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Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Zweyter Theil: Aesthetik der Liebe. Leipzig, 1798.

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einer häuslichen Zärtlichkeit, bald darauf der Leidenschaft. Sie wohnten bey einander, und selten waren sie getrennt. Aber wenn sie es waren, so erwarteten sie den Augenblick des Wiedersehens mit der heftigsten Unruhe, und mit der lebhaftesten Ungeduld. Ein feines Feuer durchglühte ihre Adern bey jeder zufälligen Berührung; ihr unvermutheter Anblick flößte ihnen unerklärbare Wonne ein. Nächte durchwachten sie zusammen, und wenn der grauende Morgen sie endlich zwang eine Ruhe zu suchen, die der rege Geist dem ermatteten Körper versagte; so dehnte sich ihr Abschied an der Schwelle der Thür noch zu Stundenlangen Unterredungen aus. Wer hätte es vermuthen können, daß andere, als bloß geistige Affekte das Band unter ihnen knüpften! Dachten sie sich doch einander unter dem Bilde edler Geister, die zusammen der Vollkommenheit nachstreben, voll von Begierde nach Weisheit und Tugend! Glückliche Zeit, an welche derjenige, der sie mit empfand, nie ohne Rührung wird denken können! Sie verschwand aber bald, wie ein schöner Traum! Es folgten Eifersucht bey der geringsten Zuvorkommung gegen fremde Jünglinge, Furcht vor Erkaltung, Vorwürfe, Wiederaussöhnung, - und - wer wird es glauben? - bey einer von diesen, welche eine heftigere Umarmung, ein heisserer Druck ans Herz besiegelte, zeigten sich bey beyden so grobe Symptome der erregten körperlichen Geschlechtssympathie, daß diese unschuldigen, schuldlosen, aber nicht ununterrichteten Jünglinge auf eine schreckliche Art über die Einwirkung unerwarteter Triebe aufgekläret wurden. Sie stürzten auseinander, und der Augenblick, der zwey reine Seelen in aller ihrer Klarheit darstellte, schien ihnen der schwarzeste Fleck ihres Lebens. Er endigte zugleich ihre Leidenschaft

einer häuslichen Zärtlichkeit, bald darauf der Leidenschaft. Sie wohnten bey einander, und selten waren sie getrennt. Aber wenn sie es waren, so erwarteten sie den Augenblick des Wiedersehens mit der heftigsten Unruhe, und mit der lebhaftesten Ungeduld. Ein feines Feuer durchglühte ihre Adern bey jeder zufälligen Berührung; ihr unvermutheter Anblick flößte ihnen unerklärbare Wonne ein. Nächte durchwachten sie zusammen, und wenn der grauende Morgen sie endlich zwang eine Ruhe zu suchen, die der rege Geist dem ermatteten Körper versagte; so dehnte sich ihr Abschied an der Schwelle der Thür noch zu Stundenlangen Unterredungen aus. Wer hätte es vermuthen können, daß andere, als bloß geistige Affekte das Band unter ihnen knüpften! Dachten sie sich doch einander unter dem Bilde edler Geister, die zusammen der Vollkommenheit nachstreben, voll von Begierde nach Weisheit und Tugend! Glückliche Zeit, an welche derjenige, der sie mit empfand, nie ohne Rührung wird denken können! Sie verschwand aber bald, wie ein schöner Traum! Es folgten Eifersucht bey der geringsten Zuvorkommung gegen fremde Jünglinge, Furcht vor Erkaltung, Vorwürfe, Wiederaussöhnung, – und – wer wird es glauben? – bey einer von diesen, welche eine heftigere Umarmung, ein heisserer Druck ans Herz besiegelte, zeigten sich bey beyden so grobe Symptome der erregten körperlichen Geschlechtssympathie, daß diese unschuldigen, schuldlosen, aber nicht ununterrichteten Jünglinge auf eine schreckliche Art über die Einwirkung unerwarteter Triebe aufgekläret wurden. Sie stürzten auseinander, und der Augenblick, der zwey reine Seelen in aller ihrer Klarheit darstellte, schien ihnen der schwarzeste Fleck ihres Lebens. Er endigte zugleich ihre Leidenschaft

