Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Erster Theil: Naturkunde der Liebe. Leipzig, 1798.aber in meinem Herzen kein Hinderniß, die Schönheit des tugendhaften Charakters anzuerkennen, und erscheint er mir dann in einer ungewöhnlichen Lage; bemerke ich an dem Menschen eine große Ueberwindung seiner Sinnlichkeit, eine außerordentliche Thätigkeit und Haltsamkeit im Guten; so entsteht bey mir ein lebhafteres Bild seines verehrungswürdigen Charakters, und die angenehme Reitzung, welche es begleitet, wird zur Wonne. Diese Wonne kann ihren Grund darin haben, daß ich den tugendhaften Charakter in seiner Beziehung auf mein vernünftiges Wesen besonders betrachte. - Mich hat er gebildet, mir hat er Vertrauen zur Tugend und zu meinen Kräften eingeflößt, mich hat er angenehm erschüttert, mich und meine Mitgeschöpfe hat er mit weisen Lehren und Anstalten versehen; - alsdann ist die Verehrung eigennützig, und so kann sie ein Zögling, ein Unterthan, ein Sohn, ein Sektierer, für einen Fenelon, für einen Rochow, für einen Heinrich, für einen Alworthy, für einen Frank oder Spener empfinden! Erhalte ich aber die Verehrung mit dem Zusatze der Wonne, den Menschen, der sie verdient, dadurch so glücklich zu wissen; suche ich ihn verehrungswürdig zu machen, um sein Glück zu vermehren; so ist Verehrung Wonne der Liebe. Und so verehrte liebend ein Johannes seinen außerordentlichen Lehrer, ein Agathon seinen Sokrates! Begnüge ich mich endlich, den verehrungswürdigen Menschen aus der Ferne anzustaunen; - ist der Antheil, den ich an der Ruhe und Zufriedenheit nehme, welche er durch seine Tugend genießt, keine herrschende Empfindung in meiner Seele; fühle ich kein Bestreben, mich ihm zu nähern und mitzuwirken, damit er den Genuß aber in meinem Herzen kein Hinderniß, die Schönheit des tugendhaften Charakters anzuerkennen, und erscheint er mir dann in einer ungewöhnlichen Lage; bemerke ich an dem Menschen eine große Ueberwindung seiner Sinnlichkeit, eine außerordentliche Thätigkeit und Haltsamkeit im Guten; so entsteht bey mir ein lebhafteres Bild seines verehrungswürdigen Charakters, und die angenehme Reitzung, welche es begleitet, wird zur Wonne. Diese Wonne kann ihren Grund darin haben, daß ich den tugendhaften Charakter in seiner Beziehung auf mein vernünftiges Wesen besonders betrachte. – Mich hat er gebildet, mir hat er Vertrauen zur Tugend und zu meinen Kräften eingeflößt, mich hat er angenehm erschüttert, mich und meine Mitgeschöpfe hat er mit weisen Lehren und Anstalten versehen; – alsdann ist die Verehrung eigennützig, und so kann sie ein Zögling, ein Unterthan, ein Sohn, ein Sektierer, für einen Fenelon, für einen Rochow, für einen Heinrich, für einen Alworthy, für einen Frank oder Spener empfinden! Erhalte ich aber die Verehrung mit dem Zusatze der Wonne, den Menschen, der sie verdient, dadurch so glücklich zu wissen; suche ich ihn verehrungswürdig zu machen, um sein Glück zu vermehren; so ist Verehrung Wonne der Liebe. Und so verehrte liebend ein Johannes seinen außerordentlichen Lehrer, ein Agathon seinen Sokrates! Begnüge ich mich endlich, den verehrungswürdigen Menschen aus der Ferne anzustaunen; – ist der Antheil, den ich an der Ruhe und Zufriedenheit nehme, welche er durch seine Tugend genießt, keine herrschende Empfindung in meiner Seele; fühle ich kein Bestreben, mich ihm zu nähern und mitzuwirken, damit er den Genuß <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0301" n="301"/> aber in meinem Herzen kein Hinderniß, die Schönheit des tugendhaften Charakters anzuerkennen, und erscheint er mir dann in einer ungewöhnlichen Lage; bemerke ich an dem Menschen eine große Ueberwindung seiner Sinnlichkeit, eine außerordentliche Thätigkeit und Haltsamkeit im Guten; so entsteht bey mir ein lebhafteres Bild seines verehrungswürdigen Charakters, und die angenehme Reitzung, welche es begleitet, wird zur <hi rendition="#g">Wonne</hi>.</p> <p>Diese Wonne kann ihren Grund darin haben, daß ich den tugendhaften Charakter in seiner Beziehung auf mein vernünftiges Wesen besonders betrachte. – Mich hat er gebildet, mir hat er Vertrauen zur Tugend und zu meinen Kräften eingeflößt, mich hat er angenehm erschüttert, mich und meine Mitgeschöpfe hat er mit weisen Lehren und Anstalten versehen; – alsdann ist die Verehrung eigennützig, und so kann sie ein Zögling, ein Unterthan, ein Sohn, ein Sektierer, für einen Fenelon, für einen Rochow, für einen Heinrich, für einen Alworthy, für einen Frank oder Spener empfinden!</p> <p>Erhalte ich aber die Verehrung mit dem Zusatze der Wonne, den Menschen, der sie verdient, dadurch so glücklich zu wissen; suche ich ihn verehrungswürdig zu machen, um sein Glück zu vermehren; so ist Verehrung Wonne der Liebe. 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aber in meinem Herzen kein Hinderniß, die Schönheit des tugendhaften Charakters anzuerkennen, und erscheint er mir dann in einer ungewöhnlichen Lage; bemerke ich an dem Menschen eine große Ueberwindung seiner Sinnlichkeit, eine außerordentliche Thätigkeit und Haltsamkeit im Guten; so entsteht bey mir ein lebhafteres Bild seines verehrungswürdigen Charakters, und die angenehme Reitzung, welche es begleitet, wird zur Wonne.
Diese Wonne kann ihren Grund darin haben, daß ich den tugendhaften Charakter in seiner Beziehung auf mein vernünftiges Wesen besonders betrachte. – Mich hat er gebildet, mir hat er Vertrauen zur Tugend und zu meinen Kräften eingeflößt, mich hat er angenehm erschüttert, mich und meine Mitgeschöpfe hat er mit weisen Lehren und Anstalten versehen; – alsdann ist die Verehrung eigennützig, und so kann sie ein Zögling, ein Unterthan, ein Sohn, ein Sektierer, für einen Fenelon, für einen Rochow, für einen Heinrich, für einen Alworthy, für einen Frank oder Spener empfinden!
Erhalte ich aber die Verehrung mit dem Zusatze der Wonne, den Menschen, der sie verdient, dadurch so glücklich zu wissen; suche ich ihn verehrungswürdig zu machen, um sein Glück zu vermehren; so ist Verehrung Wonne der Liebe. Und so verehrte liebend ein Johannes seinen außerordentlichen Lehrer, ein Agathon seinen Sokrates!
Begnüge ich mich endlich, den verehrungswürdigen Menschen aus der Ferne anzustaunen; – ist der Antheil, den ich an der Ruhe und Zufriedenheit nehme, welche er durch seine Tugend genießt, keine herrschende Empfindung in meiner Seele; fühle ich kein Bestreben, mich ihm zu nähern und mitzuwirken, damit er den Genuß
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