben, oder auch das Vervollkommnen, das wahr und zweckmäßig Einrichten heißt; so veredelt der Moralist die Liebe allerdings. Denn ein liebender Mensch, der zugleich das vernünftige Wesen in sich selbst, in Gott und andern Menschen ehrt, und sich in seinen liebenden Gesinnungen durch diese Rücksichten, so wie durch die Gesetze des Wahren und Zweckmäßigen leiten läßt; ein solcher Mensch, sage ich, ragt unstreitig über denjenigen hervor, der bloß den Eindrücken

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0070" n="70"/>
sehr verschiedene Bestimmungen an. Denn er beschäftigt sich entweder überhaupt mit der Kenntniß der Verhältnisse der Menschen gegen das Reich vernünftiger Wesen, oder er unterwirft diese Verhältnisse den Gesetzen der Vernunft und des Verstandes, oder er stellt endlich nur solche Vorschriften auf, die von allen vernünftigen Wesen, als solchen, begriffen und befolgt werden können.</p>
          <p>In diesem letzten Sinne, worin ich ihn allein von dem Aesthetiker, dem Gesetzgeber, dem Anstands- und Klugheitslehrer bestimmt unterscheiden kann, nehme ich den Moralisten bey der Frage: in wie fern veredelt er die Liebe?</p>
          <p>Genau betrachtet, veredelt er sie gar nicht, sondern dieß ist Geschäft des Aesthetikers. Freylich hebt auch der Moralist die Liebe über das Gemeine empor, indem er allen Menschen, ohne Unterschied der Anlagen und der Bildung, vorschreibt, was sie thun und lassen sollen, um ihre liebenden Triebe dergestalt zu leiten, daß sie ihrer innern Würde, ihren Pflichten gegen Gott, und denjenigen, die sie gegen alle Menschen zu beobachten haben, nicht nachtheilig werden. Nimmt man das Wort <hi rendition="#g">Veredeln</hi> in dieser weitläuftigen Bedeutung, worin es bloß das Emporheben, oder auch das Vervollkommnen, das wahr und zweckmäßig Einrichten heißt; so veredelt der Moralist die Liebe allerdings. Denn ein liebender Mensch, der zugleich das vernünftige Wesen in sich selbst, in Gott und andern Menschen ehrt, und sich in seinen liebenden Gesinnungen durch diese Rücksichten, so wie durch die Gesetze des Wahren und Zweckmäßigen leiten läßt; ein solcher Mensch, sage ich, ragt unstreitig über denjenigen hervor, der bloß den Eindrücken
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[70/0070] sehr verschiedene Bestimmungen an. Denn er beschäftigt sich entweder überhaupt mit der Kenntniß der Verhältnisse der Menschen gegen das Reich vernünftiger Wesen, oder er unterwirft diese Verhältnisse den Gesetzen der Vernunft und des Verstandes, oder er stellt endlich nur solche Vorschriften auf, die von allen vernünftigen Wesen, als solchen, begriffen und befolgt werden können. In diesem letzten Sinne, worin ich ihn allein von dem Aesthetiker, dem Gesetzgeber, dem Anstands- und Klugheitslehrer bestimmt unterscheiden kann, nehme ich den Moralisten bey der Frage: in wie fern veredelt er die Liebe? Genau betrachtet, veredelt er sie gar nicht, sondern dieß ist Geschäft des Aesthetikers. Freylich hebt auch der Moralist die Liebe über das Gemeine empor, indem er allen Menschen, ohne Unterschied der Anlagen und der Bildung, vorschreibt, was sie thun und lassen sollen, um ihre liebenden Triebe dergestalt zu leiten, daß sie ihrer innern Würde, ihren Pflichten gegen Gott, und denjenigen, die sie gegen alle Menschen zu beobachten haben, nicht nachtheilig werden. Nimmt man das Wort Veredeln in dieser weitläuftigen Bedeutung, worin es bloß das Emporheben, oder auch das Vervollkommnen, das wahr und zweckmäßig Einrichten heißt; so veredelt der Moralist die Liebe allerdings. Denn ein liebender Mensch, der zugleich das vernünftige Wesen in sich selbst, in Gott und andern Menschen ehrt, und sich in seinen liebenden Gesinnungen durch diese Rücksichten, so wie durch die Gesetze des Wahren und Zweckmäßigen leiten läßt; ein solcher Mensch, sage ich, ragt unstreitig über denjenigen hervor, der bloß den Eindrücken

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-11-20T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-11-20T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-11-20T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Wikisource:Editionsrichtlinien.
  • Der Seitenwechsel erfolgt bei Worttrennung nach dem gesamten Wort.
  • Geviertstriche (—) wurden durch Halbgeviertstriche ersetzt (–).
  • Übergeschriebenes „e“ über „a“, „o“ und „u“ wird als moderner Umlaut (ä, ö, ü) transkribiert.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus02_1798
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus02_1798/70
Zitationshilfe: Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Zweyter Theil: Aesthetik der Liebe. Leipzig, 1798, S. 70. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus02_1798/70>, abgerufen am 02.05.2024.