So endige ich denn diesen Versuch über die bil- denden Künste in Rom, nicht ohne eine Besorg- niß zu empfinden, die derjenigen ähneln muß, mit der ein Vater sich von seinem Kinde trennt, ehe des- sen Bildung vollendet ist.
Ich habe mein dreißigstes Jahr noch nicht er- reicht, und ein Werk wie dieses, hätte, um dem Pu- blico vor Augen gelegt zu werden, das reifste Alter erfordert.
Aber ich fühlte, daß mit jedem Tage die Ein- drücke schwächer wurden, welche die Kunstwerke Roms auf mich gemacht hatten: ich lief Gefahr zu einer Zeit, wo ich an Stärke im Raisonniren würde ge- wonnen haben, die Bilder, welche noch lebhaft in meiner Seele schweben, verloschen, meine noch war- men Empfindungen erkaltet zu sehen. Ich hatte keine Hoffnung meine Erinnerungen durch eine zweite Reise nach Rom wieder aufzufrischen, wohl aber die Aussicht zu einer Lage vor mir, in der eine anhaltende Beschäfftigung mit den schönen Künsten, mir auf im- mer verwehrt werden dürfte.
Diese Gründe haben mich bewogen, mein Buch schon jetzt dem Druck zu übergeben, und als mir zur Bedingung des Verlags gemacht wurde, daß alle drei Theile auf Ostern 1787. zu gleicher Zeit er- scheinen sollten, auch diese einzugehen.
Dies geschah um Michaelis vorigen Jahrs. Die Materialien waren gesammelt, mir blieb Zeit zum Ord-
nen
A a 5
Schluß.
So endige ich denn dieſen Verſuch uͤber die bil- denden Kuͤnſte in Rom, nicht ohne eine Beſorg- niß zu empfinden, die derjenigen aͤhneln muß, mit der ein Vater ſich von ſeinem Kinde trennt, ehe deſ- ſen Bildung vollendet iſt.
Ich habe mein dreißigſtes Jahr noch nicht er- reicht, und ein Werk wie dieſes, haͤtte, um dem Pu- blico vor Augen gelegt zu werden, das reifſte Alter erfordert.
Aber ich fuͤhlte, daß mit jedem Tage die Ein- druͤcke ſchwaͤcher wurden, welche die Kunſtwerke Roms auf mich gemacht hatten: ich lief Gefahr zu einer Zeit, wo ich an Staͤrke im Raiſonniren wuͤrde ge- wonnen haben, die Bilder, welche noch lebhaft in meiner Seele ſchweben, verloſchen, meine noch war- men Empfindungen erkaltet zu ſehen. Ich hatte keine Hoffnung meine Erinnerungen durch eine zweite Reiſe nach Rom wieder aufzufriſchen, wohl aber die Ausſicht zu einer Lage vor mir, in der eine anhaltende Beſchaͤfftigung mit den ſchoͤnen Kuͤnſten, mir auf im- mer verwehrt werden duͤrfte.
Dieſe Gruͤnde haben mich bewogen, mein Buch ſchon jetzt dem Druck zu uͤbergeben, und als mir zur Bedingung des Verlags gemacht wurde, daß alle drei Theile auf Oſtern 1787. zu gleicher Zeit er- ſcheinen ſollten, auch dieſe einzugehen.
