Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Erster Theil: Naturkunde der Liebe. Leipzig, 1798.

Bild:
<< vorherige Seite

das sie dem zärteren Geschlechte in Europa beygelegt haben, auch den Werth ihres auszeichnenden Beyfalls und des Besitzes ihrer Zuneigung erhöhen mußten! Geht in Erziehungsanstalten von Kindern einerley Geschlechts, und ihr werdet sehen, wie die Individuen von zartgebaueten Körpern den auffallenden Trieb bey den übrigen erregen, von ihnen vorgezogen und zur ausschließenden Verbindung abgesondert zu werden. So meldet sich schon dort mit dem ersten Keime zur Ueppigkeit und Lüsternheit des Körpers der Keim zur Ueppigkeit und Lüsternheit der Seele!



Alle diese eben bezeichneten Triebe liegen bey der Eifersucht zum Grunde, welche die Verbindungen zwischen Personen von verschiedenem Geschlechte der Regel nach begleitet, und wenigstens in gleich starker Maße nicht bey Verbindungen zwischen Personen des nehmlichen Geschlechts angetroffen wird. Sie mag Mißgunst seyn, diese Eifersucht, aber sie ist eine Mißgunst, die mit der Geschlechtssympathie des Menschen unmittelbar verbunden ist, und nur durch mehr als thierische Rohheit oder Ausartung davon getrennt werden kann. Aus der bloßen körperlichen Lüsternheit, oder aus dem bloßen unnennbaren Triebe würde sich die Eifersucht allein nicht erklären lassen; denn die Begierden, welche diese körperlichen Gefühle voraussetzen, sind nicht permanent, und es ist nicht in der Natur, dasjenige zu mißgönnen, was wir selbst nicht begehren. Aber die Triebe nach häuslicher Absonderung, nach dem Heimischen, nach dem Clientelarverhältnisse, nach geselliger Auszeichnung, nach dem Stolze auf den Besitz der Person, stehen mit jenem

das sie dem zärteren Geschlechte in Europa beygelegt haben, auch den Werth ihres auszeichnenden Beyfalls und des Besitzes ihrer Zuneigung erhöhen mußten! Geht in Erziehungsanstalten von Kindern einerley Geschlechts, und ihr werdet sehen, wie die Individuen von zartgebaueten Körpern den auffallenden Trieb bey den übrigen erregen, von ihnen vorgezogen und zur ausschließenden Verbindung abgesondert zu werden. So meldet sich schon dort mit dem ersten Keime zur Ueppigkeit und Lüsternheit des Körpers der Keim zur Ueppigkeit und Lüsternheit der Seele!



Alle diese eben bezeichneten Triebe liegen bey der Eifersucht zum Grunde, welche die Verbindungen zwischen Personen von verschiedenem Geschlechte der Regel nach begleitet, und wenigstens in gleich starker Maße nicht bey Verbindungen zwischen Personen des nehmlichen Geschlechts angetroffen wird. Sie mag Mißgunst seyn, diese Eifersucht, aber sie ist eine Mißgunst, die mit der Geschlechtssympathie des Menschen unmittelbar verbunden ist, und nur durch mehr als thierische Rohheit oder Ausartung davon getrennt werden kann. Aus der bloßen körperlichen Lüsternheit, oder aus dem bloßen unnennbaren Triebe würde sich die Eifersucht allein nicht erklären lassen; denn die Begierden, welche diese körperlichen Gefühle voraussetzen, sind nicht permanent, und es ist nicht in der Natur, dasjenige zu mißgönnen, was wir selbst nicht begehren. Aber die Triebe nach häuslicher Absonderung, nach dem Heimischen, nach dem Clientelarverhältnisse, nach geselliger Auszeichnung, nach dem Stolze auf den Besitz der Person, stehen mit jenem

