Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Erster Theil: Naturkunde der Liebe. Leipzig, 1798.

Bild:
<< vorherige Seite
Viertes Kapitel.

Was der Liebe für Wollust und Wonne der Sympathie genommen, in Beziehung auf das fortwährende und gestillte Bedürfniß dieser Sympathie entgegensteht. Mitleiden.

Liebe ist Wollust und Wonne der Sympathie. Mitleiden kann folglich nie Liebe seyn. Es setzt eine Unlust zum Voraus, die wir dadurch empfinden, daß wir uns in den unangenehmen Zustand eines andern hineinversetzt haben.

Leiden wir auf eine uns widerliche Art mit; werden wir dadurch aufgefordert, auf alle mögliche Weise uns der Sympathie zu erwehren; so gehört die Unlust des Mitleidens der Antipathie, und das Gefühl, daß uns die Erwehrung gelungen ist, daß wir wieder ruhig sind, ist die Zufriedenheit der antipathetischen Triebe.

Ueberlassen wir uns aber der Wirksamkeit unsers Versetzungsvermögens, ob wir gleich zur Unlust dadurch gereitzt werden, so gehört die Empfindung allerdings der Sympathie; aber sie ist eine Versagung ihres Hanges, mithin keine Lust und auch keine Liebe. Wir empfinden nur das Bedürfniß, mit dem andern in den Ruhestand des Lebens zurückzukehren.

Zeigt sich Hoffnung für das fremde, uns assimilierte Wesen; oder tritt eine wahre Erleichterung seines Zustandes ein; so empfinden wir die Lust des bloßen Harrens, oder das Genügen des Bedürfnisses sympathetisch mit: ja, kehrt der andere völlig in den Ruhestand des Lebens zurück; so fühlen wir sogar die Zufriedenheit der Sympathie. Aber noch immer keine Liebe. Diese tritt erst dann ein, wenn wir in den Zustand der Ausgelassenheit

Viertes Kapitel.

Was der Liebe für Wollust und Wonne der Sympathie genommen, in Beziehung auf das fortwährende und gestillte Bedürfniß dieser Sympathie entgegensteht. Mitleiden.

Liebe ist Wollust und Wonne der Sympathie. Mitleiden kann folglich nie Liebe seyn. Es setzt eine Unlust zum Voraus, die wir dadurch empfinden, daß wir uns in den unangenehmen Zustand eines andern hineinversetzt haben.

Leiden wir auf eine uns widerliche Art mit; werden wir dadurch aufgefordert, auf alle mögliche Weise uns der Sympathie zu erwehren; so gehört die Unlust des Mitleidens der Antipathie, und das Gefühl, daß uns die Erwehrung gelungen ist, daß wir wieder ruhig sind, ist die Zufriedenheit der antipathetischen Triebe.

Ueberlassen wir uns aber der Wirksamkeit unsers Versetzungsvermögens, ob wir gleich zur Unlust dadurch gereitzt werden, so gehört die Empfindung allerdings der Sympathie; aber sie ist eine Versagung ihres Hanges, mithin keine Lust und auch keine Liebe. Wir empfinden nur das Bedürfniß, mit dem andern in den Ruhestand des Lebens zurückzukehren.

Zeigt sich Hoffnung für das fremde, uns assimilierte Wesen; oder tritt eine wahre Erleichterung seines Zustandes ein; so empfinden wir die Lust des bloßen Harrens, oder das Genügen des Bedürfnisses sympathetisch mit: ja, kehrt der andere völlig in den Ruhestand des Lebens zurück; so fühlen wir sogar die Zufriedenheit der Sympathie. Aber noch immer keine Liebe. Diese tritt erst dann ein, wenn wir in den Zustand der Ausgelassenheit

