Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Erster Theil: Naturkunde der Liebe. Leipzig, 1798.

Bild:
<< vorherige Seite
Fünftes Kapitel.

Herz in bestimmterer Bedeutung heißt Sympathie; Liebe heißt Wollust und Wonne der Sympathie.

Aber wie! Liebt denn der Geitzhals, den der Fund eines Schatzes erfreuet, oder der unnütze Verschlinger der Früchte dieser Erde, der seinen Gaumen mit Leckereyen kitzelt, oder der unthätige Beschauer, der seine Augen an einer Farbe oder an einem Lichtstrahle weidet?

Allerdings! Ja es liebt sogar derjenige, der mit Wonne seine Rachsucht stillt, und sich an der Marter des Feindes labt. Es giebt eine Liebe zum Hassen, zum Hadern, zum Zerstören. - Allein dieser Ausdruck ist nur in so fern richtig, als wir die verschiedenen Arten unserer Lust, in Beziehung auf die mehrere oder mindere Begünstigung unsers Grundtriebes nach Wohlbestehen unsers Wesens überhaupt, in Betracht ziehen. Jede Lust, welche das Bewußtseyn einer ungewöhnlichen Begünstigung unsers Grundtriebes, einer Ausgelassenheit des Lebens, mit sich führt, ist Wollust, ist Wonne; und in Vergleichung mit der bloßen Lust an der Stillung eines Bedürfnisses, oder einer schwachen Willensregung, Liebe. Warum? Weil wir uns dem Zustande unsers Wesens willig überlassen, begierig entgegenbiethen; mit einem Worte, diesen Zustand gern mögen.

Da wir aber besonders denjenigen Zustand gern mögen, worin wir bereits genießen, und zugleich nach weiterer Ausbildung des Genusses glücklich streben; so heißt lieben vorzüglich: den Zustand des verweilenden Bestrebens mit Wollust und Wonne empfinden.

Fünftes Kapitel.

Herz in bestimmterer Bedeutung heißt Sympathie; Liebe heißt Wollust und Wonne der Sympathie.

Aber wie! Liebt denn der Geitzhals, den der Fund eines Schatzes erfreuet, oder der unnütze Verschlinger der Früchte dieser Erde, der seinen Gaumen mit Leckereyen kitzelt, oder der unthätige Beschauer, der seine Augen an einer Farbe oder an einem Lichtstrahle weidet?

Allerdings! Ja es liebt sogar derjenige, der mit Wonne seine Rachsucht stillt, und sich an der Marter des Feindes labt. Es giebt eine Liebe zum Hassen, zum Hadern, zum Zerstören. – Allein dieser Ausdruck ist nur in so fern richtig, als wir die verschiedenen Arten unserer Lust, in Beziehung auf die mehrere oder mindere Begünstigung unsers Grundtriebes nach Wohlbestehen unsers Wesens überhaupt, in Betracht ziehen. Jede Lust, welche das Bewußtseyn einer ungewöhnlichen Begünstigung unsers Grundtriebes, einer Ausgelassenheit des Lebens, mit sich führt, ist Wollust, ist Wonne; und in Vergleichung mit der bloßen Lust an der Stillung eines Bedürfnisses, oder einer schwachen Willensregung, Liebe. Warum? Weil wir uns dem Zustande unsers Wesens willig überlassen, begierig entgegenbiethen; mit einem Worte, diesen Zustand gern mögen.