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="2">
            <div n="3">
              <p><pb facs="#f0184" n="184"/>
das sie dem zärteren Geschlechte in Europa beygelegt haben, auch den Werth ihres auszeichnenden Beyfalls und des Besitzes ihrer Zuneigung erhöhen mußten! Geht in Erziehungsanstalten von Kindern einerley Geschlechts, und ihr werdet sehen, wie die Individuen von zartgebaueten Körpern den auffallenden Trieb bey den übrigen erregen, von ihnen vorgezogen und zur ausschließenden Verbindung abgesondert zu werden. So meldet sich schon dort mit dem ersten Keime zur Ueppigkeit und Lüsternheit des Körpers der Keim zur Ueppigkeit und Lüsternheit der Seele!</p>
              <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
              <p>Alle diese eben bezeichneten Triebe liegen bey der Eifersucht zum Grunde, welche die Verbindungen zwischen Personen von verschiedenem Geschlechte der Regel nach begleitet, und wenigstens in gleich starker Maße nicht bey Verbindungen zwischen Personen des nehmlichen Geschlechts angetroffen wird. Sie mag Mißgunst seyn, diese Eifersucht, aber sie ist eine Mißgunst, die mit der Geschlechtssympathie des Menschen unmittelbar verbunden ist, und nur durch mehr als thierische Rohheit oder Ausartung davon getrennt werden kann. Aus der bloßen körperlichen Lüsternheit, oder aus dem bloßen unnennbaren Triebe würde sich die Eifersucht allein nicht erklären lassen; denn die Begierden, welche diese körperlichen Gefühle voraussetzen, sind nicht permanent, und es ist nicht in der Natur, dasjenige zu mißgönnen, was wir selbst nicht begehren. Aber die Triebe nach häuslicher Absonderung, nach dem Heimischen, nach dem Clientelarverhältnisse, nach geselliger Auszeichnung, nach dem Stolze auf den Besitz der Person, stehen mit jenem
</p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[184/0184] das sie dem zärteren Geschlechte in Europa beygelegt haben, auch den Werth ihres auszeichnenden Beyfalls und des Besitzes ihrer Zuneigung erhöhen mußten! Geht in Erziehungsanstalten von Kindern einerley Geschlechts, und ihr werdet sehen, wie die Individuen von zartgebaueten Körpern den auffallenden Trieb bey den übrigen erregen, von ihnen vorgezogen und zur ausschließenden Verbindung abgesondert zu werden. So meldet sich schon dort mit dem ersten Keime zur Ueppigkeit und Lüsternheit des Körpers der Keim zur Ueppigkeit und Lüsternheit der Seele! Alle diese eben bezeichneten Triebe liegen bey der Eifersucht zum Grunde, welche die Verbindungen zwischen Personen von verschiedenem Geschlechte der Regel nach begleitet, und wenigstens in gleich starker Maße nicht bey Verbindungen zwischen Personen des nehmlichen Geschlechts angetroffen wird. Sie mag Mißgunst seyn, diese Eifersucht, aber sie ist eine Mißgunst, die mit der Geschlechtssympathie des Menschen unmittelbar verbunden ist, und nur durch mehr als thierische Rohheit oder Ausartung davon getrennt werden kann. Aus der bloßen körperlichen Lüsternheit, oder aus dem bloßen unnennbaren Triebe würde sich die Eifersucht allein nicht erklären lassen; denn die Begierden, welche diese körperlichen Gefühle voraussetzen, sind nicht permanent, und es ist nicht in der Natur, dasjenige zu mißgönnen, was wir selbst nicht begehren. Aber die Triebe nach häuslicher Absonderung, nach dem Heimischen, nach dem Clientelarverhältnisse, nach geselliger Auszeichnung, nach dem Stolze auf den Besitz der Person, stehen mit jenem

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-11-20T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-11-20T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-11-20T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Wikisource:Editionsrichtlinien.
  • Der Seitenwechsel erfolgt bei Worttrennung nach dem gesamten Wort.
  • Geviertstriche (—) wurden durch Halbgeviertstriche ersetzt (–).
  • Übergeschriebenes „e“ über „a“, „o“ und „u“ wird als moderner Umlaut (ä, ö, ü) transkribiert.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus01_1798
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus01_1798/184
Zitationshilfe: Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Erster Theil: Naturkunde der Liebe. Leipzig, 1798, S. 184. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus01_1798/184>, abgerufen am 24.11.2024.