Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Erster Theil: Naturkunde der Liebe. Leipzig, 1798.Zur Zartheit des Menschen gehört dagegen sein Vermögen, sanfte Reitzungen für die Sensibilität seiner äußern Sinnenorgane zu leiden: die Allmähligkeit und Auflösung der Lebenskraft und Lebenswerkzeuge zu dulden: sein Gemüth erweicht, seinen Geist in leichter Schwingung zu fühlen. Es gehört aber auch dahin die Kraft, auf andere Gegenstände sanft einzuwirken, und ihnen unsre Allmähligkeit, Auflösung, Weichheit und leichte Schwingung mitzutheilen. Folglich birgt jeder Mensch ein leidendes Vermögen und eine thätige Kraft in sich, die sich unter dem Charakter der Zartheit, als eine besondere Disposition seiner Anlagen überhaupt, ankündigen. Der Zustand, in den er durch die Wirksamkeit seiner Zartheit geräth, ist der einer leidenden oder thätigen Zärtelung. Jeder Mensch ist, wie gesagt, mit dieser doppelten Disposition seiner Vermögen und Kräfte ausgerüstet, die, in Rücksicht auf die ganze Gattung seiner Anlagen, als zwey Geschlechter derselben anzusehen sind. In so fern aber die Menschen mit dem ganzen Inbegriff ihrer Anlagen, der sich in jedem Einzelnen von ihnen findet, unter sich, und in Rücksicht auf die ganze Gattung der Individuen betrachtet werden, findet sich bey dem einen die Disposition zur Stärke hervorstechend vor der zur Zartheit: bey dem andern aber die Zartheit im Uebergewicht über die Stärke. Dieß begründet die Eintheilung der menschlichen Gattung in zwey Geschlechter. Der Mensch, bey dem die Stärke die Zartheit überwiegt, ist Mann: der Mensch, bey dem die Zartheit über die Stärke hervorragt, ist Weib. Wenn der Mensch, der sich stark fühlt, sich dem starken Menschen nähert, um in der Verbindung mit ihm seine Stärke zu ergänzen; - so empfindet er Sympathie mit dem gleichartigen Starken, oder mit dem ähnlichen Geschlechte Zur Zartheit des Menschen gehört dagegen sein Vermögen, sanfte Reitzungen für die Sensibilität seiner äußern Sinnenorgane zu leiden: die Allmähligkeit und Auflösung der Lebenskraft und Lebenswerkzeuge zu dulden: sein Gemüth erweicht, seinen Geist in leichter Schwingung zu fühlen. Es gehört aber auch dahin die Kraft, auf andere Gegenstände sanft einzuwirken, und ihnen unsre Allmähligkeit, Auflösung, Weichheit und leichte Schwingung mitzutheilen. Folglich birgt jeder Mensch ein leidendes Vermögen und eine thätige Kraft in sich, die sich unter dem Charakter der Zartheit, als eine besondere Disposition seiner Anlagen überhaupt, ankündigen. Der Zustand, in den er durch die Wirksamkeit seiner Zartheit geräth, ist der einer leidenden oder thätigen Zärtelung. Jeder Mensch ist, wie gesagt, mit dieser doppelten Disposition seiner Vermögen und Kräfte ausgerüstet, die, in Rücksicht auf die ganze Gattung seiner Anlagen, als zwey Geschlechter derselben anzusehen sind. In so fern aber die Menschen mit dem ganzen Inbegriff ihrer Anlagen, der sich in jedem Einzelnen von ihnen findet, unter sich, und in Rücksicht auf die ganze Gattung der Individuen betrachtet werden, findet sich bey dem einen die Disposition zur Stärke hervorstechend vor der zur Zartheit: bey dem andern aber die Zartheit im Uebergewicht über die Stärke. Dieß begründet die Eintheilung der menschlichen Gattung in zwey Geschlechter. Der Mensch, bey dem die Stärke die Zartheit überwiegt, ist Mann: der Mensch, bey dem die Zartheit über die Stärke hervorragt, ist Weib. Wenn der Mensch, der sich stark fühlt, sich dem starken Menschen nähert, um in der Verbindung mit ihm seine Stärke zu ergänzen; – so empfindet er Sympathie mit dem gleichartigen Starken, oder mit dem ähnlichen Geschlechte <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0341" n="341"/> Zur <hi rendition="#g">Zartheit</hi> des Menschen gehört dagegen sein Vermögen, sanfte Reitzungen für die Sensibilität seiner äußern Sinnenorgane zu leiden: die Allmähligkeit und Auflösung der Lebenskraft und Lebenswerkzeuge zu dulden: sein Gemüth erweicht, seinen Geist in leichter Schwingung zu fühlen. Es gehört aber auch dahin die Kraft, auf andere Gegenstände sanft einzuwirken, und ihnen unsre Allmähligkeit, Auflösung, Weichheit und leichte Schwingung mitzutheilen. 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Zur Zartheit des Menschen gehört dagegen sein Vermögen, sanfte Reitzungen für die Sensibilität seiner äußern Sinnenorgane zu leiden: die Allmähligkeit und Auflösung der Lebenskraft und Lebenswerkzeuge zu dulden: sein Gemüth erweicht, seinen Geist in leichter Schwingung zu fühlen. Es gehört aber auch dahin die Kraft, auf andere Gegenstände sanft einzuwirken, und ihnen unsre Allmähligkeit, Auflösung, Weichheit und leichte Schwingung mitzutheilen. Folglich birgt jeder Mensch ein leidendes Vermögen und eine thätige Kraft in sich, die sich unter dem Charakter der Zartheit, als eine besondere Disposition seiner Anlagen überhaupt, ankündigen. Der Zustand, in den er durch die Wirksamkeit seiner Zartheit geräth, ist der einer leidenden oder thätigen Zärtelung.
Jeder Mensch ist, wie gesagt, mit dieser doppelten Disposition seiner Vermögen und Kräfte ausgerüstet, die, in Rücksicht auf die ganze Gattung seiner Anlagen, als zwey Geschlechter derselben anzusehen sind. In so fern aber die Menschen mit dem ganzen Inbegriff ihrer Anlagen, der sich in jedem Einzelnen von ihnen findet, unter sich, und in Rücksicht auf die ganze Gattung der Individuen betrachtet werden, findet sich bey dem einen die Disposition zur Stärke hervorstechend vor der zur Zartheit: bey dem andern aber die Zartheit im Uebergewicht über die Stärke. Dieß begründet die Eintheilung der menschlichen Gattung in zwey Geschlechter. Der Mensch, bey dem die Stärke die Zartheit überwiegt, ist Mann: der Mensch, bey dem die Zartheit über die Stärke hervorragt, ist Weib.
Wenn der Mensch, der sich stark fühlt, sich dem starken Menschen nähert, um in der Verbindung mit ihm seine Stärke zu ergänzen; – so empfindet er Sympathie mit dem gleichartigen Starken, oder mit dem ähnlichen Geschlechte
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Zitationshilfe: | Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Erster Theil: Naturkunde der Liebe. Leipzig, 1798, S. 341. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus01_1798/341>, abgerufen am 22.07.2024. |