Ich glaube nicht! Ich habe nirgends eine vollständige Sittenlehre der Liebe versprochen. Ich habe eine Abhandlung über die Veredlung und Verschönerung der Liebe angekündigt, und diese hoffe ich zu liefern. Wenn man darunter etwas gesucht hat, was man nach bestimmten Begriffen von demjenigen, was Edel und Schön ist, zu erwarten nicht berechtigt war, so ist dieß nicht meine Schuld.
Allein wer einmahl gelernt hat, die Gesetze des Verstandes und der Vernunft auf den Beschauungshang anzuwenden, dem kann es nicht schwer fallen, auch die übrigen Verhältnisse darunter zu bringen, in welche der Mensch zu den Gegenständen, die ihn auf andre Art reitzen, zu stehen kommt. Unstreitig ist diejenige Anwendung jener Gesetze auf das Verhalten des Menschen, die ich versucht habe, die schwerste unter allen. Die Aesthetik steht aber auch mit der Moral, mit der Politik, mit der Anstands- und Klugheitslehre in sehr genauer Verbindung. Sie hütet sich nicht allein, die Vorschriften dieser Lehren zu beleidigen, damit die Wonne an der Beschauung nicht gestört werde; sie
Ich glaube nicht! Ich habe nirgends eine vollständige Sittenlehre der Liebe versprochen. Ich habe eine Abhandlung über die Veredlung und Verschönerung der Liebe angekündigt, und diese hoffe ich zu liefern. Wenn man darunter etwas gesucht hat, was man nach bestimmten Begriffen von demjenigen, was Edel und Schön ist, zu erwarten nicht berechtigt war, so ist dieß nicht meine Schuld.
Allein wer einmahl gelernt hat, die Gesetze des Verstandes und der Vernunft auf den Beschauungshang anzuwenden, dem kann es nicht schwer fallen, auch die übrigen Verhältnisse darunter zu bringen, in welche der Mensch zu den Gegenständen, die ihn auf andre Art reitzen, zu stehen kommt. Unstreitig ist diejenige Anwendung jener Gesetze auf das Verhalten des Menschen, die ich versucht habe, die schwerste unter allen. Die Aesthetik steht aber auch mit der Moral, mit der Politik, mit der Anstands- und Klugheitslehre in sehr genauer Verbindung. Sie hütet sich nicht allein, die Vorschriften dieser Lehren zu beleidigen, damit die Wonne an der Beschauung nicht gestört werde; sie
<TEI><text><front><divtype="preface"n="1"><p><pbfacs="#f0011"n="11"/>
Ich glaube nicht! Ich habe nirgends eine vollständige Sittenlehre der Liebe versprochen. Ich habe eine Abhandlung über die Veredlung und Verschönerung der Liebe angekündigt, und diese hoffe ich zu liefern. Wenn man darunter etwas gesucht hat, was man nach bestimmten Begriffen von demjenigen, was Edel und Schön ist, zu erwarten nicht berechtigt war, so ist dieß nicht meine Schuld.</p><p>Allein wer einmahl gelernt hat, die Gesetze des Verstandes und der Vernunft auf den Beschauungshang anzuwenden, dem kann es nicht schwer fallen, auch die übrigen Verhältnisse darunter zu bringen, in welche der Mensch zu den Gegenständen, die ihn auf andre Art reitzen, zu stehen kommt. Unstreitig ist diejenige Anwendung jener Gesetze auf das Verhalten des Menschen, die ich versucht habe, die schwerste unter allen. Die Aesthetik steht aber auch mit der Moral, mit der Politik, mit der Anstands- und Klugheitslehre in sehr genauer Verbindung. Sie hütet sich nicht allein, die Vorschriften dieser Lehren zu beleidigen, damit die Wonne an der Beschauung nicht gestört werde; sie
</p></div></front></text></TEI>
[11/0011]
Ich glaube nicht! Ich habe nirgends eine vollständige Sittenlehre der Liebe versprochen. Ich habe eine Abhandlung über die Veredlung und Verschönerung der Liebe angekündigt, und diese hoffe ich zu liefern. Wenn man darunter etwas gesucht hat, was man nach bestimmten Begriffen von demjenigen, was Edel und Schön ist, zu erwarten nicht berechtigt war, so ist dieß nicht meine Schuld.
Allein wer einmahl gelernt hat, die Gesetze des Verstandes und der Vernunft auf den Beschauungshang anzuwenden, dem kann es nicht schwer fallen, auch die übrigen Verhältnisse darunter zu bringen, in welche der Mensch zu den Gegenständen, die ihn auf andre Art reitzen, zu stehen kommt. Unstreitig ist diejenige Anwendung jener Gesetze auf das Verhalten des Menschen, die ich versucht habe, die schwerste unter allen. Die Aesthetik steht aber auch mit der Moral, mit der Politik, mit der Anstands- und Klugheitslehre in sehr genauer Verbindung. Sie hütet sich nicht allein, die Vorschriften dieser Lehren zu beleidigen, damit die Wonne an der Beschauung nicht gestört werde; sie
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
Weitere Informationen …
Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax.
(2012-11-20T10:30:31Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2012-11-20T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat.
(2012-11-20T10:30:31Z)
Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Zweyter Theil: Aesthetik der Liebe. Leipzig, 1798, S. 11. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus02_1798/11>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.