Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Zweyter Theil: Aesthetik der Liebe. Leipzig, 1798.

Bild:
<< vorherige Seite

weil sein Beyspiel nützlich für sein Volk wird. Aber die Wonne der Beschauung des Edeln der Liebe ist dahin.

Sie stellen uns einen Schmidt dar, der aus Liebe zu einer Mahlerstochter zum Mahler wurde. Wir nähern uns, und finden, daß er eben so wohl gethan haben würde, sein voriges Handwerk nicht zu verlassen. Sie schildern uns einen Liebhaber, der seine Geliebte bittet, den gestirnten Himmel nicht schön zu finden, weil er ihr den nicht geben kann! Welche Aufopferung! welche Feinheit! Wir nähern uns. - Es ist ein alter Geck, der in die Netze einer jungen Buhlerin gefallen ist, mit der er sein Vermögen und die schönen Worte verschwendet, die bey den Hoffräulein weiter keinen Eingang finden.

So sehr kommt es bey der Wonne der Beschauung auf den Platz an, wohin wir uns stellen! Der Künstler hat den Vorzug, daß er uns in seinem Reiche immer so weit von sich entfernt halten kann, daß wir den Zauberkreis nicht überschreiten. In der wirklichen Welt kommt es auf Verhältnisse an, die wir nicht immer in unserer Gewalt haben, und dasjenige, was uns Heute edel und schön scheint, ist Morgen vielleicht nur verehrungswürdig, schätzungswerth, interessierend, oder gar verächtlich, gleichgültig und unbedeutend.

Zwölftes Kapitel.

In wie fern die liebende Person als ein Bild absoluter Vollkommenheit erscheint.

Ich habe es schon gesagt, daß ein Ding, das in jeder Rücksicht vollkommen wäre, ein bloßes Verstandes- und Vernunftwesen sey, das keinen Gegenstand der Anschauung

weil sein Beyspiel nützlich für sein Volk wird. Aber die Wonne der Beschauung des Edeln der Liebe ist dahin.

Sie stellen uns einen Schmidt dar, der aus Liebe zu einer Mahlerstochter zum Mahler wurde. Wir nähern uns, und finden, daß er eben so wohl gethan haben würde, sein voriges Handwerk nicht zu verlassen. Sie schildern uns einen Liebhaber, der seine Geliebte bittet, den gestirnten Himmel nicht schön zu finden, weil er ihr den nicht geben kann! Welche Aufopferung! welche Feinheit! Wir nähern uns. – Es ist ein alter Geck, der in die Netze einer jungen Buhlerin gefallen ist, mit der er sein Vermögen und die schönen Worte verschwendet, die bey den Hoffräulein weiter keinen Eingang finden.

So sehr kommt es bey der Wonne der Beschauung auf den Platz an, wohin wir uns stellen! Der Künstler hat den Vorzug, daß er uns in seinem Reiche immer so weit von sich entfernt halten kann, daß wir den Zauberkreis nicht überschreiten. In der wirklichen Welt kommt es auf Verhältnisse an, die wir nicht immer in unserer Gewalt haben, und dasjenige, was uns Heute edel und schön scheint, ist Morgen vielleicht nur verehrungswürdig, schätzungswerth, interessierend, oder gar verächtlich, gleichgültig und unbedeutend.

Zwölftes Kapitel.

In wie fern die liebende Person als ein Bild absoluter Vollkommenheit erscheint.

Ich habe es schon gesagt, daß ein Ding, das in jeder Rücksicht vollkommen wäre, ein bloßes Verstandes- und Vernunftwesen sey, das keinen Gegenstand der Anschauung

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0065" n="65"/>
weil sein Beyspiel nützlich für sein Volk wird. Aber die Wonne der Beschauung des Edeln der Liebe ist dahin.</p>
          <p>Sie stellen uns einen Schmidt dar, der aus Liebe zu einer Mahlerstochter zum Mahler wurde. Wir nähern uns, und finden, daß er eben so wohl gethan haben würde, sein voriges Handwerk nicht zu verlassen. Sie schildern uns einen Liebhaber, der seine Geliebte bittet, den gestirnten Himmel nicht schön zu finden, weil er ihr den nicht geben kann! Welche Aufopferung! welche Feinheit! Wir nähern uns. &#x2013; Es ist ein alter Geck, der in die Netze einer jungen Buhlerin gefallen ist, mit der er sein Vermögen und die schönen Worte verschwendet, die bey den Hoffräulein weiter keinen Eingang finden.</p>
          <p>So sehr kommt es bey der Wonne der Beschauung auf den Platz an, wohin wir uns stellen! Der Künstler hat den Vorzug, daß er uns in seinem Reiche immer so weit von sich entfernt halten kann, daß wir den Zauberkreis nicht überschreiten. In der wirklichen Welt kommt es auf Verhältnisse an, die wir nicht immer in unserer Gewalt haben, und dasjenige, was uns Heute edel und schön scheint, ist Morgen vielleicht nur verehrungswürdig, schätzungswerth, interessierend, oder gar verächtlich, gleichgültig und unbedeutend.</p>
        </div>
        <div n="2">
          <head>Zwölftes Kapitel.<lb/></head>
          <argument>
            <p>In wie fern die liebende Person als ein Bild absoluter Vollkommenheit erscheint.<lb/></p>
          </argument>
          <p>Ich habe es schon gesagt, daß ein Ding, das in jeder Rücksicht vollkommen wäre, ein bloßes Verstandes- und Vernunftwesen sey, das keinen Gegenstand der Anschauung
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[65/0065] weil sein Beyspiel nützlich für sein Volk wird. Aber die Wonne der Beschauung des Edeln der Liebe ist dahin. Sie stellen uns einen Schmidt dar, der aus Liebe zu einer Mahlerstochter zum Mahler wurde. Wir nähern uns, und finden, daß er eben so wohl gethan haben würde, sein voriges Handwerk nicht zu verlassen. Sie schildern uns einen Liebhaber, der seine Geliebte bittet, den gestirnten Himmel nicht schön zu finden, weil er ihr den nicht geben kann! Welche Aufopferung! welche Feinheit! Wir nähern uns. – Es ist ein alter Geck, der in die Netze einer jungen Buhlerin gefallen ist, mit der er sein Vermögen und die schönen Worte verschwendet, die bey den Hoffräulein weiter keinen Eingang finden. So sehr kommt es bey der Wonne der Beschauung auf den Platz an, wohin wir uns stellen! Der Künstler hat den Vorzug, daß er uns in seinem Reiche immer so weit von sich entfernt halten kann, daß wir den Zauberkreis nicht überschreiten. In der wirklichen Welt kommt es auf Verhältnisse an, die wir nicht immer in unserer Gewalt haben, und dasjenige, was uns Heute edel und schön scheint, ist Morgen vielleicht nur verehrungswürdig, schätzungswerth, interessierend, oder gar verächtlich, gleichgültig und unbedeutend. Zwölftes Kapitel. In wie fern die liebende Person als ein Bild absoluter Vollkommenheit erscheint. Ich habe es schon gesagt, daß ein Ding, das in jeder Rücksicht vollkommen wäre, ein bloßes Verstandes- und Vernunftwesen sey, das keinen Gegenstand der Anschauung

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-11-20T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-11-20T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-11-20T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Wikisource:Editionsrichtlinien.
  • Der Seitenwechsel erfolgt bei Worttrennung nach dem gesamten Wort.
  • Geviertstriche (—) wurden durch Halbgeviertstriche ersetzt (–).
  • Übergeschriebenes „e“ über „a“, „o“ und „u“ wird als moderner Umlaut (ä, ö, ü) transkribiert.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus02_1798
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus02_1798/65
Zitationshilfe: Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Zweyter Theil: Aesthetik der Liebe. Leipzig, 1798, S. 65. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus02_1798/65>, abgerufen am 03.12.2024.