Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Zweyter Theil: Aesthetik der Liebe. Leipzig, 1798.

Bild:
<< vorherige Seite

Es läßt sich aber auch der Begriff des Vollkommnen in seiner Art und des Edeln auf dieß gesellige unterhaltende Wesen anwenden. Wer in allen Fächern, die zum Gebiet der geselligen Unterhaltung gehören, die ausgebreitetsten Kenntnisse, die größte Fülle, Abwechselung, Richtigkeit, Nutzbarkeit der Ideen besitzt, diese mit dem faßlichsten, lebhaftesten, einnehmendsten Vortrage verbindet; wer dem gebildetsten und dem ungebildetsten Denker zugleich Interesse zu gewähren weiß; wer nie andere durch seine Superiorität zurückscheucht, ihnen vielmehr Vertrauen zu sich selbst einflößt, ihren Geist weckt, und ihnen Gelegenheit giebt, sich zu ihrem eigenen und der Gesellschaft Vortheil zu zeigen; - der ist gewiß ein vollkommen geselliger Unterhalter, der zugleich oft das Gefühl des Edeln erwecken mag. Er kann auch schön werden dieser gesellige Unterhalter! Seine Geberden, sein Ton, die Affluenz und der Wohlklang seiner Worte, die Bilder unter denen er seine Gedanken und Gefühle darstellt, können auf den niedern Anschauungssinn wirken, und, ganz unabhängig von dem innern Gehalt, seine Unterhaltung schmücken. Durch dieß Mittel wird oft ein Stoff, der an und für sich für die Conversation nicht passend war, auf den der Begriff des Vollkommenen in keinem Falle zutrifft, Reitze erhalten, die ihn zu dieser Bestimmung fähig machen. Ich habe Schönsprecher gekannt, (und wer hat sie nicht gekannt, der jemahls Paris gesehen hat!) welche die abstraktesten Wahrheiten, die sie selbst nicht verstanden, einem Haufen vortrugen, der sie eben so wenig verstand, aber seine Aufmerksamkeit, vermöge der sonoren und biegsamen Stimme des Sprechers, eines unerschöpflichen Stroms wohlgebaueter Perioden, und der Hervorzauberung

Es läßt sich aber auch der Begriff des Vollkommnen in seiner Art und des Edeln auf dieß gesellige unterhaltende Wesen anwenden. Wer in allen Fächern, die zum Gebiet der geselligen Unterhaltung gehören, die ausgebreitetsten Kenntnisse, die größte Fülle, Abwechselung, Richtigkeit, Nutzbarkeit der Ideen besitzt, diese mit dem faßlichsten, lebhaftesten, einnehmendsten Vortrage verbindet; wer dem gebildetsten und dem ungebildetsten Denker zugleich Interesse zu gewähren weiß; wer nie andere durch seine Superiorität zurückscheucht, ihnen vielmehr Vertrauen zu sich selbst einflößt, ihren Geist weckt, und ihnen Gelegenheit giebt, sich zu ihrem eigenen und der Gesellschaft Vortheil zu zeigen; – der ist gewiß ein vollkommen geselliger Unterhalter, der zugleich oft das Gefühl des Edeln erwecken mag. Er kann auch schön werden dieser gesellige Unterhalter! Seine Geberden, sein Ton, die Affluenz und der Wohlklang seiner Worte, die Bilder unter denen er seine Gedanken und Gefühle darstellt, können auf den niedern Anschauungssinn wirken, und, ganz unabhängig von dem innern Gehalt, seine Unterhaltung schmücken. Durch dieß Mittel wird oft ein Stoff, der an und für sich für die Conversation nicht passend war, auf den der Begriff des Vollkommenen in keinem Falle zutrifft, Reitze erhalten, die ihn zu dieser Bestimmung fähig machen. Ich habe Schönsprecher gekannt, (und wer hat sie nicht gekannt, der jemahls Paris gesehen hat!) welche die abstraktesten Wahrheiten, die sie selbst nicht verstanden, einem Haufen vortrugen, der sie eben so wenig verstand, aber seine Aufmerksamkeit, vermöge der sonoren und biegsamen Stimme des Sprechers, eines unerschöpflichen Stroms wohlgebaueter Perioden, und der Hervorzauberung

