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Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Erster Theil: Naturkunde der Liebe. Leipzig, 1798.

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Von diesen beyden Gesinnungen sind diejenigen, welche das allgemein Schätzungswerthe, und noch mehr das Verehrungswürdige einflößen, Schätzung und Verehrung, sehr verschieden.

Schätzen, achten, heißt im allgemeinen so viel, als: anschlagen, welchen Werth ein Gegenstand nicht für mich allein, sondern für die ganze Gesellschaft, zu der ich gehöre, in sicherer, dauernder, ausgebreiteter Maße haben kann. Es heißt so viel, als: einen gangbaren Preis auf eine Sache setzen, diesen Preis für etwas bestimmen. In dieser Bedeutung nimmt man Achtsleute, Wardierer, (Aestumatores, Taxatores,) und ihre Bestimmung nennt man schätzen, wardieren, werthachten.

Um dieß mit irgend einiger Zuverlässigkeit thun zu können, muß auf zweyerley Rücksicht genommen werden: auf die innere Bonität, den Gehalt der Dinge, ihre Nutzbarkeit, - und auf die mehr zufällige, aber doch immer einer gewissen Dauer fähige Anwendung ihrer Nutzbarkeit zum aktuellen Gebrauche auf ihr Nützlichseyn oder ihre Nützlichkeit. - Dieß paßt auf Münzen, Früchte, Grundstücke, Mobilien, u. s. w. Ein Gegenstand, dem man keinen innern Gehalt beylegen kann, und bey der Anwendung stündlich abwechselnde Verhältnisse beylegen muß, ist gar keiner Schätzung fähig, und hat keinen gangbaren Preis.

Schon hier zeigt sich der rohe Begriff des Unterschiedes zwischen innerer und äußerer Zweckmäßigkeit, indem die erste, der innere Gehalt, die Sache nur überhaupt fähig macht nützlich zu seyn; die letzte, die Beschaffenheit der äußern Verhältnisse, diese Fähigkeit zur aktuellen Wirksamkeit, oder zur

Von diesen beyden Gesinnungen sind diejenigen, welche das allgemein Schätzungswerthe, und noch mehr das Verehrungswürdige einflößen, Schätzung und Verehrung, sehr verschieden.

Schätzen, achten, heißt im allgemeinen so viel, als: anschlagen, welchen Werth ein Gegenstand nicht für mich allein, sondern für die ganze Gesellschaft, zu der ich gehöre, in sicherer, dauernder, ausgebreiteter Maße haben kann. Es heißt so viel, als: einen gangbaren Preis auf eine Sache setzen, diesen Preis für etwas bestimmen. In dieser Bedeutung nimmt man Achtsleute, Wardierer, (Aestumatores, Taxatores,) und ihre Bestimmung nennt man schätzen, wardieren, werthachten.

Um dieß mit irgend einiger Zuverlässigkeit thun zu können, muß auf zweyerley Rücksicht genommen werden: auf die innere Bonität, den Gehalt der Dinge, ihre Nutzbarkeit, – und auf die mehr zufällige, aber doch immer einer gewissen Dauer fähige Anwendung ihrer Nutzbarkeit zum aktuellen Gebrauche auf ihr Nützlichseyn oder ihre Nützlichkeit. – Dieß paßt auf Münzen, Früchte, Grundstücke, Mobilien, u. s. w. Ein Gegenstand, dem man keinen innern Gehalt beylegen kann, und bey der Anwendung stündlich abwechselnde Verhältnisse beylegen muß, ist gar keiner Schätzung fähig, und hat keinen gangbaren Preis.

Schon hier zeigt sich der rohe Begriff des Unterschiedes zwischen innerer und äußerer Zweckmäßigkeit, indem die erste, der innere Gehalt, die Sache nur überhaupt fähig macht nützlich zu seyn; die letzte, die Beschaffenheit der äußern Verhältnisse, diese Fähigkeit zur aktuellen Wirksamkeit, oder zur

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[292/0292] Von diesen beyden Gesinnungen sind diejenigen, welche das allgemein Schätzungswerthe, und noch mehr das Verehrungswürdige einflößen, Schätzung und Verehrung, sehr verschieden. Schätzen, achten, heißt im allgemeinen so viel, als: anschlagen, welchen Werth ein Gegenstand nicht für mich allein, sondern für die ganze Gesellschaft, zu der ich gehöre, in sicherer, dauernder, ausgebreiteter Maße haben kann. Es heißt so viel, als: einen gangbaren Preis auf eine Sache setzen, diesen Preis für etwas bestimmen. In dieser Bedeutung nimmt man Achtsleute, Wardierer, (Aestumatores, Taxatores,) und ihre Bestimmung nennt man schätzen, wardieren, werthachten. Um dieß mit irgend einiger Zuverlässigkeit thun zu können, muß auf zweyerley Rücksicht genommen werden: auf die innere Bonität, den Gehalt der Dinge, ihre Nutzbarkeit, – und auf die mehr zufällige, aber doch immer einer gewissen Dauer fähige Anwendung ihrer Nutzbarkeit zum aktuellen Gebrauche auf ihr Nützlichseyn oder ihre Nützlichkeit. – Dieß paßt auf Münzen, Früchte, Grundstücke, Mobilien, u. s. w. Ein Gegenstand, dem man keinen innern Gehalt beylegen kann, und bey der Anwendung stündlich abwechselnde Verhältnisse beylegen muß, ist gar keiner Schätzung fähig, und hat keinen gangbaren Preis. Schon hier zeigt sich der rohe Begriff des Unterschiedes zwischen innerer und äußerer Zweckmäßigkeit, indem die erste, der innere Gehalt, die Sache nur überhaupt fähig macht nützlich zu seyn; die letzte, die Beschaffenheit der äußern Verhältnisse, diese Fähigkeit zur aktuellen Wirksamkeit, oder zur

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Zitationshilfe: Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Erster Theil: Naturkunde der Liebe. Leipzig, 1798, S. 292. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus01_1798/292>, abgerufen am 14.05.2024.