Dies geſchah um Michaelis vorigen Jahrs. Die Materialien waren geſammelt, mir blieb Zeit zum Ord-
nen
A a 5
<TEI><text><body><pbfacs="#f0401"n="377"/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><divn="1"><head><hirendition="#b"><hirendition="#g">Schluß.</hi></hi></head><lb/><p><hirendition="#in">S</hi>o endige ich denn dieſen Verſuch uͤber die bil-<lb/>
denden Kuͤnſte in Rom, nicht ohne eine Beſorg-<lb/>
niß zu empfinden, die derjenigen aͤhneln muß, mit<lb/>
der ein Vater ſich von ſeinem Kinde trennt, ehe deſ-<lb/>ſen Bildung vollendet iſt.</p><lb/><p>Ich habe mein dreißigſtes Jahr noch nicht er-<lb/>
reicht, und ein Werk wie dieſes, haͤtte, um dem Pu-<lb/>
blico vor Augen gelegt zu werden, das reifſte Alter<lb/>
erfordert.</p><lb/><p>Aber ich fuͤhlte, daß mit jedem Tage die Ein-<lb/>
druͤcke ſchwaͤcher wurden, welche die Kunſtwerke Roms<lb/>
auf mich gemacht hatten: ich lief Gefahr zu einer<lb/>
Zeit, wo ich an Staͤrke im Raiſonniren wuͤrde ge-<lb/>
wonnen haben, die Bilder, welche noch lebhaft in<lb/>
meiner Seele ſchweben, verloſchen, meine noch war-<lb/>
men Empfindungen erkaltet zu ſehen. Ich hatte<lb/>
keine Hoffnung meine Erinnerungen durch eine zweite<lb/>
Reiſe nach Rom wieder aufzufriſchen, wohl aber die<lb/>
Ausſicht zu einer Lage vor mir, in der eine anhaltende<lb/>
Beſchaͤfftigung mit den ſchoͤnen Kuͤnſten, mir auf im-<lb/>
mer verwehrt werden duͤrfte.</p><lb/><p>Dieſe Gruͤnde haben mich bewogen, mein Buch<lb/>ſchon jetzt dem Druck zu uͤbergeben, und als mir zur<lb/>
Bedingung des Verlags gemacht wurde, daß alle<lb/>
drei Theile auf Oſtern 1787. zu gleicher Zeit er-<lb/>ſcheinen ſollten, auch dieſe einzugehen.</p><lb/><p>Dies geſchah um Michaelis vorigen Jahrs. Die<lb/>
Materialien waren geſammelt, mir blieb Zeit zum Ord-<lb/><fwplace="bottom"type="sig">A a 5</fw><fwplace="bottom"type="catch">nen</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[377/0401]
Schluß.
So endige ich denn dieſen Verſuch uͤber die bil-
denden Kuͤnſte in Rom, nicht ohne eine Beſorg-
niß zu empfinden, die derjenigen aͤhneln muß, mit
der ein Vater ſich von ſeinem Kinde trennt, ehe deſ-
ſen Bildung vollendet iſt.
Ich habe mein dreißigſtes Jahr noch nicht er-
reicht, und ein Werk wie dieſes, haͤtte, um dem Pu-
blico vor Augen gelegt zu werden, das reifſte Alter
erfordert.
Aber ich fuͤhlte, daß mit jedem Tage die Ein-
druͤcke ſchwaͤcher wurden, welche die Kunſtwerke Roms
auf mich gemacht hatten: ich lief Gefahr zu einer
Zeit, wo ich an Staͤrke im Raiſonniren wuͤrde ge-
wonnen haben, die Bilder, welche noch lebhaft in
meiner Seele ſchweben, verloſchen, meine noch war-
men Empfindungen erkaltet zu ſehen. Ich hatte
keine Hoffnung meine Erinnerungen durch eine zweite
Reiſe nach Rom wieder aufzufriſchen, wohl aber die
Ausſicht zu einer Lage vor mir, in der eine anhaltende
Beſchaͤfftigung mit den ſchoͤnen Kuͤnſten, mir auf im-
mer verwehrt werden duͤrfte.
Dieſe Gruͤnde haben mich bewogen, mein Buch
ſchon jetzt dem Druck zu uͤbergeben, und als mir zur
Bedingung des Verlags gemacht wurde, daß alle
drei Theile auf Oſtern 1787. zu gleicher Zeit er-
ſcheinen ſollten, auch dieſe einzugehen.
Dies geſchah um Michaelis vorigen Jahrs. Die
Materialien waren geſammelt, mir blieb Zeit zum Ord-
nen
A a 5
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 3. Leipzig, 1787, S. 377. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_mahlerei03_1787/401>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.