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0236" n="236"/>
          <p>Es läßt sich aber auch der Begriff des Vollkommnen in seiner Art und des Edeln auf dieß gesellige unterhaltende Wesen anwenden. Wer in allen Fächern, die zum Gebiet der geselligen Unterhaltung gehören, die ausgebreitetsten Kenntnisse, die größte Fülle, Abwechselung, Richtigkeit, Nutzbarkeit der Ideen besitzt, diese mit dem faßlichsten, lebhaftesten, einnehmendsten Vortrage verbindet; wer dem gebildetsten und dem ungebildetsten Denker zugleich Interesse zu gewähren weiß; wer nie andere durch seine Superiorität zurückscheucht, ihnen vielmehr Vertrauen zu sich selbst einflößt, ihren Geist weckt, und ihnen Gelegenheit giebt, sich zu ihrem eigenen und der Gesellschaft Vortheil zu zeigen; &#x2013; der ist gewiß ein vollkommen geselliger Unterhalter, der zugleich oft das Gefühl des Edeln erwecken mag. Er kann auch schön werden dieser gesellige Unterhalter! Seine Geberden, sein Ton, die Affluenz und der Wohlklang seiner Worte, die Bilder unter denen er seine Gedanken und Gefühle darstellt, können auf den niedern Anschauungssinn wirken, und, ganz unabhängig von dem innern Gehalt, seine Unterhaltung schmücken. Durch dieß Mittel wird oft ein Stoff, der an und für sich für die Conversation nicht passend war, auf den der Begriff des Vollkommenen in keinem Falle zutrifft, Reitze erhalten, die ihn zu dieser Bestimmung fähig machen. Ich habe Schönsprecher gekannt, (und wer hat sie nicht gekannt, der jemahls Paris gesehen hat!) welche die abstraktesten Wahrheiten, die sie selbst nicht verstanden, einem Haufen vortrugen, der sie eben so wenig verstand, aber seine Aufmerksamkeit, vermöge der sonoren und biegsamen Stimme des Sprechers, eines unerschöpflichen Stroms wohlgebaueter Perioden, und der Hervorzauberung
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[236/0236] Es läßt sich aber auch der Begriff des Vollkommnen in seiner Art und des Edeln auf dieß gesellige unterhaltende Wesen anwenden. Wer in allen Fächern, die zum Gebiet der geselligen Unterhaltung gehören, die ausgebreitetsten Kenntnisse, die größte Fülle, Abwechselung, Richtigkeit, Nutzbarkeit der Ideen besitzt, diese mit dem faßlichsten, lebhaftesten, einnehmendsten Vortrage verbindet; wer dem gebildetsten und dem ungebildetsten Denker zugleich Interesse zu gewähren weiß; wer nie andere durch seine Superiorität zurückscheucht, ihnen vielmehr Vertrauen zu sich selbst einflößt, ihren Geist weckt, und ihnen Gelegenheit giebt, sich zu ihrem eigenen und der Gesellschaft Vortheil zu zeigen; – der ist gewiß ein vollkommen geselliger Unterhalter, der zugleich oft das Gefühl des Edeln erwecken mag. Er kann auch schön werden dieser gesellige Unterhalter! Seine Geberden, sein Ton, die Affluenz und der Wohlklang seiner Worte, die Bilder unter denen er seine Gedanken und Gefühle darstellt, können auf den niedern Anschauungssinn wirken, und, ganz unabhängig von dem innern Gehalt, seine Unterhaltung schmücken. Durch dieß Mittel wird oft ein Stoff, der an und für sich für die Conversation nicht passend war, auf den der Begriff des Vollkommenen in keinem Falle zutrifft, Reitze erhalten, die ihn zu dieser Bestimmung fähig machen. Ich habe Schönsprecher gekannt, (und wer hat sie nicht gekannt, der jemahls Paris gesehen hat!) welche die abstraktesten Wahrheiten, die sie selbst nicht verstanden, einem Haufen vortrugen, der sie eben so wenig verstand, aber seine Aufmerksamkeit, vermöge der sonoren und biegsamen Stimme des Sprechers, eines unerschöpflichen Stroms wohlgebaueter Perioden, und der Hervorzauberung

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-11-20T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-11-20T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-11-20T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Wikisource:Editionsrichtlinien.
  • Der Seitenwechsel erfolgt bei Worttrennung nach dem gesamten Wort.
  • Geviertstriche (—) wurden durch Halbgeviertstriche ersetzt (–).
  • Übergeschriebenes „e“ über „a“, „o“ und „u“ wird als moderner Umlaut (ä, ö, ü) transkribiert.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus02_1798
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus02_1798/236
Zitationshilfe: Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Zweyter Theil: Aesthetik der Liebe. Leipzig, 1798, S. 236. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus02_1798/236>, abgerufen am 04.05.2024.