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Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 3. Leipzig, 1787.

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Anmerkungen
bis zu den geringsten Beiwerken verschwendet. Die
Stellung ist zwar weniger gezwungen als in den übri-
gen Werken des Bernini, es fehlt ihr aber immer
noch sehr viel, um natürlich zu seyn. Die süßlich
lächelnde Mine des Kopfs misfällt auf die Länge.
Das Fleisch scheint wahres Wachs zu seyn. Das
Gewand ist in zu viele kleine Falten getheilet, und
zeigt das Nackende nicht hinreichend an.

Stil des Ber-
nini und sei-
ner Nachfol-
ger.

Der Cavaliere Giovanni Laurentio Bernini,
der von 1598 bis 1680. lebte, ward von der Wuth
in Stein zu mahlen, zu gleicher Zeit mit dem Algardi
ergriffen. Aber er begnügte sich nicht wie dieser, der
ernsten Manier der Carracci und ihrer Schüler treu
zu bleiben; er verfiel auf die falsche Manier des Pie-
tro da Cortona, und was schlimmer war, zuletzt in
die Manier des Rubens. Die große Fertigkeit die
dieser Künstler in der Behandlung des Marmors
hatte, welcher würklich unter seinem Meissel zu Wachs
wurde, hat ihn wahrscheinlich zu den ausschweifen-
den Irrthümern verführt, in die er verfallen ist.
Michael Angelo vergaß, daß der menschliche Körper
mit Fleisch und Haut bedeckt ist: Bernini vergaß,
daß das Fleisch ohne elastische Muskeln und Knochen,
die zum Halt dienen, zum Schlauch, und die Haut
zur Porcellainglasur wird. Niedrige, ja! kindi-
sche Gedanken, oft unedler immer gezierter Ausdruck,
häufige Incorrektionen, schlaffe Formen, nach Art
der Figuren des Rubens, Gewänder in kleine Falten
gekniffen, oder in große geworfen, die das Nackende
gar nicht anzeigen, endlich verschwendeter Fleiß an
Nebenwerke, sind die Hauptunterscheidungszeichen
dieses Meisters, als Fehler. Ein gewisser Schwung

in

Anmerkungen
bis zu den geringſten Beiwerken verſchwendet. Die
Stellung iſt zwar weniger gezwungen als in den uͤbri-
gen Werken des Bernini, es fehlt ihr aber immer
noch ſehr viel, um natuͤrlich zu ſeyn. Die ſuͤßlich
laͤchelnde Mine des Kopfs misfaͤllt auf die Laͤnge.
Das Fleiſch ſcheint wahres Wachs zu ſeyn. Das
Gewand iſt in zu viele kleine Falten getheilet, und
zeigt das Nackende nicht hinreichend an.

Stil des Ber-
nini und ſei-
ner Nachfol-
ger.

Der Cavaliere Giovanni Laurentio Bernini,
der von 1598 bis 1680. lebte, ward von der Wuth
in Stein zu mahlen, zu gleicher Zeit mit dem Algardi
ergriffen. Aber er begnuͤgte ſich nicht wie dieſer, der
ernſten Manier der Carracci und ihrer Schuͤler treu
zu bleiben; er verfiel auf die falſche Manier des Pie-
tro da Cortona, und was ſchlimmer war, zuletzt in
die Manier des Rubens. Die große Fertigkeit die
dieſer Kuͤnſtler in der Behandlung des Marmors
hatte, welcher wuͤrklich unter ſeinem Meiſſel zu Wachs
wurde, hat ihn wahrſcheinlich zu den ausſchweifen-
den Irrthuͤmern verfuͤhrt, in die er verfallen iſt.
Michael Angelo vergaß, daß der menſchliche Koͤrper
mit Fleiſch und Haut bedeckt iſt: Bernini vergaß,
daß das Fleiſch ohne elaſtiſche Muskeln und Knochen,
die zum Halt dienen, zum Schlauch, und die Haut
zur Porcellainglaſur wird. Niedrige, ja! kindi-
ſche Gedanken, oft unedler immer gezierter Ausdruck,
haͤufige Incorrektionen, ſchlaffe Formen, nach Art
der Figuren des Rubens, Gewaͤnder in kleine Falten
gekniffen, oder in große geworfen, die das Nackende
gar nicht anzeigen, endlich verſchwendeter Fleiß an
Nebenwerke, ſind die Hauptunterſcheidungszeichen
dieſes Meiſters, als Fehler. Ein gewiſſer Schwung

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[262/0286] Anmerkungen bis zu den geringſten Beiwerken verſchwendet. Die Stellung iſt zwar weniger gezwungen als in den uͤbri- gen Werken des Bernini, es fehlt ihr aber immer noch ſehr viel, um natuͤrlich zu ſeyn. Die ſuͤßlich laͤchelnde Mine des Kopfs misfaͤllt auf die Laͤnge. Das Fleiſch ſcheint wahres Wachs zu ſeyn. Das Gewand iſt in zu viele kleine Falten getheilet, und zeigt das Nackende nicht hinreichend an. Der Cavaliere Giovanni Laurentio Bernini, der von 1598 bis 1680. lebte, ward von der Wuth in Stein zu mahlen, zu gleicher Zeit mit dem Algardi ergriffen. Aber er begnuͤgte ſich nicht wie dieſer, der ernſten Manier der Carracci und ihrer Schuͤler treu zu bleiben; er verfiel auf die falſche Manier des Pie- tro da Cortona, und was ſchlimmer war, zuletzt in die Manier des Rubens. Die große Fertigkeit die dieſer Kuͤnſtler in der Behandlung des Marmors hatte, welcher wuͤrklich unter ſeinem Meiſſel zu Wachs wurde, hat ihn wahrſcheinlich zu den ausſchweifen- den Irrthuͤmern verfuͤhrt, in die er verfallen iſt. Michael Angelo vergaß, daß der menſchliche Koͤrper mit Fleiſch und Haut bedeckt iſt: Bernini vergaß, daß das Fleiſch ohne elaſtiſche Muskeln und Knochen, die zum Halt dienen, zum Schlauch, und die Haut zur Porcellainglaſur wird. Niedrige, ja! kindi- ſche Gedanken, oft unedler immer gezierter Ausdruck, haͤufige Incorrektionen, ſchlaffe Formen, nach Art der Figuren des Rubens, Gewaͤnder in kleine Falten gekniffen, oder in große geworfen, die das Nackende gar nicht anzeigen, endlich verſchwendeter Fleiß an Nebenwerke, ſind die Hauptunterſcheidungszeichen dieſes Meiſters, als Fehler. Ein gewiſſer Schwung in

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Zitationshilfe: Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 3. Leipzig, 1787, S. 262. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_mahlerei03_1787/286>, abgerufen am 23.11.2024.