Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 3. Leipzig, 1787.

Bild:
<< vorherige Seite

Pallast Giustiniani.
Wahrheit des Ausdrucks der Affekte mein Empfin-
dungsvermögen in Bewegung setzte, in der Wahr-
nehmung einer treuen Nachbildung, in der mahleri-
schen Würkung der Farben und des Helldunkeln,
endlich in dem Rückblick auf die Geschicklichkeit des
Künstlers, Quellen eines Vergnügens gefunden, das
der Mann mit seinen nützlichen Rücksichten da, mir
auf keine Weise wegsophistisiren soll.

Er selbst, wenn er nicht durch lange Gewohn-
heit seinen Sinn für das sichtbar Angenehme des
bloßen Anblicks abgestumpft hat, er muß ein Ver-
gnügen mit mir theilen, das selbst ein Friedrich der
Große als Gegenstand seiner Erholung stets gewür-
digt hat.

Ich würde nun von ihm den Beweis erwarten
dürfen, daß die Idee eines Nutzens für den Ver-
stand und für das moralische Gefühl des Guten, den
Mangel der Schönheit, der Wahrheit des Aus-
drucks der Affekte, der künstlichen Behandlung je-
mals wieder gut gemacht habe. Er wird ihn mir
in Ewigkeit schuldig bleiben, und dann würde so viel
bewiesen seyn, daß diese, nicht jene Stücke als Be-
standtheile des Wesens der bildenden Künste ange-
sehen werden müßten.

Aber sagen jene Stoiker, die so gern Aufklärung
und Besserung durch die Künste verbreiten wollen:
Ihr Epicuräer, die ihr nur für den Augenblick ge-
nießet, ihr thut uns Unrecht! Wir verlangen nicht,
daß jene Grundlagen des sichtbar Angenehmen der
Consideration des Nutzens, des außer dem Anblick
liegenden Vergnügens, je aufgeopfert werden sollen;

sondern
A 3

Pallaſt Giuſtiniani.
Wahrheit des Ausdrucks der Affekte mein Empfin-
dungsvermoͤgen in Bewegung ſetzte, in der Wahr-
nehmung einer treuen Nachbildung, in der mahleri-
ſchen Wuͤrkung der Farben und des Helldunkeln,
endlich in dem Ruͤckblick auf die Geſchicklichkeit des
Kuͤnſtlers, Quellen eines Vergnuͤgens gefunden, das
der Mann mit ſeinen nuͤtzlichen Ruͤckſichten da, mir
auf keine Weiſe wegſophiſtiſiren ſoll.

Er ſelbſt, wenn er nicht durch lange Gewohn-
heit ſeinen Sinn fuͤr das ſichtbar Angenehme des
bloßen Anblicks abgeſtumpft hat, er muß ein Ver-
gnuͤgen mit mir theilen, das ſelbſt ein Friedrich der
Große als Gegenſtand ſeiner Erholung ſtets gewuͤr-
digt hat.

Ich wuͤrde nun von ihm den Beweis erwarten
duͤrfen, daß die Idee eines Nutzens fuͤr den Ver-
ſtand und fuͤr das moraliſche Gefuͤhl des Guten, den
Mangel der Schoͤnheit, der Wahrheit des Aus-
drucks der Affekte, der kuͤnſtlichen Behandlung je-
mals wieder gut gemacht habe. Er wird ihn mir
in Ewigkeit ſchuldig bleiben, und dann wuͤrde ſo viel
bewieſen ſeyn, daß dieſe, nicht jene Stuͤcke als Be-
ſtandtheile des Weſens der bildenden Kuͤnſte ange-
ſehen werden muͤßten.

Aber ſagen jene Stoiker, die ſo gern Aufklaͤrung
und Beſſerung durch die Kuͤnſte verbreiten wollen:
Ihr Epicuraͤer, die ihr nur fuͤr den Augenblick ge-
nießet, ihr thut uns Unrecht! Wir verlangen nicht,
daß jene Grundlagen des ſichtbar Angenehmen der
Conſideration des Nutzens, des außer dem Anblick
liegenden Vergnuͤgens, je aufgeopfert werden ſollen;

