Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Zweyter Theil: Aesthetik der Liebe. Leipzig, 1798.öffentlicher Freudenmädchen und ausschweifender Männer entgegenstellt, beweisen nichts. Man kann weder über den Grad ihrer Sittenlosigkeit zuverlässig urtheilen, noch genau bestimmen, ob nicht Eitelkeit, oder eine vorübergehende Aufwallung von Mitleid der Grund von Handlungen gewesen sey, welche zwar in ihren Folgen liebenden Gesinnungen ähnelten, aber für ihr wirkliches Daseyn nichts beweisen. Wehe aber, wenn nun gar das heiße Blut dem Hochmuth und der Habsucht untergeordnet wird, und beyde zusammen befriedigt werden sollen! Denkt an jene Tartüffen und Prüden! denkt an manche Fürstin, welche die Befriedigung zügelloser Begierden mit dem Zwange der Etiquette zu vereinigen sucht! Da ihre Lage sich dauernden und zärtlichen Verbindungen mit dem andern Geschlechte gemeiniglich ganz widersetzt; so suchen sie nur diejenigen Freuden bey dem Manne auf, die der Augenblick ohne Aufsehn und weitere Folgen darbietet. Die Heftigkeit ihrer Begierden wird durch die Hindernisse, die sie finden, noch vermehrt; sie verwandelt sich in eine Wuth, die sie ganz auf Kosten des begehrten Gegenstandes befriedigen. Mehr als Einmahl hat das unglückliche Werkzeug ihrer einseitigen thierischen Freuden mit seinem Leben und mit seinem Glück die Spuren ihrer Schande bedecken müssen. Eben so wenig beweiset das Daseyn des heißen Bluts unbedingt für die Anlage zum Gefühl des Vollkommenen, Edeln und Schönen. Bey einer schamlosen und sogar nur häufigen Befriedigung des unnennbaren Triebes geht die höhere Reitzbarkeit der Seelenkräfte überhaupt, so wie besonders der Phantasie, leicht verloren. Man darf sich hier nicht auf Wollüstlinge berufen, welche öffentlicher Freudenmädchen und ausschweifender Männer entgegenstellt, beweisen nichts. Man kann weder über den Grad ihrer Sittenlosigkeit zuverlässig urtheilen, noch genau bestimmen, ob nicht Eitelkeit, oder eine vorübergehende Aufwallung von Mitleid der Grund von Handlungen gewesen sey, welche zwar in ihren Folgen liebenden Gesinnungen ähnelten, aber für ihr wirkliches Daseyn nichts beweisen. Wehe aber, wenn nun gar das heiße Blut dem Hochmuth und der Habsucht untergeordnet wird, und beyde zusammen befriedigt werden sollen! Denkt an jene Tartüffen und Prüden! denkt an manche Fürstin, welche die Befriedigung zügelloser Begierden mit dem Zwange der Etiquette zu vereinigen sucht! Da ihre Lage sich dauernden und zärtlichen Verbindungen mit dem andern Geschlechte gemeiniglich ganz widersetzt; so suchen sie nur diejenigen Freuden bey dem Manne auf, die der Augenblick ohne Aufsehn und weitere Folgen darbietet. Die Heftigkeit ihrer Begierden wird durch die Hindernisse, die sie finden, noch vermehrt; sie verwandelt sich in eine Wuth, die sie ganz auf Kosten des begehrten Gegenstandes befriedigen. Mehr als Einmahl hat das unglückliche Werkzeug ihrer einseitigen thierischen Freuden mit seinem Leben und mit seinem Glück die Spuren ihrer Schande bedecken müssen. Eben so wenig beweiset das Daseyn des heißen Bluts unbedingt für die Anlage zum Gefühl des Vollkommenen, Edeln und Schönen. Bey einer schamlosen und sogar nur häufigen Befriedigung des unnennbaren Triebes geht die höhere Reitzbarkeit der Seelenkräfte überhaupt, so wie besonders der Phantasie, leicht verloren. Man darf sich hier nicht auf Wollüstlinge berufen, welche <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0148" n="148"/> öffentlicher Freudenmädchen und ausschweifender Männer entgegenstellt, beweisen nichts. Man kann weder über den Grad ihrer Sittenlosigkeit zuverlässig urtheilen, noch genau bestimmen, ob nicht Eitelkeit, oder eine vorübergehende Aufwallung von Mitleid der Grund von Handlungen gewesen sey, welche zwar in ihren Folgen liebenden Gesinnungen ähnelten, aber für ihr wirkliches Daseyn nichts beweisen.