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Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Zweyter Theil: Aesthetik der Liebe. Leipzig, 1798.

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Ich habe das Edle für dasjenige erklärt, was durch seinen innern Gehalt unser höheres Wesen zur Wonne bey der bloßen Beschauung reitzt. Ich habe das Schöne für die Form der Dinge erklärt, die unser niederes Wesen bey der bloßen Beschauung zur Wonne reitzt. Ich habe endlich gezeigt, daß wenn das Edle und das Schöne unter Leitung des Verstandes und der Vernunft empfunden, und ihre Gesetze erfüllt werden, das unbestimmt Edle und Schöne ästhetisch werde.

Es kann aber die Uebereinstimmung mit den Gesetzen des Verstandes und der Vernunft auch unmittelbar Wonne erwecken, ohne daß eine Anwendung auf die herrschenden Triebe, oder die Sinnlichkeit unsers Geistes und unsers Instinktes dabey vorausgesetzt zu werden braucht. Im gemeinen Leben deutet man dieß dadurch an, daß man sagt, es ist schön, aber es hat nichts fürs Herz.

Dasjenige, was auf eine mehr als gewöhnliche Art mit den Gesetzen des Verstandes und der Vernunft übereinstimmt, nennen wir vollständig, vortrefflich, vollkommen. Alle drey Ausdrücke werden oft mit einander verwechselt. Ich will sie hier gleichfalls zusammenfassen. Inzwischen findet bey einiger aufmerksamen Prüfung ein Unterschied zwischen ihnen Statt, der auch im gemeinen Leben beobachtet wird. Was ausgezeichnet wahr ist, mithin alles zeigt, was wir nach festgesetzten Begriffen von seinem Wesen verlangen, um es in jeder Rücksicht für ein bestehendes Ganze von allen andern Ganzen seiner Gattung und Art abzusondern, und es dennoch als zu ihnen gehörig wieder zu erkennen, das nennen wir vollständig. Es befriedigt die Gesetze des Verstandes auf eine ausgezeichnete Art. So nennen wir eine Geschichte

Ich habe das Edle für dasjenige erklärt, was durch seinen innern Gehalt unser höheres Wesen zur Wonne bey der bloßen Beschauung reitzt. Ich habe das Schöne für die Form der Dinge erklärt, die unser niederes Wesen bey der bloßen Beschauung zur Wonne reitzt. Ich habe endlich gezeigt, daß wenn das Edle und das Schöne unter Leitung des Verstandes und der Vernunft empfunden, und ihre Gesetze erfüllt werden, das unbestimmt Edle und Schöne ästhetisch werde.

Es kann aber die Uebereinstimmung mit den Gesetzen des Verstandes und der Vernunft auch unmittelbar Wonne erwecken, ohne daß eine Anwendung auf die herrschenden Triebe, oder die Sinnlichkeit unsers Geistes und unsers Instinktes dabey vorausgesetzt zu werden braucht. Im gemeinen Leben deutet man dieß dadurch an, daß man sagt, es ist schön, aber es hat nichts fürs Herz.

Dasjenige, was auf eine mehr als gewöhnliche Art mit den Gesetzen des Verstandes und der Vernunft übereinstimmt, nennen wir vollständig, vortrefflich, vollkommen. Alle drey Ausdrücke werden oft mit einander verwechselt. Ich will sie hier gleichfalls zusammenfassen. Inzwischen findet bey einiger aufmerksamen Prüfung ein Unterschied zwischen ihnen Statt, der auch im gemeinen Leben beobachtet wird. Was ausgezeichnet wahr ist, mithin alles zeigt, was wir nach festgesetzten Begriffen von seinem Wesen verlangen, um es in jeder Rücksicht für ein bestehendes Ganze von allen andern Ganzen seiner Gattung und Art abzusondern, und es dennoch als zu ihnen gehörig wieder zu erkennen, das nennen wir vollständig. Es befriedigt die Gesetze des Verstandes auf eine ausgezeichnete Art. So nennen wir eine Geschichte

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[41/0041] Ich habe das Edle für dasjenige erklärt, was durch seinen innern Gehalt unser höheres Wesen zur Wonne bey der bloßen Beschauung reitzt. Ich habe das Schöne für die Form der Dinge erklärt, die unser niederes Wesen bey der bloßen Beschauung zur Wonne reitzt. Ich habe endlich gezeigt, daß wenn das Edle und das Schöne unter Leitung des Verstandes und der Vernunft empfunden, und ihre Gesetze erfüllt werden, das unbestimmt Edle und Schöne ästhetisch werde. Es kann aber die Uebereinstimmung mit den Gesetzen des Verstandes und der Vernunft auch unmittelbar Wonne erwecken, ohne daß eine Anwendung auf die herrschenden Triebe, oder die Sinnlichkeit unsers Geistes und unsers Instinktes dabey vorausgesetzt zu werden braucht. Im gemeinen Leben deutet man dieß dadurch an, daß man sagt, es ist schön, aber es hat nichts fürs Herz. Dasjenige, was auf eine mehr als gewöhnliche Art mit den Gesetzen des Verstandes und der Vernunft übereinstimmt, nennen wir vollständig, vortrefflich, vollkommen. Alle drey Ausdrücke werden oft mit einander verwechselt. Ich will sie hier gleichfalls zusammenfassen. Inzwischen findet bey einiger aufmerksamen Prüfung ein Unterschied zwischen ihnen Statt, der auch im gemeinen Leben beobachtet wird. Was ausgezeichnet wahr ist, mithin alles zeigt, was wir nach festgesetzten Begriffen von seinem Wesen verlangen, um es in jeder Rücksicht für ein bestehendes Ganze von allen andern Ganzen seiner Gattung und Art abzusondern, und es dennoch als zu ihnen gehörig wieder zu erkennen, das nennen wir vollständig. Es befriedigt die Gesetze des Verstandes auf eine ausgezeichnete Art. So nennen wir eine Geschichte

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Zitationshilfe: Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Zweyter Theil: Aesthetik der Liebe. Leipzig, 1798, S. 41. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus02_1798/41>, abgerufen am 29.03.2024.