Da wir aber besonders denjenigen Zustand gern mögen, worin wir bereits genießen, und zugleich nach weiterer Ausbildung des Genusses glücklich streben; so heißt lieben vorzüglich: den Zustand des verweilenden Bestrebens mit Wollust und Wonne empfinden.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0023" n="23"/>
        <div n="2">
          <head>Fünftes Kapitel.<lb/></head>
          <p> <hi rendition="#fr">Herz in bestimmterer Bedeutung heißt Sympathie; Liebe heißt Wollust und Wonne der Sympathie.</hi> </p>
          <p>Aber wie! Liebt denn der Geitzhals, den der Fund eines Schatzes erfreuet, oder der unnütze Verschlinger der Früchte dieser Erde, der seinen Gaumen mit Leckereyen kitzelt, oder der unthätige Beschauer, der seine Augen an einer Farbe oder an einem Lichtstrahle weidet?</p>
          <p>Allerdings! Ja es liebt sogar derjenige, der mit Wonne seine Rachsucht stillt, und sich an der Marter des Feindes labt. Es giebt eine Liebe zum Hassen, zum Hadern, zum Zerstören. &#x2013; Allein dieser Ausdruck ist nur in so fern richtig, als wir die verschiedenen Arten unserer Lust, in Beziehung auf die mehrere oder mindere Begünstigung unsers Grundtriebes nach Wohlbestehen unsers Wesens überhaupt, in Betracht ziehen. Jede Lust, welche das Bewußtseyn einer ungewöhnlichen Begünstigung unsers Grundtriebes, einer Ausgelassenheit des Lebens, mit sich führt, ist Wollust, ist Wonne; und in Vergleichung mit der bloßen Lust an der Stillung eines Bedürfnisses, oder einer schwachen Willensregung, <hi rendition="#g">Liebe</hi>. Warum? Weil wir uns dem Zustande unsers Wesens willig überlassen, begierig entgegenbiethen; mit einem Worte, diesen Zustand gern mögen.</p>
          <p>Da wir aber besonders denjenigen Zustand gern mögen, worin wir bereits genießen, und zugleich nach weiterer Ausbildung des Genusses glücklich streben; so heißt <hi rendition="#g">lieben</hi> vorzüglich: <hi rendition="#g">den Zustand des verweilenden Bestrebens mit Wollust und Wonne empfinden</hi>.</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[23/0023] Fünftes Kapitel. Herz in bestimmterer Bedeutung heißt Sympathie; Liebe heißt Wollust und Wonne der Sympathie. Aber wie! Liebt denn der Geitzhals, den der Fund eines Schatzes erfreuet, oder der unnütze Verschlinger der Früchte dieser Erde, der seinen Gaumen mit Leckereyen kitzelt, oder der unthätige Beschauer, der seine Augen an einer Farbe oder an einem Lichtstrahle weidet? Allerdings! Ja es liebt sogar derjenige, der mit Wonne seine Rachsucht stillt, und sich an der Marter des Feindes labt. Es giebt eine Liebe zum Hassen, zum Hadern, zum Zerstören. – Allein dieser Ausdruck ist nur in so fern richtig, als wir die verschiedenen Arten unserer Lust, in Beziehung auf die mehrere oder mindere Begünstigung unsers Grundtriebes nach Wohlbestehen unsers Wesens überhaupt, in Betracht ziehen. Jede Lust, welche das Bewußtseyn einer ungewöhnlichen Begünstigung unsers Grundtriebes, einer Ausgelassenheit des Lebens, mit sich führt, ist Wollust, ist Wonne; und in Vergleichung mit der bloßen Lust an der Stillung eines Bedürfnisses, oder einer schwachen Willensregung, Liebe. Warum? Weil wir uns dem Zustande unsers Wesens willig überlassen, begierig entgegenbiethen; mit einem Worte, diesen Zustand gern mögen. Da wir aber besonders denjenigen Zustand gern mögen, worin wir bereits genießen, und zugleich nach weiterer Ausbildung des Genusses glücklich streben; so heißt lieben vorzüglich: den Zustand des verweilenden Bestrebens mit Wollust und Wonne empfinden.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-11-20T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-11-20T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-11-20T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Wikisource:Editionsrichtlinien.
  • Der Seitenwechsel erfolgt bei Worttrennung nach dem gesamten Wort.
  • Geviertstriche (—) wurden durch Halbgeviertstriche ersetzt (–).
  • Übergeschriebenes „e“ über „a“, „o“ und „u“ wird als moderner Umlaut (ä, ö, ü) transkribiert.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus01_1798
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus01_1798/23
Zitationshilfe: Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Erster Theil: Naturkunde der Liebe. Leipzig, 1798, S. 23. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus01_1798/23>, abgerufen am 29.03.2024.