Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Zweyter Theil: Aesthetik der Liebe. Leipzig, 1798.

Bild:
<< vorherige Seite

für unsre Selbstheit oder Sympathie denken, und diesen als den Zustand beachten sollten, warum uns das Bild gefiele. Unsre Aufmerksamkeit bleibt vielmehr von unserm wirklichen Zustande ab, und auf die Eigenthümlichkeiten des äußern Gegenstandes hingeleitet. Was bey den Werken der schönen Künste so auffallend ist, das kann auch bey wirklichen Gegenständen Statt finden. Wer wird es läugnen wollen, daß wir eine vegetierende Frucht, ein lebendes Weib, eine Situation im gemeinen Leben unter gewissen Verhältnissen mit Wollust und Wonne beschauen können, ohne Eßlust, Lüsternheit und Begierde nach wirklicher Theilnehmung zu empfinden?

Ich glaube hierdurch den vorhin aufgestellten Begriff des Schönen gerechtfertigt zu haben: es ist die Form, der Schein der Gegenstände, der auf unser niederes Wesen bey der bloßen Beschauung Wollust und Wonne erweckt.

Ehe ich den Unterschied zwischen dem unbestimmten Schönen und dem ästhetisch Schönen entwickle, sey es mir erlaubt, einen bereits bemerkten Umstand noch einmahl in Erinnerung zu bringen. Das Schöne wird nur dann in der angegebenen eingeschränkten Bedeutung genommen, wenn es dem Edeln entgegengesetzt wird. Sonst wird überhaupt alles, was wollüstig und wonnevoll auf den Beschauungshang überhaupt wirkt, mit dem Nahmen des Schönen bezeichnet.

Das Schöne wird aber dem Edeln in einer doppelten Beziehung entgegengesetzt: Ein Mahl, in so fern wir auf das Wesen und die Bestimmung der Bilder, die unsern Beschauungshang reitzen, überhaupt Rücksicht nehmen, und diese unter sich in Formen und Wirklichkeiten eintheilen: dann, in so fern wir an jedem einzelnen

für unsre Selbstheit oder Sympathie denken, und diesen als den Zustand beachten sollten, warum uns das Bild gefiele. Unsre Aufmerksamkeit bleibt vielmehr von unserm wirklichen Zustande ab, und auf die Eigenthümlichkeiten des äußern Gegenstandes hingeleitet. Was bey den Werken der schönen Künste so auffallend ist, das kann auch bey wirklichen Gegenständen Statt finden. Wer wird es läugnen wollen, daß wir eine vegetierende Frucht, ein lebendes Weib, eine Situation im gemeinen Leben unter gewissen Verhältnissen mit Wollust und Wonne beschauen können, ohne Eßlust, Lüsternheit und Begierde nach wirklicher Theilnehmung zu empfinden?

Ich glaube hierdurch den vorhin aufgestellten Begriff des Schönen gerechtfertigt zu haben: es ist die Form, der Schein der Gegenstände, der auf unser niederes Wesen bey der bloßen Beschauung Wollust und Wonne erweckt.

Ehe ich den Unterschied zwischen dem unbestimmten Schönen und dem ästhetisch Schönen entwickle, sey es mir erlaubt, einen bereits bemerkten Umstand noch einmahl in Erinnerung zu bringen. Das Schöne wird nur dann in der angegebenen eingeschränkten Bedeutung genommen, wenn es dem Edeln entgegengesetzt wird. Sonst wird überhaupt alles, was wollüstig und wonnevoll auf den Beschauungshang überhaupt wirkt, mit dem Nahmen des Schönen bezeichnet.

