Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Erster Theil: Naturkunde der Liebe. Leipzig, 1798.zart beurtheilt. Bald strebt er nach unmittelbarer Verbindung mit ihm durch Berührung, und wenn ihm diese gelingt, so nimmt er leidend von derjenigen Disposition in sich auf, die in dem angenäherten Körper prädominiert, und woran er einen Mangel empfindet. Ist er geschmeidig stark, so nimmt er von der hebenden Zartheit des andern einen Zusatz von Zartheit an; er wird gezärtelt, mithin fühlt er sich zärter; ist er hebend zart, so nimmt er von der geschmeidigen Stärke des andern einen Zusatz von Stärke an; er wird gespannt, mithin fühlt er sich stärker. Er greift aber auch an, indem er dem andern Körper nach der verschiedenen Beschaffenheit seiner Organisation bald von dem Ueberflusse seiner Stärke oder seiner Zartheit, etwas abgiebt, und sich so stärker oder zärter fühlt, weil er spannen und zärteln will. Dieß ist die ursprüngliche, angreifende Lüsternheit, und der Körper der ihr huldigt, ist Erwecker der Lüsternheit. Der Genuß, den sie giebt, ist noch unvollkommen. Aber er steigt zu seiner größten Höhe, wenn der angenäherte Körper nun gleichfalls in Aufruhr geräth. Dieser bietet sich jetzt dem Angriffe entgegen und wirkt sogar thätig zurück. Er, der vorher Leiter, leidender Empfänger war, wird nun Erwecker von seiner Seite, und verstärkt die Empfindungen des andern durch ähnliche mit denen, die dieser schon hatte, und durch solche, die er frisch bekommt und nur in dem andern ahndete. Dieß ist die fremde, zurückwirkende Lüsternheit. Durch die beständige Repercussion der Gefühle werden bald Eigenschaften und Lage völlig unter ihnen gemein, und als einem einzelnen Wesen eigen gefühlt. - zart beurtheilt. Bald strebt er nach unmittelbarer Verbindung mit ihm durch Berührung, und wenn ihm diese gelingt, so nimmt er leidend von derjenigen Disposition in sich auf, die in dem angenäherten Körper prädominiert, und woran er einen Mangel empfindet. Ist er geschmeidig stark, so nimmt er von der hebenden Zartheit des andern einen Zusatz von Zartheit an; er wird gezärtelt, mithin fühlt er sich zärter; ist er hebend zart, so nimmt er von der geschmeidigen Stärke des andern einen Zusatz von Stärke an; er wird gespannt, mithin fühlt er sich stärker. Er greift aber auch an, indem er dem andern Körper nach der verschiedenen Beschaffenheit seiner Organisation bald von dem Ueberflusse seiner Stärke oder seiner Zartheit, etwas abgiebt, und sich so stärker oder zärter fühlt, weil er spannen und zärteln will. Dieß ist die ursprüngliche, angreifende Lüsternheit, und der Körper der ihr huldigt, ist Erwecker der Lüsternheit. Der Genuß, den sie giebt, ist noch unvollkommen. Aber er steigt zu seiner größten Höhe, wenn der angenäherte Körper nun gleichfalls in Aufruhr geräth. Dieser bietet sich jetzt dem Angriffe entgegen und wirkt sogar thätig zurück. Er, der vorher Leiter, leidender Empfänger war, wird nun Erwecker von seiner Seite, und verstärkt die Empfindungen des andern durch ähnliche mit denen, die dieser schon hatte, und durch solche, die er frisch bekommt und nur in dem andern ahndete. Dieß ist die fremde, zurückwirkende Lüsternheit. Durch die beständige Repercussion der Gefühle werden bald Eigenschaften und Lage völlig unter ihnen gemein, und als einem einzelnen Wesen eigen gefühlt. – <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0147" n="147"/> zart beurtheilt. Bald strebt er nach unmittelbarer Verbindung mit ihm durch Berührung, und wenn ihm diese gelingt, so nimmt