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Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 3. Leipzig, 1787.

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Pallast Giustiniani.

Ich will statt dessen lieber zuletzt vor einer GefahrDas Neue,
das Feine,
das Ueber-
raschende:
mit welcher
Behutsam-
keit der
Künstler auf
angenehme
Eindrücke
davon rech-
nen dürfe.

warnen, welche uns von solchen Künstlern drohet, die
bei Darstellung eines der Kunst angemessenen Süjets,
welches aber schon von ihren Vorgängern behandelt
ist, da sie für Einbildungskraft und Herz nicht mehr
neu seyn können, durch Hinzufügung eines neuen,
witzigen und feinen Gedankens unsern Verstand zu
überraschen hoffen. Zuweilen geschieht dies mit gu-
tem Glücke. Ich erinnere mich von Greuze eine
schöne Veränderung in der gewöhnlichen Vorstellung
der Fabel der Danae gesehen zu haben. Während daß
eine alte Duegna oder Aufseherin über die Unschuld des
Mädchens beschäfftiget war den goldenen Regen einzu-
sammeln, schlüpfte Jupiter in die Arme der unbewach-
ten Danae. Schön! Aber nicht sowohl darum, weil
der Gedanke: "nicht das Herz und die Unschuld,
"wohl aber die Gelegenheit sind um Geld zu Kauf"
sein und neu ist; sondern vielmehr, weil dadurch ein
viel vollständigerer, bestimmterer, mehr abwechseln-
der Ausdruck als durch die gewöhnliche Vorstellungs-
art motivirt wird, und wir die Feinheit und Neuheit
des Gedankens überher haben.

Wenn hingegen Guercino, auf eine in Rücksicht
des Gedankens eben so neue und feine Art, die für
das Herz und die Einbildungskraft so interessante
Fabel der Diana und des Endymion dahin desalle-
gorisirt, daß letzterer als der erste Erfinder der Astro-
nomie, mit dem Sehrohr nach dem Monde guckt;
so werden wir ihm für seine Fürsorge für unsern Ver-
stand wenig Dank wissen.

Aus
Pallaſt Giuſtiniani.

Ich will ſtatt deſſen lieber zuletzt vor einer GefahrDas Neue,
das Feine,
das Ueber-
raſchende:
mit welcher
Behutſam-
keit der
Kuͤnſtler auf
angenehme
Eindruͤcke
davon rech-
nen duͤrfe.

warnen, welche uns von ſolchen Kuͤnſtlern drohet, die
bei Darſtellung eines der Kunſt angemeſſenen Suͤjets,
welches aber ſchon von ihren Vorgaͤngern behandelt
iſt, da ſie fuͤr Einbildungskraft und Herz nicht mehr
neu ſeyn koͤnnen, durch Hinzufuͤgung eines neuen,
witzigen und feinen Gedankens unſern Verſtand zu
uͤberraſchen hoffen. Zuweilen geſchieht dies mit gu-
tem Gluͤcke. Ich erinnere mich von Greuze eine
ſchoͤne Veraͤnderung in der gewoͤhnlichen Vorſtellung
der Fabel der Danae geſehen zu haben. Waͤhrend daß
eine alte Duegna oder Aufſeherin uͤber die Unſchuld des
Maͤdchens beſchaͤfftiget war den goldenen Regen einzu-
ſammeln, ſchluͤpfte Jupiter in die Arme der unbewach-
ten Danae. Schoͤn! Aber nicht ſowohl darum, weil
der Gedanke: „nicht das Herz und die Unſchuld,
„wohl aber die Gelegenheit ſind um Geld zu Kauf“
ſein und neu iſt; ſondern vielmehr, weil dadurch ein
viel vollſtaͤndigerer, beſtimmterer, mehr abwechſeln-
der Ausdruck als durch die gewoͤhnliche Vorſtellungs-
art motivirt wird, und wir die Feinheit und Neuheit
des Gedankens uͤberher haben.

Wenn hingegen Guercino, auf eine in Ruͤckſicht
des Gedankens eben ſo neue und feine Art, die fuͤr
das Herz und die Einbildungskraft ſo intereſſante
Fabel der Diana und des Endymion dahin deſalle-
goriſirt, daß letzterer als der erſte Erfinder der Aſtro-
nomie, mit dem Sehrohr nach dem Monde guckt;
ſo werden wir ihm fuͤr ſeine Fuͤrſorge fuͤr unſern Ver-
ſtand wenig Dank wiſſen.

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[27/0051] Pallaſt Giuſtiniani. Ich will ſtatt deſſen lieber zuletzt vor einer Gefahr warnen, welche uns von ſolchen Kuͤnſtlern drohet, die bei Darſtellung eines der Kunſt angemeſſenen Suͤjets, welches aber ſchon von ihren Vorgaͤngern behandelt iſt, da ſie fuͤr Einbildungskraft und Herz nicht mehr neu ſeyn koͤnnen, durch Hinzufuͤgung eines neuen, witzigen und feinen Gedankens unſern Verſtand zu uͤberraſchen hoffen. Zuweilen geſchieht dies mit gu- tem Gluͤcke. Ich erinnere mich von Greuze eine ſchoͤne Veraͤnderung in der gewoͤhnlichen Vorſtellung der Fabel der Danae geſehen zu haben. Waͤhrend daß eine alte Duegna oder Aufſeherin uͤber die Unſchuld des Maͤdchens beſchaͤfftiget war den goldenen Regen einzu- ſammeln, ſchluͤpfte Jupiter in die Arme der unbewach- ten Danae. Schoͤn! Aber nicht ſowohl darum, weil der Gedanke: „nicht das Herz und die Unſchuld, „wohl aber die Gelegenheit ſind um Geld zu Kauf“ ſein und neu iſt; ſondern vielmehr, weil dadurch ein viel vollſtaͤndigerer, beſtimmterer, mehr abwechſeln- der Ausdruck als durch die gewoͤhnliche Vorſtellungs- art motivirt wird, und wir die Feinheit und Neuheit des Gedankens uͤberher haben. Das Neue, das Feine, das Ueber- raſchende: mit welcher Behutſam- keit der Kuͤnſtler auf angenehme Eindruͤcke davon rech- nen duͤrfe. Wenn hingegen Guercino, auf eine in Ruͤckſicht des Gedankens eben ſo neue und feine Art, die fuͤr das Herz und die Einbildungskraft ſo intereſſante Fabel der Diana und des Endymion dahin deſalle- goriſirt, daß letzterer als der erſte Erfinder der Aſtro- nomie, mit dem Sehrohr nach dem Monde guckt; ſo werden wir ihm fuͤr ſeine Fuͤrſorge fuͤr unſern Ver- ſtand wenig Dank wiſſen. Aus

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Zitationshilfe: Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 3. Leipzig, 1787, S. 27. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_mahlerei03_1787/51>, abgerufen am 25.11.2024.