Das Schöne wird aber dem Edeln in einer doppelten Beziehung entgegengesetzt: Ein Mahl, in so fern wir auf das Wesen und die Bestimmung der Bilder, die unsern Beschauungshang reitzen, überhaupt Rücksicht nehmen, und diese unter sich in Formen und Wirklichkeiten eintheilen: dann, in so fern wir an jedem einzelnen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0034" n="34"/>
für unsre Selbstheit oder Sympathie denken, und diesen als den Zustand beachten sollten, warum uns das Bild gefiele. Unsre Aufmerksamkeit bleibt vielmehr von unserm wirklichen Zustande ab, und auf die Eigenthümlichkeiten des äußern Gegenstandes hingeleitet. Was bey den Werken der schönen Künste so auffallend ist, das kann auch bey wirklichen Gegenständen Statt finden. Wer wird es läugnen wollen, daß wir eine vegetierende Frucht, ein lebendes Weib, eine Situation im gemeinen Leben unter gewissen Verhältnissen mit Wollust und Wonne beschauen können, ohne Eßlust, Lüsternheit und Begierde nach wirklicher Theilnehmung zu empfinden?</p>
          <p>Ich glaube hierdurch den vorhin aufgestellten Begriff des Schönen gerechtfertigt zu haben: <hi rendition="#g">es ist die Form</hi>, <hi rendition="#g">der Schein der Gegenstände</hi>, <hi rendition="#g">der auf unser niederes Wesen bey der bloßen Beschauung Wollust und Wonne erweckt</hi>.</p>
          <p>Ehe ich den Unterschied zwischen dem unbestimmten Schönen und dem ästhetisch Schönen entwickle, sey es mir erlaubt, einen bereits bemerkten Umstand noch einmahl in Erinnerung zu bringen. Das Schöne wird nur dann in der angegebenen eingeschränkten Bedeutung genommen, wenn es dem Edeln entgegengesetzt wird. Sonst wird überhaupt alles, was wollüstig und wonnevoll auf den Beschauungshang überhaupt wirkt, mit dem Nahmen des Schönen bezeichnet.</p>
          <p>Das Schöne wird aber dem Edeln in einer doppelten Beziehung entgegengesetzt: Ein Mahl, in so fern wir auf das Wesen und die Bestimmung der Bilder, die unsern Beschauungshang reitzen, überhaupt Rücksicht nehmen, und diese unter sich in Formen und Wirklichkeiten eintheilen: dann, in so fern wir an jedem einzelnen
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[34/0034] für unsre Selbstheit oder Sympathie denken, und diesen als den Zustand beachten sollten, warum uns das Bild gefiele. Unsre Aufmerksamkeit bleibt vielmehr von unserm wirklichen Zustande ab, und auf die Eigenthümlichkeiten des äußern Gegenstandes hingeleitet. Was bey den Werken der schönen Künste so auffallend ist, das kann auch bey wirklichen Gegenständen Statt finden. Wer wird es läugnen wollen, daß wir eine vegetierende Frucht, ein lebendes Weib, eine Situation im gemeinen Leben unter gewissen Verhältnissen mit Wollust und Wonne beschauen können, ohne Eßlust, Lüsternheit und Begierde nach wirklicher Theilnehmung zu empfinden? Ich glaube hierdurch den vorhin aufgestellten Begriff des Schönen gerechtfertigt zu haben: es ist die Form, der Schein der Gegenstände, der auf unser niederes Wesen bey der bloßen Beschauung Wollust und Wonne erweckt. Ehe ich den Unterschied zwischen dem unbestimmten Schönen und dem ästhetisch Schönen entwickle, sey es mir erlaubt, einen bereits bemerkten Umstand noch einmahl in Erinnerung zu bringen. Das Schöne wird nur dann in der angegebenen eingeschränkten Bedeutung genommen, wenn es dem Edeln entgegengesetzt wird. Sonst wird überhaupt alles, was wollüstig und wonnevoll auf den Beschauungshang überhaupt wirkt, mit dem Nahmen des Schönen bezeichnet. Das Schöne wird aber dem Edeln in einer doppelten Beziehung entgegengesetzt: Ein Mahl, in so fern wir auf das Wesen und die Bestimmung der Bilder, die unsern Beschauungshang reitzen, überhaupt Rücksicht nehmen, und diese unter sich in Formen und Wirklichkeiten eintheilen: dann, in so fern wir an jedem einzelnen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-11-20T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-11-20T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-11-20T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Wikisource:Editionsrichtlinien.
  • Der Seitenwechsel erfolgt bei Worttrennung nach dem gesamten Wort.
  • Geviertstriche (—) wurden durch Halbgeviertstriche ersetzt (–).
  • Übergeschriebenes „e“ über „a“, „o“ und „u“ wird als moderner Umlaut (ä, ö, ü) transkribiert.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus02_1798
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus02_1798/34
Zitationshilfe: Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Zweyter Theil: Aesthetik der Liebe. Leipzig, 1798, S. 34. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus02_1798/34>, abgerufen am 22.11.2024.