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einer häuslichen Zärtlichkeit, bald darauf der Leidenschaft. Sie wohnten bey einander, und selten waren sie getrennt. Aber wenn sie es waren, so erwarteten sie den Augenblick des Wiedersehens mit der heftigsten Unruhe, und mit der lebhaftesten Ungeduld. Ein feines Feuer durchglühte ihre Adern bey jeder zufälligen Berührung; ihr unvermutheter Anblick flößte ihnen unerklärbare Wonne ein. Nächte durchwachten sie zusammen, und wenn der grauende Morgen sie endlich zwang eine Ruhe zu suchen, die der rege Geist dem ermatteten Körper versagte; so dehnte sich ihr Abschied an der Schwelle der Thür noch zu Stundenlangen Unterredungen aus. Wer hätte es vermuthen können, daß andere, als bloß geistige Affekte das Band unter ihnen knüpften! Dachten sie sich doch einander unter dem Bilde edler Geister, die zusammen der Vollkommenheit nachstreben, voll von Begierde nach Weisheit und Tugend! Glückliche Zeit, an welche derjenige, der sie mit empfand, nie ohne Rührung wird denken können! Sie verschwand aber bald, wie ein schöner Traum! Es folgten Eifersucht bey der geringsten Zuvorkommung gegen fremde Jünglinge, Furcht vor Erkaltung, Vorwürfe, Wiederaussöhnung, &#x2013; und &#x2013; wer wird es glauben? &#x2013; bey einer von diesen, welche eine heftigere Umarmung, ein heisserer Druck ans Herz besiegelte, zeigten sich bey beyden so grobe Symptome der erregten körperlichen Geschlechtssympathie, daß diese unschuldigen, schuldlosen, aber nicht ununterrichteten Jünglinge auf eine schreckliche Art über die Einwirkung unerwarteter Triebe aufgekläret wurden. Sie stürzten auseinander, und der Augenblick, der zwey reine Seelen in aller ihrer Klarheit darstellte, schien ihnen der schwarzeste Fleck ihres Lebens. Er endigte zugleich ihre Leidenschaft
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[106/0106] einer häuslichen Zärtlichkeit, bald darauf der Leidenschaft. Sie wohnten bey einander, und selten waren sie getrennt. Aber wenn sie es waren, so erwarteten sie den Augenblick des Wiedersehens mit der heftigsten Unruhe, und mit der lebhaftesten Ungeduld. Ein feines Feuer durchglühte ihre Adern bey jeder zufälligen Berührung; ihr unvermutheter Anblick flößte ihnen unerklärbare Wonne ein. Nächte durchwachten sie zusammen, und wenn der grauende Morgen sie endlich zwang eine Ruhe zu suchen, die der rege Geist dem ermatteten Körper versagte; so dehnte sich ihr Abschied an der Schwelle der Thür noch zu Stundenlangen Unterredungen aus. Wer hätte es vermuthen können, daß andere, als bloß geistige Affekte das Band unter ihnen knüpften! Dachten sie sich doch einander unter dem Bilde edler Geister, die zusammen der Vollkommenheit nachstreben, voll von Begierde nach Weisheit und Tugend! Glückliche Zeit, an welche derjenige, der sie mit empfand, nie ohne Rührung wird denken können! Sie verschwand aber bald, wie ein schöner Traum! Es folgten Eifersucht bey der geringsten Zuvorkommung gegen fremde Jünglinge, Furcht vor Erkaltung, Vorwürfe, Wiederaussöhnung, – und – wer wird es glauben? – bey einer von diesen, welche eine heftigere Umarmung, ein heisserer Druck ans Herz besiegelte, zeigten sich bey beyden so grobe Symptome der erregten körperlichen Geschlechtssympathie, daß diese unschuldigen, schuldlosen, aber nicht ununterrichteten Jünglinge auf eine schreckliche Art über die Einwirkung unerwarteter Triebe aufgekläret wurden. Sie stürzten auseinander, und der Augenblick, der zwey reine Seelen in aller ihrer Klarheit darstellte, schien ihnen der schwarzeste Fleck ihres Lebens. Er endigte zugleich ihre Leidenschaft

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Zitationshilfe: Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Zweyter Theil: Aesthetik der Liebe. Leipzig, 1798, S. 106. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus02_1798/106>, abgerufen am 22.11.2024.