liche Copien nach Salvator Rosa, wenige nach Tizian.
Das Schwerste in der Nachahmung ist Be- stimmtheit, und Freiheit in der Zeichnung und im Ausdruck. Wo das Original Aengstlichkeit oder Ungewißheit verräth, da hat der Nachahmer gut Spiel.
Endlich muß man darauf Rücksicht nehmen, ob das Vorbild ein Hauptwerk, d. i. ein solches ist, in dem der Künstler seine ihm eigenthümlichen Vorzüge in merklicher Vollkommenheit angebracht hat: oder nur eines seiner mittelmäßigen Werke. Daß die letzten sich viel eher nachahmen lassen, ist be- greiflich.
Und nach diesen Voraussetzungen behaupte ich nun dreist: daß in allen Fällen, wo das Gemählde einen eigenthümlichen Vorzug eines gewissen Mei- sters in besonderer Vollkommenheit zeigt, und zwar in den Theilen der Mahlerei, die eine große Fertig- keit in der Ausführung, Treue und Wahrheit in Nachbildung der Natur erfodern, mir nicht leicht eine Copie für ein Original aufgehangen werden könne. Geschähe es aber dem ohngeachtet! -- nun ich bin zufrieden, die Copie für das Original hinzu- geben.
Man trägt sich mit verschiedenen Anekdoten, nach weichen große Meister sich in den Copien und den sogenannten Pasticci, oder Original-Gemähl- den in Geschmack anderer Meister, sollen geirret haben. So soll Giulio Romano einst die Copie
des
Pallaſt Barberini.
liche Copien nach Salvator Roſa, wenige nach Tizian.
Das Schwerſte in der Nachahmung iſt Be- ſtimmtheit, und Freiheit in der Zeichnung und im Ausdruck. Wo das Original Aengſtlichkeit oder Ungewißheit verraͤth, da hat der Nachahmer gut Spiel.
Endlich muß man darauf Ruͤckſicht nehmen, ob das Vorbild ein Hauptwerk, d. i. ein ſolches iſt, in dem der Kuͤnſtler ſeine ihm eigenthuͤmlichen Vorzuͤge in merklicher Vollkommenheit angebracht hat: oder nur eines ſeiner mittelmaͤßigen Werke. Daß die letzten ſich viel eher nachahmen laſſen, iſt be- greiflich.
Und nach dieſen Vorausſetzungen behaupte ich nun dreiſt: daß in allen Faͤllen, wo das Gemaͤhlde einen eigenthuͤmlichen Vorzug eines gewiſſen Mei- ſters in beſonderer Vollkommenheit zeigt, und zwar in den Theilen der Mahlerei, die eine große Fertig- keit in der Ausfuͤhrung, Treue und Wahrheit in Nachbildung der Natur erfodern, mir nicht leicht eine Copie fuͤr ein Original aufgehangen werden koͤnne. Geſchaͤhe es aber dem ohngeachtet! — nun ich bin zufrieden, die Copie fuͤr das Original hinzu- geben.
Man traͤgt ſich mit verſchiedenen Anekdoten, nach weichen große Meiſter ſich in den Copien und den ſogenannten Paſticci, oder Original-Gemaͤhl- den in Geſchmack anderer Meiſter, ſollen geirret haben. So ſoll Giulio Romano einſt die Copie
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Pallaſt Barberini.
liche Copien nach Salvator Roſa, wenige nach
Tizian.
Das Schwerſte in der Nachahmung iſt Be-
ſtimmtheit, und Freiheit in der Zeichnung und im
Ausdruck. Wo das Original Aengſtlichkeit oder
Ungewißheit verraͤth, da hat der Nachahmer gut
Spiel.
Endlich muß man darauf Ruͤckſicht nehmen, ob
das Vorbild ein Hauptwerk, d. i. ein ſolches iſt, in
dem der Kuͤnſtler ſeine ihm eigenthuͤmlichen Vorzuͤge
in merklicher Vollkommenheit angebracht hat: oder
nur eines ſeiner mittelmaͤßigen Werke. Daß die
letzten ſich viel eher nachahmen laſſen, iſt be-
greiflich.
Und nach dieſen Vorausſetzungen behaupte ich
nun dreiſt: daß in allen Faͤllen, wo das Gemaͤhlde
einen eigenthuͤmlichen Vorzug eines gewiſſen Mei-
ſters in beſonderer Vollkommenheit zeigt, und zwar
in den Theilen der Mahlerei, die eine große Fertig-
keit in der Ausfuͤhrung, Treue und Wahrheit in
Nachbildung der Natur erfodern, mir nicht leicht
eine Copie fuͤr ein Original aufgehangen werden
koͤnne. Geſchaͤhe es aber dem ohngeachtet! — nun
ich bin zufrieden, die Copie fuͤr das Original hinzu-
geben.
Man traͤgt ſich mit verſchiedenen Anekdoten,
nach weichen große Meiſter ſich in den Copien und
den ſogenannten Paſticci, oder Original-Gemaͤhl-
den in Geſchmack anderer Meiſter, ſollen geirret
haben. So ſoll Giulio Romano einſt die Copie
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Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 2. Leipzig, 1787, S. 318. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_mahlerei02_1787/332>, abgerufen am 16.02.2025.
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