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0284" n="284"/>
        <div n="2">
          <head>Viertes Kapitel.<lb/></head>
          <argument>
            <p>Was der Liebe für Wollust und Wonne der Sympathie genommen, in Beziehung auf das fortwährende und gestillte Bedürfniß dieser Sympathie entgegensteht. Mitleiden.<lb/></p>
          </argument>
          <p>Liebe ist Wollust und Wonne der Sympathie. Mitleiden kann folglich nie Liebe seyn. Es setzt eine Unlust zum Voraus, die wir dadurch empfinden, daß wir uns in den unangenehmen Zustand eines andern hineinversetzt haben.</p>
          <p>Leiden wir auf eine uns widerliche Art mit; werden wir dadurch aufgefordert, auf alle mögliche Weise uns der Sympathie zu erwehren; so gehört die Unlust des Mitleidens der Antipathie, und das Gefühl, daß uns die Erwehrung gelungen ist, daß wir wieder ruhig sind, ist die Zufriedenheit der antipathetischen Triebe.</p>
          <p>Ueberlassen wir uns aber der Wirksamkeit unsers Versetzungsvermögens, ob wir gleich zur Unlust dadurch gereitzt werden, so gehört die Empfindung allerdings der Sympathie; aber sie ist eine Versagung ihres Hanges, mithin keine Lust und auch keine Liebe. Wir empfinden nur das Bedürfniß, mit dem andern in den Ruhestand des Lebens zurückzukehren.</p>
          <p>Zeigt sich Hoffnung für das fremde, uns assimilierte Wesen; oder tritt eine wahre Erleichterung seines Zustandes ein; so empfinden wir die Lust des bloßen Harrens, oder das Genügen des Bedürfnisses sympathetisch mit: ja, kehrt der andere völlig in den Ruhestand des Lebens zurück; so fühlen wir sogar die Zufriedenheit der Sympathie. Aber noch immer keine Liebe. Diese tritt erst dann ein, wenn wir in den Zustand der Ausgelassenheit
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[284/0284] Viertes Kapitel. Was der Liebe für Wollust und Wonne der Sympathie genommen, in Beziehung auf das fortwährende und gestillte Bedürfniß dieser Sympathie entgegensteht. Mitleiden. Liebe ist Wollust und Wonne der Sympathie. Mitleiden kann folglich nie Liebe seyn. Es setzt eine Unlust zum Voraus, die wir dadurch empfinden, daß wir uns in den unangenehmen Zustand eines andern hineinversetzt haben. Leiden wir auf eine uns widerliche Art mit; werden wir dadurch aufgefordert, auf alle mögliche Weise uns der Sympathie zu erwehren; so gehört die Unlust des Mitleidens der Antipathie, und das Gefühl, daß uns die Erwehrung gelungen ist, daß wir wieder ruhig sind, ist die Zufriedenheit der antipathetischen Triebe. Ueberlassen wir uns aber der Wirksamkeit unsers Versetzungsvermögens, ob wir gleich zur Unlust dadurch gereitzt werden, so gehört die Empfindung allerdings der Sympathie; aber sie ist eine Versagung ihres Hanges, mithin keine Lust und auch keine Liebe. Wir empfinden nur das Bedürfniß, mit dem andern in den Ruhestand des Lebens zurückzukehren. Zeigt sich Hoffnung für das fremde, uns assimilierte Wesen; oder tritt eine wahre Erleichterung seines Zustandes ein; so empfinden wir die Lust des bloßen Harrens, oder das Genügen des Bedürfnisses sympathetisch mit: ja, kehrt der andere völlig in den Ruhestand des Lebens zurück; so fühlen wir sogar die Zufriedenheit der Sympathie. Aber noch immer keine Liebe. Diese tritt erst dann ein, wenn wir in den Zustand der Ausgelassenheit

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-11-20T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-11-20T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-11-20T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Wikisource:Editionsrichtlinien.
  • Der Seitenwechsel erfolgt bei Worttrennung nach dem gesamten Wort.
  • Geviertstriche (—) wurden durch Halbgeviertstriche ersetzt (–).
  • Übergeschriebenes „e“ über „a“, „o“ und „u“ wird als moderner Umlaut (ä, ö, ü) transkribiert.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus01_1798
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus01_1798/284
Zitationshilfe: Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Erster Theil: Naturkunde der Liebe. Leipzig, 1798, S. 284. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus01_1798/284>, abgerufen am 22.11.2024.