ſondern
A 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0029" n="5"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Palla&#x017F;t Giu&#x017F;tiniani.</hi></fw><lb/>
Wahrheit des Ausdrucks der Affekte mein Empfin-<lb/>
dungsvermo&#x0364;gen in Bewegung &#x017F;etzte, in der Wahr-<lb/>
nehmung einer treuen Nachbildung, in der mahleri-<lb/>
&#x017F;chen Wu&#x0364;rkung der Farben und des Helldunkeln,<lb/>
endlich in dem Ru&#x0364;ckblick auf die Ge&#x017F;chicklichkeit des<lb/>
Ku&#x0364;n&#x017F;tlers, Quellen eines Vergnu&#x0364;gens gefunden, das<lb/>
der Mann mit &#x017F;einen nu&#x0364;tzlichen Ru&#x0364;ck&#x017F;ichten da, mir<lb/>
auf keine Wei&#x017F;e weg&#x017F;ophi&#x017F;ti&#x017F;iren &#x017F;oll.</p><lb/>
        <p>Er &#x017F;elb&#x017F;t, wenn er nicht durch lange Gewohn-<lb/>
heit &#x017F;einen Sinn fu&#x0364;r das &#x017F;ichtbar Angenehme des<lb/>
bloßen Anblicks abge&#x017F;tumpft hat, er muß ein Ver-<lb/>
gnu&#x0364;gen mit mir theilen, das &#x017F;elb&#x017F;t ein Friedrich der<lb/>
Große als Gegen&#x017F;tand &#x017F;einer Erholung &#x017F;tets gewu&#x0364;r-<lb/>
digt hat.</p><lb/>
        <p>Ich wu&#x0364;rde nun von ihm den Beweis erwarten<lb/>
du&#x0364;rfen, daß die Idee eines Nutzens fu&#x0364;r den Ver-<lb/>
&#x017F;tand und fu&#x0364;r das morali&#x017F;che Gefu&#x0364;hl des Guten, den<lb/>
Mangel der Scho&#x0364;nheit, der Wahrheit des Aus-<lb/>
drucks der Affekte, der ku&#x0364;n&#x017F;tlichen Behandlung je-<lb/>
mals wieder gut gemacht habe. Er wird ihn mir<lb/>
in Ewigkeit &#x017F;chuldig bleiben, und dann wu&#x0364;rde &#x017F;o viel<lb/>
bewie&#x017F;en &#x017F;eyn, daß die&#x017F;e, nicht jene Stu&#x0364;cke als Be-<lb/>
&#x017F;tandtheile des We&#x017F;ens der bildenden Ku&#x0364;n&#x017F;te ange-<lb/>
&#x017F;ehen werden mu&#x0364;ßten.</p><lb/>
        <p>Aber &#x017F;agen jene Stoiker, die &#x017F;o gern Aufkla&#x0364;rung<lb/>
und Be&#x017F;&#x017F;erung durch die Ku&#x0364;n&#x017F;te verbreiten wollen:<lb/>
Ihr Epicura&#x0364;er, die ihr nur fu&#x0364;r den Augenblick ge-<lb/>
nießet, ihr thut uns Unrecht! Wir verlangen nicht,<lb/>
daß jene Grundlagen des &#x017F;ichtbar Angenehmen der<lb/>
Con&#x017F;ideration des Nutzens, des außer dem Anblick<lb/>
liegenden Vergnu&#x0364;gens, je aufgeopfert werden &#x017F;ollen;<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">A 3</fw><fw place="bottom" type="catch">&#x017F;ondern</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[5/0029] Pallaſt Giuſtiniani. Wahrheit des Ausdrucks der Affekte mein Empfin- dungsvermoͤgen in Bewegung ſetzte, in der Wahr- nehmung einer treuen Nachbildung, in der mahleri- ſchen Wuͤrkung der Farben und des Helldunkeln, endlich in dem Ruͤckblick auf die Geſchicklichkeit des Kuͤnſtlers, Quellen eines Vergnuͤgens gefunden, das der Mann mit ſeinen nuͤtzlichen Ruͤckſichten da, mir auf keine Weiſe wegſophiſtiſiren ſoll. Er ſelbſt, wenn er nicht durch lange Gewohn- heit ſeinen Sinn fuͤr das ſichtbar Angenehme des bloßen Anblicks abgeſtumpft hat, er muß ein Ver- gnuͤgen mit mir theilen, das ſelbſt ein Friedrich der Große als Gegenſtand ſeiner Erholung ſtets gewuͤr- digt hat. Ich wuͤrde nun von ihm den Beweis erwarten duͤrfen, daß die Idee eines Nutzens fuͤr den Ver- ſtand und fuͤr das moraliſche Gefuͤhl des Guten, den Mangel der Schoͤnheit, der Wahrheit des Aus- drucks der Affekte, der kuͤnſtlichen Behandlung je- mals wieder gut gemacht habe. Er wird ihn mir in Ewigkeit ſchuldig bleiben, und dann wuͤrde ſo viel bewieſen ſeyn, daß dieſe, nicht jene Stuͤcke als Be- ſtandtheile des Weſens der bildenden Kuͤnſte ange- ſehen werden muͤßten. Aber ſagen jene Stoiker, die ſo gern Aufklaͤrung und Beſſerung durch die Kuͤnſte verbreiten wollen: Ihr Epicuraͤer, die ihr nur fuͤr den Augenblick ge- nießet, ihr thut uns Unrecht! Wir verlangen nicht, daß jene Grundlagen des ſichtbar Angenehmen der Conſideration des Nutzens, des außer dem Anblick liegenden Vergnuͤgens, je aufgeopfert werden ſollen; ſondern A 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_mahlerei03_1787
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_mahlerei03_1787/29
Zitationshilfe: Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 3. Leipzig, 1787, S. 5. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_mahlerei03_1787/29>, abgerufen am 24.11.2024.