</p> <p>Wehe aber, wenn nun gar das heiße Blut dem Hochmuth und der Habsucht untergeordnet wird, und beyde zusammen befriedigt werden sollen! Denkt an jene Tartüffen und Prüden! denkt an manche Fürstin, welche die Befriedigung zügelloser Begierden mit dem Zwange der Etiquette zu vereinigen sucht! Da ihre Lage sich dauernden und zärtlichen Verbindungen mit dem andern Geschlechte gemeiniglich ganz widersetzt; so suchen sie nur diejenigen Freuden bey dem Manne auf, die der Augenblick ohne Aufsehn und weitere Folgen darbietet. Die Heftigkeit ihrer Begierden wird durch die Hindernisse, die sie finden, noch vermehrt; sie verwandelt sich in eine Wuth, die sie ganz auf Kosten des begehrten Gegenstandes befriedigen. Mehr als Einmahl hat das unglückliche Werkzeug ihrer einseitigen thierischen Freuden mit seinem Leben und mit seinem Glück die Spuren ihrer Schande bedecken müssen.</p> <p>Eben so wenig beweiset das Daseyn des heißen Bluts unbedingt für die Anlage zum Gefühl des Vollkommenen, Edeln und Schönen. Bey einer schamlosen und sogar nur häufigen Befriedigung des unnennbaren Triebes geht die höhere Reitzbarkeit der Seelenkräfte überhaupt, so wie besonders der Phantasie, leicht verloren. Man darf sich hier nicht auf Wollüstlinge berufen, welche </p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [148/0148]
öffentlicher Freudenmädchen und ausschweifender Männer entgegenstellt, beweisen nichts. Man kann weder über den Grad ihrer Sittenlosigkeit zuverlässig urtheilen, noch genau bestimmen, ob nicht Eitelkeit, oder eine vorübergehende Aufwallung von Mitleid der Grund von Handlungen gewesen sey, welche zwar in ihren Folgen liebenden Gesinnungen ähnelten, aber für ihr wirkliches Daseyn nichts beweisen.
Wehe aber, wenn nun gar das heiße Blut dem Hochmuth und der Habsucht untergeordnet wird, und beyde zusammen befriedigt werden sollen! Denkt an jene Tartüffen und Prüden! denkt an manche Fürstin, welche die Befriedigung zügelloser Begierden mit dem Zwange der Etiquette zu vereinigen sucht! Da ihre Lage sich dauernden und zärtlichen Verbindungen mit dem andern Geschlechte gemeiniglich ganz widersetzt; so suchen sie nur diejenigen Freuden bey dem Manne auf, die der Augenblick ohne Aufsehn und weitere Folgen darbietet. Die Heftigkeit ihrer Begierden wird durch die Hindernisse, die sie finden, noch vermehrt; sie verwandelt sich in eine Wuth, die sie ganz auf Kosten des begehrten Gegenstandes befriedigen. Mehr als Einmahl hat das unglückliche Werkzeug ihrer einseitigen thierischen Freuden mit seinem Leben und mit seinem Glück die Spuren ihrer Schande bedecken müssen.
Eben so wenig beweiset das Daseyn des heißen Bluts unbedingt für die Anlage zum Gefühl des Vollkommenen, Edeln und Schönen. Bey einer schamlosen und sogar nur häufigen Befriedigung des unnennbaren Triebes geht die höhere Reitzbarkeit der Seelenkräfte überhaupt, so wie besonders der Phantasie, leicht verloren. Man darf sich hier nicht auf Wollüstlinge berufen, welche
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax.
(2012-11-20T10:30:31Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2012-11-20T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat.
(2012-11-20T10:30:31Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |