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Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Erster Theil: Naturkunde der Liebe. Leipzig, 1798.

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mit der bloßen Flüssigkeit anderer feuchten Körper! -

Ja! auch unserm Wesen ist eine ähnliche Reitzbarkeit, ein ähnliches Aufwallungsvermögen eigen. Ein jeder Mensch hat ein gewisses Etwas, eine gewisse Seite an sich, an der er berührt, in Reitzung, in Aufwallung geräth. Das Herz, in seiner weitläuftigsten Bedeutung, ist die Reitzbarkeit, das Aufwallungsvermögen lebendiger Creaturen, und besonders des Menschen.

Es ist zweifelhaft, ob wir in irgend einem Augenblicke unsers Lebens ohne Reitzung sind; ob wir irgend etwas wahrnehmen oder uns vorstellen können, was uns nicht zur Lust oder Unlust *) auffordere; mithin, ob es einen Zustand von Ruhe oder völliger Gleichgültigkeit für uns gebe. Inzwischen unterscheidet sich die eine Reitzung von der andern durch ihre Stärke und Lebhaftigkeit. Bald verschwindet sie ganz im Bewußtseyn, bald bestimmt sie uns nur schwach in unserm Willen, bald aber bringt sie ein auffallendes Gefühl von Lust oder Unlust hervor. Und so sind wir wohl berechtigt, eine Ruhe, eine schwache Willensregung, und eine stark afficirte Lage unserer Reitzbarkeit anzunehmen.

Die stärkere Afficirung unserer Reitzbarkeit macht bald einen kürzern, bald einen längern Abschnitt in unserm Leben aus. Ist sie vorübergehend, so nenne

*) Lust und Unlust sind Worte, die durch jede Erklärung nur undeutlicher werden. Wenn man inzwischen eine verlangt, so würde ich Lust das Bewußtseyn der Angemessenheit meines Zustandes zu der Einrichtung meines Wesens; Unlust das Gefühl der Unangemessenheit meines Zustandes zu der Einrichtung meines Wesens nennen. Vergl. 6tes Buch.

mit der bloßen Flüssigkeit anderer feuchten Körper! –

Ja! auch unserm Wesen ist eine ähnliche Reitzbarkeit, ein ähnliches Aufwallungsvermögen eigen. Ein jeder Mensch hat ein gewisses Etwas, eine gewisse Seite an sich, an der er berührt, in Reitzung, in Aufwallung geräth. Das Herz, in seiner weitläuftigsten Bedeutung, ist die Reitzbarkeit, das Aufwallungsvermögen lebendiger Creaturen, und besonders des Menschen.

Es ist zweifelhaft, ob wir in irgend einem Augenblicke unsers Lebens ohne Reitzung sind; ob wir irgend etwas wahrnehmen oder uns vorstellen können, was uns nicht zur Lust oder Unlust *) auffordere; mithin, ob es einen Zustand von Ruhe oder völliger Gleichgültigkeit für uns gebe. Inzwischen unterscheidet sich die eine Reitzung von der andern durch ihre Stärke und Lebhaftigkeit. Bald verschwindet sie ganz im Bewußtseyn, bald bestimmt sie uns nur schwach in unserm Willen, bald aber bringt sie ein auffallendes Gefühl von Lust oder Unlust hervor. Und so sind wir wohl berechtigt, eine Ruhe, eine schwache Willensregung, und eine stark afficirte Lage unserer Reitzbarkeit anzunehmen.

Die stärkere Afficirung unserer Reitzbarkeit macht bald einen kürzern, bald einen längern Abschnitt in unserm Leben aus. Ist sie vorübergehend, so nenne

*) Lust und Unlust sind Worte, die durch jede Erklärung nur undeutlicher werden. Wenn man inzwischen eine verlangt, so würde ich Lust das Bewußtseyn der Angemessenheit meines Zustandes zu der Einrichtung meines Wesens; Unlust das Gefühl der Unangemessenheit meines Zustandes zu der Einrichtung meines Wesens nennen. Vergl. 6tes Buch.
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[13/0013] mit der bloßen Flüssigkeit anderer feuchten Körper! – Ja! auch unserm Wesen ist eine ähnliche Reitzbarkeit, ein ähnliches Aufwallungsvermögen eigen. Ein jeder Mensch hat ein gewisses Etwas, eine gewisse Seite an sich, an der er berührt, in Reitzung, in Aufwallung geräth. Das Herz, in seiner weitläuftigsten Bedeutung, ist die Reitzbarkeit, das Aufwallungsvermögen lebendiger Creaturen, und besonders des Menschen. Es ist zweifelhaft, ob wir in irgend einem Augenblicke unsers Lebens ohne Reitzung sind; ob wir irgend etwas wahrnehmen oder uns vorstellen können, was uns nicht zur Lust oder Unlust *) auffordere; mithin, ob es einen Zustand von Ruhe oder völliger Gleichgültigkeit für uns gebe. Inzwischen unterscheidet sich die eine Reitzung von der andern durch ihre Stärke und Lebhaftigkeit. Bald verschwindet sie ganz im Bewußtseyn, bald bestimmt sie uns nur schwach in unserm Willen, bald aber bringt sie ein auffallendes Gefühl von Lust oder Unlust hervor. Und so sind wir wohl berechtigt, eine Ruhe, eine schwache Willensregung, und eine stark afficirte Lage unserer Reitzbarkeit anzunehmen. Die stärkere Afficirung unserer Reitzbarkeit macht bald einen kürzern, bald einen längern Abschnitt in unserm Leben aus. Ist sie vorübergehend, so nenne *) Lust und Unlust sind Worte, die durch jede Erklärung nur undeutlicher werden. Wenn man inzwischen eine verlangt, so würde ich Lust das Bewußtseyn der Angemessenheit meines Zustandes zu der Einrichtung meines Wesens; Unlust das Gefühl der Unangemessenheit meines Zustandes zu der Einrichtung meines Wesens nennen. Vergl. 6tes Buch.

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Zitationshilfe: Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Erster Theil: Naturkunde der Liebe. Leipzig, 1798, S. 13. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus01_1798/13>, abgerufen am 26.04.2024.