er leidend von derjenigen Disposition in sich auf, die in dem angenäherten Körper prädominiert, und woran er einen Mangel empfindet. Ist er geschmeidig stark, so nimmt er von der hebenden Zartheit des andern einen Zusatz von Zartheit an; er wird gezärtelt, mithin fühlt er sich zärter; ist er hebend zart, so nimmt er von der geschmeidigen Stärke des andern einen Zusatz von Stärke an; er wird gespannt, mithin fühlt er sich stärker. Er greift aber auch an, indem er dem andern Körper nach der verschiedenen Beschaffenheit seiner Organisation bald von dem Ueberflusse seiner Stärke oder seiner Zartheit, etwas abgiebt, und sich so stärker oder zärter fühlt, weil er spannen und zärteln will.</p> <p>Dieß ist die <hi rendition="#g">ursprüngliche, angreifende Lüsternheit</hi>, und der Körper der ihr huldigt, ist <hi rendition="#g">Erwecker der Lüsternheit</hi>. Der Genuß, den sie giebt, ist noch unvollkommen. Aber er steigt zu seiner größten Höhe, wenn der angenäherte Körper nun gleichfalls in Aufruhr geräth. Dieser bietet sich jetzt dem Angriffe entgegen und wirkt sogar thätig zurück. Er, der vorher Leiter, leidender Empfänger war, wird nun Erwecker von seiner Seite, und verstärkt die Empfindungen des andern durch ähnliche mit denen, die dieser schon hatte, und durch solche, die er frisch bekommt und nur in dem andern ahndete. Dieß ist die <hi rendition="#g">fremde, zurückwirkende Lüsternheit</hi>. Durch die beständige Repercussion der Gefühle werden bald Eigenschaften und Lage völlig unter ihnen gemein, und als einem einzelnen Wesen eigen gefühlt. – </p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [147/0147]
zart beurtheilt. Bald strebt er nach unmittelbarer Verbindung mit ihm durch Berührung, und wenn ihm diese gelingt, so nimmt er leidend von derjenigen Disposition in sich auf, die in dem angenäherten Körper prädominiert, und woran er einen Mangel empfindet. Ist er geschmeidig stark, so nimmt er von der hebenden Zartheit des andern einen Zusatz von Zartheit an; er wird gezärtelt, mithin fühlt er sich zärter; ist er hebend zart, so nimmt er von der geschmeidigen Stärke des andern einen Zusatz von Stärke an; er wird gespannt, mithin fühlt er sich stärker. Er greift aber auch an, indem er dem andern Körper nach der verschiedenen Beschaffenheit seiner Organisation bald von dem Ueberflusse seiner Stärke oder seiner Zartheit, etwas abgiebt, und sich so stärker oder zärter fühlt, weil er spannen und zärteln will.
Dieß ist die ursprüngliche, angreifende Lüsternheit, und der Körper der ihr huldigt, ist Erwecker der Lüsternheit. Der Genuß, den sie giebt, ist noch unvollkommen. Aber er steigt zu seiner größten Höhe, wenn der angenäherte Körper nun gleichfalls in Aufruhr geräth. Dieser bietet sich jetzt dem Angriffe entgegen und wirkt sogar thätig zurück. Er, der vorher Leiter, leidender Empfänger war, wird nun Erwecker von seiner Seite, und verstärkt die Empfindungen des andern durch ähnliche mit denen, die dieser schon hatte, und durch solche, die er frisch bekommt und nur in dem andern ahndete. Dieß ist die fremde, zurückwirkende Lüsternheit. Durch die beständige Repercussion der Gefühle werden bald Eigenschaften und Lage völlig unter ihnen gemein, und als einem einzelnen Wesen eigen gefühlt. –
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Zitationshilfe: | Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Erster Theil: Naturkunde der Liebe. Leipzig, 1798, S. 147. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus01_1798/147>, abgerufen am 29.06.2024. |