Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Erster Theil: Naturkunde der Liebe. Leipzig, 1798.

Bild:
<< vorherige Seite
Funfzehntes Kapitel.

Was der liebenden Anhänglichkeit in Beziehung auf andere Anhänglichkeiten entgegen steht; Verbindungen, in denen Eigennutz und Beschauungshang prädominieren.

Es ist im zweyten Buche dieses Werks bereits hinreichend ausgeführt worden, daß Verbindungen, in denen der Eigennutz prädominiert, (z. B. diejenige, die unter Handlungsgenossen Statt findet,) daß andere, in denen der Beschauungshang prädominiert, (z. B. diejenige, die wir etwa für einen Helden des Alterthums empfinden,) nicht liebend sind. Aber viel schwerer ist es, diejenigen Anhänglichkeiten von der Liebe abzusondern, die wirklich Wohlwollen und Wohlthätigkeit zeigen, und den Verbündeten beglücken, ob sie gleich auf feinerer Selbstheit und einem versteckten Beschauungshange beruhen.

Eine Anhänglichkeit, die aus lauter liebenden Affekten besteht, ist ein Unding. Das Uebergewicht dieser letzten über die des Eigennutzes und des Beschauungssinnes bestimmt allein den liebenden Charakter der Verbindung im Ganzen.

Hier ist es nun für den fremden Zuschauer mißlich, die richtige Rechnung zu ziehen, und selbst die verbundenen Personen sind oft zweifelhaft: ob die Verbindung dem Herzen gehöre oder nicht? Das sicherste Merkmahl, daß ihr liebt und geliebt werdet, ist dieß, wenn ihr in Collisionsfällen den Eigennutz und Beschauungshang der Liebe weichen, und euch in den meisten Augenblicken der Dauer eurer Verbindung weniger

Funfzehntes Kapitel.

Was der liebenden Anhänglichkeit in Beziehung auf andere Anhänglichkeiten entgegen steht; Verbindungen, in denen Eigennutz und Beschauungshang prädominieren.

Es ist im zweyten Buche dieses Werks bereits hinreichend ausgeführt worden, daß Verbindungen, in denen der Eigennutz prädominiert, (z. B. diejenige, die unter Handlungsgenossen Statt findet,) daß andere, in denen der Beschauungshang prädominiert, (z. B. diejenige, die wir etwa für einen Helden des Alterthums empfinden,) nicht liebend sind. Aber viel schwerer ist es, diejenigen Anhänglichkeiten von der Liebe abzusondern, die wirklich Wohlwollen und Wohlthätigkeit zeigen, und den Verbündeten beglücken, ob sie gleich auf feinerer Selbstheit und einem versteckten Beschauungshange beruhen.

Eine Anhänglichkeit, die aus lauter liebenden Affekten besteht, ist ein Unding. Das Uebergewicht dieser letzten über die des Eigennutzes und des Beschauungssinnes bestimmt allein den liebenden Charakter der Verbindung im Ganzen.

Hier ist es nun für den fremden Zuschauer mißlich, die richtige Rechnung zu ziehen, und selbst die verbundenen Personen sind oft zweifelhaft: ob die Verbindung dem Herzen gehöre oder nicht? Das sicherste Merkmahl, daß ihr liebt und geliebt werdet, ist dieß, wenn ihr in Collisionsfällen den Eigennutz und Beschauungshang der Liebe weichen, und euch in den meisten Augenblicken der Dauer eurer Verbindung weniger

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0310" n="310"/>
        <div n="2">
          <head>Funfzehntes Kapitel.<lb/></head>
          <argument>
            <p>Was der liebenden Anhänglichkeit in Beziehung auf andere Anhänglichkeiten entgegen steht; Verbindungen, in denen Eigennutz und Beschauungshang prädominieren.<lb/></p>
          </argument>
          <p>Es ist im zweyten Buche dieses Werks bereits hinreichend ausgeführt worden, daß Verbindungen, in denen der Eigennutz prädominiert, (z. B. diejenige, die unter Handlungsgenossen Statt findet,) daß andere, in denen der Beschauungshang prädominiert, (z. B. diejenige, die wir etwa für einen Helden des Alterthums empfinden,) nicht liebend sind. Aber viel schwerer ist es, diejenigen Anhänglichkeiten von der Liebe abzusondern, die wirklich Wohlwollen und Wohlthätigkeit zeigen, und den Verbündeten beglücken, ob sie gleich auf feinerer Selbstheit und einem versteckten Beschauungshange beruhen.</p>
          <p>Eine Anhänglichkeit, die aus lauter liebenden Affekten besteht, ist ein Unding. Das Uebergewicht dieser letzten über die des Eigennutzes und des Beschauungssinnes bestimmt allein den liebenden Charakter der Verbindung im Ganzen.</p>
          <p>Hier ist es nun für den fremden Zuschauer mißlich, die richtige Rechnung zu ziehen, und selbst die verbundenen Personen sind oft zweifelhaft: ob die Verbindung dem Herzen gehöre oder nicht? Das sicherste Merkmahl, daß ihr liebt und geliebt werdet, ist dieß, wenn ihr in Collisionsfällen den Eigennutz und Beschauungshang der Liebe weichen, und euch in den meisten Augenblicken der Dauer eurer Verbindung weniger
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[310/0310] Funfzehntes Kapitel. Was der liebenden Anhänglichkeit in Beziehung auf andere Anhänglichkeiten entgegen steht; Verbindungen, in denen Eigennutz und Beschauungshang prädominieren. Es ist im zweyten Buche dieses Werks bereits hinreichend ausgeführt worden, daß Verbindungen, in denen der Eigennutz prädominiert, (z. B. diejenige, die unter Handlungsgenossen Statt findet,) daß andere, in denen der Beschauungshang prädominiert, (z. B. diejenige, die wir etwa für einen Helden des Alterthums empfinden,) nicht liebend sind. Aber viel schwerer ist es, diejenigen Anhänglichkeiten von der Liebe abzusondern, die wirklich Wohlwollen und Wohlthätigkeit zeigen, und den Verbündeten beglücken, ob sie gleich auf feinerer Selbstheit und einem versteckten Beschauungshange beruhen. Eine Anhänglichkeit, die aus lauter liebenden Affekten besteht, ist ein Unding. Das Uebergewicht dieser letzten über die des Eigennutzes und des Beschauungssinnes bestimmt allein den liebenden Charakter der Verbindung im Ganzen. Hier ist es nun für den fremden Zuschauer mißlich, die richtige Rechnung zu ziehen, und selbst die verbundenen Personen sind oft zweifelhaft: ob die Verbindung dem Herzen gehöre oder nicht? Das sicherste Merkmahl, daß ihr liebt und geliebt werdet, ist dieß, wenn ihr in Collisionsfällen den Eigennutz und Beschauungshang der Liebe weichen, und euch in den meisten Augenblicken der Dauer eurer Verbindung weniger

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-11-20T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-11-20T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-11-20T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Wikisource:Editionsrichtlinien.
  • Der Seitenwechsel erfolgt bei Worttrennung nach dem gesamten Wort.
  • Geviertstriche (—) wurden durch Halbgeviertstriche ersetzt (–).
  • Übergeschriebenes „e“ über „a“, „o“ und „u“ wird als moderner Umlaut (ä, ö, ü) transkribiert.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus01_1798
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus01_1798/310
Zitationshilfe: Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Erster Theil: Naturkunde der Liebe. Leipzig, 1798, S. 310. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus01_1798/310>, abgerufen am 23.11.2024.