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Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 2. Leipzig, 1787.

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Villa Albani.
zu betrachten: Sie haben sie weder nach den Regeln
der Perspektive, noch der Gruppirung in Rücksicht
auf Form und Beleuchtung der Massen zusammen-
gestellt: Allerwärts haben sie den Eindruck der
Schönheit im Einzelnen besorgt: Kurz! die Mahle-
rei und die Bildhauerkunst haben sich bei ihnen in Ab-
sicht auf Erfindung und Anordnung keinesweges un-
terschieden.

Gesetzt wir nähmen dies an; enthält dies eine
unbedingte Verbindlichkeit zur Nachfolge für die
Neueren? Ich glaube nicht. Die Griechen hatten
ein so feines Empfindniß für die Schönheit der Ge-
stalt, ihre Einbildungskraft, ihr Herz wurden durch
jede Veranlassung so leicht in Bewegung gesetzt, daß
wir nördlichen Völker auf ein ähnliches Vergnügen
in eben der Stärke keinen Anspruch machen dürfen.
Wir verlangen viel stärkere Räder um unsere Auf-
merksamkeit zu spannen. Die Meisterstücke der
Griechischen Bühne würden auf der unsrigen schlech-
tes Glück machen, und ich fürchte, man müßte uns
ein anderes Clima, andere Nerven, und vorzüglich
unsern Begriffen von den Vorzügen der Mahlerei
eine ganz andere Richtung geben, damit auch die
Gemählde der Alten uns gefallen könnten.

Sollten wir aber den Abfall des Genusses, den
wir auf diesem Wege leiden, nicht auf einem andern
wieder einbringen können? So scheint es! Raphael
und Correggio scheinen durch die Bedürfnisse der Na-
tion, für die sie arbeiteten, geleitet, von selbst auf
diesen Weg gekommen zu seyn. Seitdem diese gros-
sen Meister unser Vergnügen durch ihre Meisterstücke

besorgt,

Villa Albani.
zu betrachten: Sie haben ſie weder nach den Regeln
der Perſpektive, noch der Gruppirung in Ruͤckſicht
auf Form und Beleuchtung der Maſſen zuſammen-
geſtellt: Allerwaͤrts haben ſie den Eindruck der
Schoͤnheit im Einzelnen beſorgt: Kurz! die Mahle-
rei und die Bildhauerkunſt haben ſich bei ihnen in Ab-
ſicht auf Erfindung und Anordnung keinesweges un-
terſchieden.

Geſetzt wir naͤhmen dies an; enthaͤlt dies eine
unbedingte Verbindlichkeit zur Nachfolge fuͤr die
Neueren? Ich glaube nicht. Die Griechen hatten
ein ſo feines Empfindniß fuͤr die Schoͤnheit der Ge-
ſtalt, ihre Einbildungskraft, ihr Herz wurden durch
jede Veranlaſſung ſo leicht in Bewegung geſetzt, daß
wir noͤrdlichen Voͤlker auf ein aͤhnliches Vergnuͤgen
in eben der Staͤrke keinen Anſpruch machen duͤrfen.
Wir verlangen viel ſtaͤrkere Raͤder um unſere Auf-
merkſamkeit zu ſpannen. Die Meiſterſtuͤcke der
Griechiſchen Buͤhne wuͤrden auf der unſrigen ſchlech-
tes Gluͤck machen, und ich fuͤrchte, man muͤßte uns
ein anderes Clima, andere Nerven, und vorzuͤglich
unſern Begriffen von den Vorzuͤgen der Mahlerei
eine ganz andere Richtung geben, damit auch die
Gemaͤhlde der Alten uns gefallen koͤnnten.

Sollten wir aber den Abfall des Genuſſes, den
wir auf dieſem Wege leiden, nicht auf einem andern
wieder einbringen koͤnnen? So ſcheint es! Raphael
und Correggio ſcheinen durch die Beduͤrfniſſe der Na-
tion, fuͤr die ſie arbeiteten, geleitet, von ſelbſt auf
dieſen Weg gekommen zu ſeyn. Seitdem dieſe groſ-
ſen Meiſter unſer Vergnuͤgen durch ihre Meiſterſtuͤcke

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[45/0059] Villa Albani. zu betrachten: Sie haben ſie weder nach den Regeln der Perſpektive, noch der Gruppirung in Ruͤckſicht auf Form und Beleuchtung der Maſſen zuſammen- geſtellt: Allerwaͤrts haben ſie den Eindruck der Schoͤnheit im Einzelnen beſorgt: Kurz! die Mahle- rei und die Bildhauerkunſt haben ſich bei ihnen in Ab- ſicht auf Erfindung und Anordnung keinesweges un- terſchieden. Geſetzt wir naͤhmen dies an; enthaͤlt dies eine unbedingte Verbindlichkeit zur Nachfolge fuͤr die Neueren? Ich glaube nicht. Die Griechen hatten ein ſo feines Empfindniß fuͤr die Schoͤnheit der Ge- ſtalt, ihre Einbildungskraft, ihr Herz wurden durch jede Veranlaſſung ſo leicht in Bewegung geſetzt, daß wir noͤrdlichen Voͤlker auf ein aͤhnliches Vergnuͤgen in eben der Staͤrke keinen Anſpruch machen duͤrfen. Wir verlangen viel ſtaͤrkere Raͤder um unſere Auf- merkſamkeit zu ſpannen. Die Meiſterſtuͤcke der Griechiſchen Buͤhne wuͤrden auf der unſrigen ſchlech- tes Gluͤck machen, und ich fuͤrchte, man muͤßte uns ein anderes Clima, andere Nerven, und vorzuͤglich unſern Begriffen von den Vorzuͤgen der Mahlerei eine ganz andere Richtung geben, damit auch die Gemaͤhlde der Alten uns gefallen koͤnnten. Sollten wir aber den Abfall des Genuſſes, den wir auf dieſem Wege leiden, nicht auf einem andern wieder einbringen koͤnnen? So ſcheint es! Raphael und Correggio ſcheinen durch die Beduͤrfniſſe der Na- tion, fuͤr die ſie arbeiteten, geleitet, von ſelbſt auf dieſen Weg gekommen zu ſeyn. Seitdem dieſe groſ- ſen Meiſter unſer Vergnuͤgen durch ihre Meiſterſtuͤcke beſorgt,

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Zitationshilfe: Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 2. Leipzig, 1787, S. 45. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_mahlerei02_1787/59>, abgerufen am 24.11.2024.